Unterlassungserklärungen und die „30jährige Gültigkeit“

Es läuft zur Zeit – ein wenig im Hintergrund – eine Diskussion, in wie Weit eine „Gültigkeit“ genießt. Zu der Frage gibt es eine sehr umfassenden Beitrag, der hier zu finden ist, und den ich ungern an dieser Stelle wiederholen möchte. Wer sich für das Thema grundsätzlich interessiert, sollte dort einfach nachlesen, hier insoweit nur das Fazit: Eine Unterlassungserklärung ist lebenslang „gültig“. An dieser Stelle möchte ich nur einige Ergänzungen zur Verfügung stellen.

Die Entscheidung des BGH
Man bezieht sich im dortigen Artikel auf eine Entscheidung des BGH, die zitiert wird mit „BGHZ 59, BGHZ 72, 75 = GRUR 1972, 721 – Kaffeewerbung“. Gemeint ist „BGHZ 59, 72“, mit dem Aktenzeichen „I ZR 154/70“, dort ist u.a. in den Gründen (richtiger weise!) zu lesen, dass jedenfalls dann, wenn ein Gläubiger keinen Anlass hat, gegen seinen Schuldner vorzugehen, auch keine greifen kann. Nur ein „nichtbefriedigter Anspruch“ könne der Verjährung unterliegen, nicht dagegen unbefristete Ansprüche. Der Gedanke findet sich auch in der neueren Rechtsprechung, etwa beim BAG (2 AZR 297/ 01).

Letztlich ist an diesem Punkt ein sauberes Arbeiten der Schlüssel zur Lösung der Frage: Nur Ansprüche unterliegen der Verjährung, wie §194 BGB ausdrücklich klar stellt:

Das Recht, von einem anderen ein Tun oder Unterlassen zu verlangen (Anspruch), unterliegt der Verjährung

Der rechtliche Bestand eines Vertrages für sich ist im Zusammenhang mit einer „Verjährung“ gar nicht erst zu thematisieren, ein „Vertrag“ kann nicht „verjähren“. Der Anspruch auf die dagegen kann verjähren, aber – logisch bedingt – natürlich erst ab dem Zeitpunkt, in dem der Anspruch überhaupt besteht. Auf Grund des Vertrages entsteht der Anspruch auf die Vertragsstrafe (geregelt übrigens in den §§339ff. BGB) erst unter einer bestimmten Bedingung (§158 BGB), nämlich einem speziellen (Fehl-)Verhalten des Schuldners. Im Gesamtbild zeigt sich somit: Das Einzige, was da verjähren kann, ist die Forderung der Vertragsstrafe, und zwar erst ab dem Zeitpunkt, in dem sie verwirkt wurde. Ansonsten gibt es schon begrifflich keinen Anspruch der überhaupt Verjähren könnte.

Ist das überhaupt von praktischer Relevanz?
Für mich stellt sich in der Diskussion vor allem die Frage nach dem Nutzen: Ob nun 30 Jahre oder lebenslänglich: Die statistische Lebenserwartung liegt mit dem Bundesamt für Statistik bei 79,9 Jahren, wer also mit Mitte 30 seine Unterlassungserklärung abgibt streitet sich über 10-20 Jahre Laufzeit. Dabei finde ich einen anderen Aspekt viel erschreckender: Ich stamme noch aus der Generation, die sich ihr Wissen aus Bibliotheken beschaffen musste. Innerhalb von guten 10 Jahren wurde ich , wie das 56k-Modem vom DSL-Zugang mit WLAN abgelöst wurde, wie der Brockhaus von Wikipedia abgelöst wurde und wie ich – in gerade einmal 6 Jahren, das vergisst man schnell) – vom Exoten, der auf seinem Handy Mails liest, zum Teil einer Mainstream-Bewegung wurde. Die letzten 10 Jahre (etwas mehr) verdeutlichen, wie schnell sich der Zugang und die Nutzung des Internets mit dem Alltag vermischen. Es ist schlicht nicht vorstellbar, wie wir „das Internet“ in weiteren 10 Jahren nutzen werden, wobei nicht verkannt werden darf, dass die Grenze zwischen „dem Internet“ und „dem Alltag“ zunehmend verschwindet.

Man kann heute nicht einschätzen, wie leicht oder schwer es in 10 Jahren ist, zu verhindern, dass über den eigenen Anschluss etwas im Internet bereit gestellt wird. Wir wissen nicht einmal, ob der Begriff „Anschluss“ nicht in 10-20 Jahren vollkommen überholt sein wird. Der Blick auf die letzten 10 Jahre zeigt, dass die nächsten 10 beim besten Willen nicht vorherzusehen sind. Auch aus diesem faktischen Blickwinkel erscheint mir eine Diskussion, ob ich mich für 30 Jahre oder „Lebenslang“ (also effektiv ca. 50 jahre) verpflichte, im Rahmen des Filesharings eher uninteressant.

Wege „raus“
Natürlich ist es ganz nett, den Begriff „Lebenslang“ zu nutzen, er hat bei Verbrauchern eine schockierende Wirkung: Da wird man in einen Vertrag gepresst, der auch noch Lebenslang halten soll. Das schüttelt das Gemüt. Aber „Lebenslang“ gibt es heute kaum mehr, nicht einmal mehr die Ehe ist Lebenslang – wenn einer der Betroffenen es nicht möchte. Und so läuft es auch mit der Vertragsstrafe.

Die Vertragsstrafe ist akzessorisch an das Schicksal der Hauptverbindlichkeit gebunden (Jauernig, §339, Rn.24), hier also an das vertragliche Unterlassungsversprechen. Verständlich: Wo keine Hauptschuld – wo kein Vertrag – da auch keine Vertragsstrafe. Und es gibt viele Möglichkeiten, diesen Vertrag los zu werden. Wieder mit Blick nach oben: Wir wissen nicht, ob vielleicht in 20 Jahren eine „Kulturflatrate“ in Deutschland eingeführt ist. Wenn das geschehen sollte, kann man den Vertrag m.E. wegen §313 BGB aufkündigen. Man kann sich aber auch bei der Abfassung helfen und die inzwischen verbreitete Klausel verwenden, dass der Vertrag unter der auflösenden Bedingung steht, dass das unterlassene Verhalten eines Tages rechtmäßig wird.

Im Ergebnis sehe ich eine dogmatisch interessante, praktisch aber nicht relevante Phantomdiskussion – jedenfalls im Urheberrecht, also speziell im Bereich der Filesharing-Abmahnungen. Anders kann es sein, wenn es sich um Streitigkeiten aus dem Wettbewerbsrecht handelt, hier ist der §11 UWG zu beachten, der eine Verjährungsfrist von 6 Monaten vorsieht (ab Beginn des Anspruchs und Kenntnisnahme der Umstände durch den Berechtigten – Vertiefend zum §11 UWG, bzw. dem Vorgänger §21 UWG, den BGH in der Entscheidung I ZR 176/93 lesen!).

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

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