Gerichtsstand bei Streit um Coaching-Vertrag

BayObLG zur örtlichen Zuständigkeit bei Fernabsatz-Coachingverträgen mit Verbrauchern: Beim Online-Vertrieb digitaler Dienstleistungen – insbesondere im Bereich Coaching und Beratung – kommt der Frage der örtlichen Zuständigkeit bei gerichtlichen Streitigkeiten eine ganz besondere Bedeutung zu. Vertragsabschlüsse erfolgen heute meist vollständig digital, oft begleitet von automatisierten Kommunikations- und Zahlungssystemen. Ein aktueller Beschluss des Bayerischen Obersten Landesgerichts (BayObLG, 102 AR 43/25 e) vom 16. Juni 2025 schafft in diesem Kontext mehr Klarheit über den Gerichtsstand bei Klagen gegen Verbraucher und konkretisiert die Voraussetzungen für die Anwendung des besonderen Verbrauchergerichtsstands nach § 29c ZPO.

Hinweis: Wir vertreten keine Verbraucher bzw. Privatpersonen in diesen Fällen, sondern beraten ausschließlich Coaching-Anbieter!

Sachverhalt

Ein Unternehmen mit Sitz in Bayern, das bundesweit Coaching- und Beratungsleistungen online vertreibt, klagte gegen eine Verbraucherin auf Zahlung des Entgelts für einen Coachingvertrag. Die Beklagte hatte über eine Webseite einen mehrmonatigen digitalen Coachingkurs gebucht, jedoch nach kurzer Zeit die Zahlung verweigert. Das Unternehmen reichte daraufhin Klage beim Amtsgericht München ein. Die Beklagte rügte die örtliche Zuständigkeit unter Hinweis auf ihren Wohnsitz in Niedersachsen. Das Amtsgericht gab der Rüge statt. Die daraufhin angerufene Rechtsmittelinstanz – das BayObLG – bestätigte die Entscheidung des Amtsgerichts und lehnte eine Verweisung an das Münchener Gericht ab.

Rechtliche Analyse

Maßgeblicher Gerichtsstand: § 29c ZPO

Das BayObLG stellt zunächst klar, dass es sich bei der Beklagten unstreitig um eine Verbraucherin im Sinne von § 13 BGB handelt. Auch der Kläger ist als Unternehmer anzusehen. Die Anwendung des § 29c ZPO ist daher grundsätzlich eröffnet. Danach ist für Klagen gegen Verbraucher in Vertragssachen ausschließlich das Gericht am Wohnsitz des Verbrauchers örtlich zuständig. Das Gericht hebt dabei hervor, dass es sich um eine zwingende Vorschrift handelt, von der durch vertragliche Gerichtsstandvereinbarung nicht zu Lasten des Verbrauchers abgewichen werden darf (§ 38 Abs. 2 ZPO).

Fernabsatzverträge als Vertragssachen im Sinne des § 29c ZPO

Inhaltlich beschäftigt sich das Gericht sodann mit der Frage, ob es sich bei dem abgeschlossenen Coachingvertrag um eine „Vertragssache“ im Sinne von § 29c ZPO handelt. Dies bejaht das BayObLG mit überzeugender Begründung: Der Coachingvertrag sei als entgeltlicher Austauschvertrag über Dienstleistungen zu qualifizieren. Auch wenn die Leistung ausschließlich online erbracht werde und keinen unmittelbaren physischen Kontakt zwischen den Parteien voraussetze, ändere dies nichts am Vertragscharakter der Rechtsbeziehung.

Die Entscheidung betont, dass gerade bei digitalen Geschäftsmodellen die Einordnung als „Vertragssache“ nicht an der Form der Leistungserbringung scheitern dürfe. Anderenfalls würde der gesetzliche Verbrauchergerichtsstand unterlaufen, obwohl der Gesetzgeber diesen gerade zum Schutz vor ortsfernen Klageverfahren normiert habe. Der Verbraucherschutzgedanke des § 29c ZPO gelte unabhängig davon, ob ein Coaching via Zoom, per Video-on-Demand oder in Präsenz durchgeführt werde.

