EU Space Act

Der EU Space Act, Europas lang erwartete regulatorische Antwort auf den Wilden Westen im Orbit: Die Raumfahrt war lange Zeit ein Feld visionärer Kooperation: Der Weltraumvertrag von 1967 sprach von der friedlichen Nutzung und der Verantwortung aller Staaten für ihre Aktivitäten im All. Doch diese idealistische Rhetorik hat den regulatorischen Realitäten nicht standgehalten. Internationale Verträge wirken oft zu vage, nationale Rechtsakte sind fragmentiert, verbindliche technische Standards fehlen. Währenddessen führt eine rasante Kommerzialisierung und Militarisierung des Alls zu einer dramatischen Verdichtung von Risiken: Weltraumschrott, Cyberangriffe auf Satelliten, riskante Deorbiting-Verfahren und unkontrollierte Re-Entries.

Deutschland hat bis heute kein Weltraumgesetz, und auch die EU war bislang nur punktuell regulierend tätig. Der neue “EU Space Act” – offiziell: der Verordnungsvorschlag über die Sicherheit, Resilienz und Nachhaltigkeit von Raumfahrttätigkeiten in der Union – soll das nun ändern.

Zielsetzung des EU Space Act: Sicherheit, Resilienz, Nachhaltigkeit

Mit dem Space Act will die EU drei zentrale strategische Ziele verwirklichen:

  1. Sicherheit im Sinne technischer Betriebssicherheit und Kollisionsvermeidung,
  2. Resilienz gegenüber externen Gefahren wie Cyberangriffen oder Systemausfällen,
  3. Nachhaltigkeit im Umgang mit Ressourcen, Emissionen und orbitaler Umwelt.

Der Verordnungsvorschlag reagiert damit auf wachsende Gefahren durch Weltraumschrott, Systemversagen und geopolitische Eskalationen im Orbit. Er unterstellt Raumfahrttätigkeiten in der Union künftig einem einheitlichen regulatorischen Rahmen. Dieser umfasst sowohl Start- und Betriebsgenehmigungen, die technische Risikobewertung, als auch Pflichten zur Lebenszyklusanalyse und Umweltverantwortung.

Rechtliche Instrumente und Regelungsmechanismen

Der Entwurf wählt eine Verordnung als Rechtsform, um unmittelbare Geltung in den Mitgliedstaaten zu erreichen. Dies ist konsequent, denn das Ziel ist ein einheitlicher europäischer Raumfahrtbinnenmarkt. Im Einzelnen enthält der Space Act unter anderem folgende Regelungen:

  • Genehmigungspflichten für Start, Betrieb und Deorbiting aller Raumfahrtmissionen innerhalb der EU;
  • Verbindliche Sicherheitsstandards für den Startvorgang, etwa die Risikobewertung für Startkorridore, LCOLA (launch collision avoidance), Koordination mit Luft- und Seeverkehr;
  • Cybersicherheitsanforderungen entlang des gesamten Missionszyklus, inkl. Risikobewertungen, Redundanzplanung und Notfallpläne;
  • Verpflichtende Konzepte zur Weltraumschrottvermeidung, insbesondere für LEO-, MEO- und GEO-Missionen, mit Pflicht zur kontrollierten Rückführung oder sicheren Entsorgung;
  • Lifecycle-Analysen zur Bewertung der Umweltwirkungen (z. B. CO2-Bilanz kleiner Satelliten);
  • Datenaustauschpflichten bezüglich Positionsdaten und Kollisionswarnungen mit europäischen Diensten zur Weltraumüberwachung;
  • Geltung auch für Drittstaatenakteure, sofern deren Raumfahrtsysteme in der EU genutzt werden.

Der Act sieht zudem delegierte Rechtsakte vor, mit denen technische Detailregelungen durch die Kommission erlassen werden sollen – etwa zur Festlegung von Risikoschwellenwerten oder Softwarestandards für Bodenstationen.