Keine Gerichtsstandvereinbarung zulasten des Verbrauchers

Das BayObLG befasst sich zudem mit der Frage einer möglichen Gerichtsstandvereinbarung im zugrunde liegenden Vertrag. Der Kläger hatte sich auf eine AGB-Klausel berufen, wonach ausschließlicher Gerichtsstand München sei. Das Gericht verweist hierzu auf § 38 Abs. 2 ZPO und die ständige Rechtsprechung des BGH: Bei Verbrauchern sind Gerichtsstandvereinbarungen nur zulässig, wenn sie nach Entstehung der Streitigkeit geschlossen wurden. Eine formularmäßige Gerichtsstandklausel in AGB ist daher gegenüber Verbrauchern unwirksam, sofern sie diesen an einem anderen Ort als dem Wohnsitzgericht verklagen will.

Diese Klarstellung ist besonders relevant für die Coachingbranche, in der standardisierte Vertragsformulare weit verbreitet sind und häufig Klauseln zur ausschließlichen Zuständigkeit am Sitz des Unternehmens enthalten.

Schlussfolgerung

Die Entscheidung des BayObLG bringt wichtige Klarheit für digital agierende Dienstleistungsanbieter: Wer mit Verbrauchern Verträge über Online-Coachings oder ähnliche Dienstleistungen abschließt, muss im Streitfall damit rechnen, am Wohnsitzgericht des Verbrauchers zu prozessieren – auch wenn der Vertrag digital abgeschlossen wurde und die Dienstleistung vollständig online erbracht wird. Der besondere Verbrauchergerichtsstand des § 29c ZPO gilt auch für Fernabsatzverträge im digitalen Coachingbereich.

Für die Praxis bedeutet dies: Standard-AGB mit Gerichtsstandsklauseln zugunsten des Sitzgerichts werden gegenüber Verbrauchern nicht durchsetzbar sein. Anbieter sollten sich darauf einstellen, Klagen am Wohnsitz der Verbraucher erheben zu müssen – oder rechtzeitig alternative Streitbeilegungsformen, wie etwa Mediation oder Online-Schlichtung, vertraglich einführen.

Fachanwalt für Strafrecht & IT-Recht bei Anwaltskanzlei Ferner Alsdorf
Rechtsanwalt Jens Ferner ist Spezialist für Strafverteidigung (insbesondere bei Wirtschaftskriminalität wie Geldwäsche, Betrug bis zu Cybercrime) sowie für IT-Recht (Softwarerecht und KI, IT-Vertragsrecht und Compliance) mit zahlreichen Publikationen. Als Fachanwalt für Strafrecht und IT-Recht vertrete ich Mandanten in komplexen Zivil- und Strafverfahren, insbesondere bei streitigen Fragen im Softwarerecht, bei der Abwehr von strafrechtlichen Vorwürfen oder Ansprüchen in der Managerhaftung sowie bei der Einziehung von Vermögenswerten. Mein Fokus liegt auf der Schnittstelle zwischen technischem Verständnis und juristischer Strategie, um Sie in digitalen Fällen und wirtschaftlichen Strafsachen effektiv zu verteidigen und zu beraten.

Erreichbarkeit: Per Mail, Rückruf, Threema oder Whatsapp.

Unsere Anwaltskanzlei ist spezialisiert auf Strafverteidigung, Cybercrime, Wirtschaftsstrafrecht samt Steuerstrafrecht sowie IT-Recht und Managerhaftung. Von Verbrauchern werden allein Strafverteidigungen übernommen - wir sind im Raum Aachen zu finden und bundesweit tätig.
Rechtsanwalt Jens Ferner
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner

Rechtsanwalt Jens Ferner ist Spezialist für Strafverteidigung (insbesondere bei Wirtschaftskriminalität wie Geldwäsche, Betrug bis zu Cybercrime) sowie für IT-Recht (Softwarerecht und KI, IT-Vertragsrecht und Compliance) mit zahlreichen Publikationen. Als Fachanwalt für Strafrecht und IT-Recht vertrete ich Mandanten in komplexen Zivil- und Strafverfahren, insbesondere bei streitigen Fragen im Softwarerecht, bei der Abwehr von strafrechtlichen Vorwürfen oder Ansprüchen in der Managerhaftung sowie bei der Einziehung von Vermögenswerten. Mein Fokus liegt auf der Schnittstelle zwischen technischem Verständnis und juristischer Strategie, um Sie in digitalen Fällen und wirtschaftlichen Strafsachen effektiv zu verteidigen und zu beraten.

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