Struktur und besondere Inhalte des Verordnungsvorschlags

Der Space Act ist in verschiedene Titel mit jeweiligen Kapiteln gegliedert, die eine umfassende Regelung des Raumfahrtsektors bezwecken. Artikel 1 bis 5 enthalten die allgemeinen Bestimmungen zu Anwendungsbereich, Begriffsbestimmungen (siehe Artikel 5) und Geltung. Besonders hervorzuheben ist, dass der Geltungsbereich auch Raumfahrttätigkeiten umfasst, die von Drittstaatenakteuren ausgehen, sofern sie sich auf die EU auswirken (Art. 2 Abs. 2).

Der für mich spannendste Teil findet sich in Titel 4: Kapitel I (Art. 58-73) widmet sich der Sicherheit von Raumfahrttätigkeiten. Kapitel III (Art. 96-100) widmet sich Fragen des Umweltschutzes.

Cybersicherheit wird explizit in Kapitel II (Art. 74-95) behandelt. Dort werden Anforderungen an ein ganzheitliches Sicherheitskonzept für Raumfahrtsysteme formuliert, teilweise mit Vorgaben wie aus der NIS2 bekannt, etwa zu Backups und Kryptographie. Weiter umfassen die Regelungen dort Bedrohungsanalysen, physikalische wie digitale Schutzmaßnahmen, Kontinuitätsmanagement sowie Meldesysteme bei Vorfällen. Besonders bemerkenswert ist die Pflicht zur Durchführung eines Security Risk Assessment über den gesamten Lebenszyklus der Mission. Die Kommission erhält zudem die Befugnis, durch delegierte Rechtsakte weitere Sicherheitsanforderungen festzulegen.

Weitere Kapitel regeln Nachhaltigkeit, Tracking und Datenkommunikation, wobei auch Aufsicht und Sanktionen vorgesehen sind. Dort finden sich auch Hinweise auf strafrechtlich relevante Aspekte, etwa die Möglichkeit der Verhängung administrativer Sanktionen bei schwerwiegenden Verstoßen, die flankiert werden könnten durch nationale strafrechtliche Bestimmungen. Strafrechtliche Normen selbst sieht der Space Act nicht vor, doch er setzt regulatorische Standards, deren Missachtung in nationales Strafrecht transformiert werden könnte. Ich werde etwas Zeit brauchen, um mir das in Ruhe anzusehen …

EU Space Act Factsheet

Wechselwirkungen

Umgang mit Weltraumschrott und internationale Wirkung

Ein zentrales Anliegen des EU Space Act ist der verantwortungsvolle Umgang mit Weltraumschrott – eine Herausforderung, die nicht nur technischer, sondern zutiefst rechtlicher Natur ist. Die Verordnung enthält spezifische Vorgaben zur Vermeidung neuer Trümmerteile und zur sicheren Entsorgung von Raumfahrtsystemen. Betreiber werden verpflichtet, bereits in der Planungsphase darzulegen, wie sie ihre Systeme am Ende der Lebensdauer kontrolliert deorbitieren oder nachhaltig parken. Ziel ist es, unkontrollierte Re-Entries und Kaskadeneffekte durch Trümmerwolken zu verhindern. Ebenso sind Konzepte zur passiven Sicherheitsabschaltung und zur Bahnvermeidung vorzulegen.

Diese Anforderungen gelten nicht nur für EU-Akteure. Der Space Act verfolgt einen extraterritorialen Regelungsansatz, wie man ihn aus der Datenschutz-Grundverordnung kennt: Nach Art. 2 Abs. 2 gilt die Verordnung auch für Unternehmen außerhalb der EU, wenn ihre Raumfahrtsysteme innerhalb der Union betrieben oder von hier aus genutzt werden. Damit adressiert die EU indirekt globale Player wie SpaceX, Amazon Kuiper oder Blue Origin. Wer den europäischen Markt bedienen will, muss sich an die europäischen Nachhaltigkeits- und Sicherheitsstandards halten.

Ein regulatorischer Quantensprung …

Was die EU mit diesem Act vorlegt, ist ein regulatorischer Quantensprung (jaja, EU und Regulation … aber regulieren kann ja auch positiv sein!). Es geht um mehr als bloße Harmonisierung. Der Verordnungsvorschlag bringt Ordnung in einen bislang kaum regulierten Bereich, der für Wirtschaft, Sicherheitspolitik und kritische Infrastrukturen von wachsender Bedeutung ist.

Im Vergleich zur völkerrechtlichen Ausgangslage – etwa den Verpflichtungen aus Art. VI und VII des Weltraumvertrags – setzt der Act auf klare Durchsetzung, verbindliche Aufsichtsstrukturen und ein sektorübergreifendes Risikomanagement. Er reagiert damit auch auf Erkenntnisse wie sie etwa in der Schweizer Analyse zu “Cyberrisiken im All” formuliert wurden: Das All ist nicht mehr Ort bloßer Exploration, sondern eine verwundbare Infrastruktur mit Dual-Use-Charakter.

Rechtsanwalt Jens Ferner zum EU Space Act

Mit dem EU Space Act betritt Europa den Orbit nicht mehr nur als Wissenschaftsstandort, sondern als souveräner Rechtsraum. Der Schritt war überfällig – und könnte zum Modell für andere strategische Zukunftsbereiche werden.

Der Weltraum wird mit diesem Ansatz nicht nur zum politischen Raum, sondern auch zum regulierten Markt. Indem Europa verbindliche Regeln zur Vermeidung orbitaler Umweltverschmutzung erlässt, setzt es internationale Standards – und kann zugleich sein regulatorisches Gewicht nutzen, um in multilateralen Foren wie UNOOSA oder der ITU für verbindlichere globale Regeln zu werben.Fraglich bleibt trotzdem am Ende, wenn die Macht des Faktischen wirkt und SpaceX & CO. dann doch tun, was sie wollen.

Ausblick

Der Space Act schafft zumindest auf dem Papier nicht nur Sicherheit im regulatorischen Sinne, sondern positioniert die EU als ernstzunehmenden geopolitischen Akteur in der Raumfahrt. Die Normsetzung ist hier zugleich Industriepolitik:

  • Für Start-ups entsteht durch einheitliche Regeln Planungssicherheit.
  • Für Cybersecurity-Anbieter wird das All zu einem neuen Marktsegment.
  • Für Nachhaltigkeitsexperten wird erstmals eine verbindliche Grundlage für ökologische Bewertung geschaffen.

Wichtig wird nun halt sein, wie das Gesetzgebungsverfahren weiter verläuft und ob die nationalen Regierungen – allen voran Deutschland – bereit sind, ihren bisherigen Regulierungsverzicht aufzugeben. Der Act ersetzt kein nationales Weltraumgesetz, aber er erzwingt die Harmonisierung durch unmittelbare Geltung.

Fachanwalt für Strafrecht & IT-Recht bei Anwaltskanzlei Ferner Alsdorf
Rechtsanwalt Jens Ferner ist erfahrener Fachanwalt für Strafrecht sowie Fachanwalt für IT-Recht mit über einem Jahrzehnt Berufspraxis und widmet sich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht - mit Schwerpunkten in Cybercrime, Cybersecurity, Softwarerecht und Managerhaftung. Er ist zertifizierter Experte für Krisenkommunikation & Cybersecurity; zudem Autor sowohl in Fachzeitschriften als auch in einem renommierten StPO-Kommentar zum IT-Strafprozessrecht sowie zur EU-Staatsanwaltschaft. Als Softwareentwickler ist er in Python zertifiziert und hat IT-Handbücher geschrieben.

Erreichbarkeit: Per Mail, Rückruf, Threema oder Whatsapp.

Unsere Kanzlei ist spezialisiert auf Starke Strafverteidigung, seriöses Wirtschaftsstrafrecht und anspruchsvolles IT-Recht inkl. IT-Sicherheitsrecht - ergänzt um Arbeitsrecht mit Fokus auf Managerhaftung. Von Verbrauchern werden allein Strafverteidigungen und im Einzelfall Fälle im Arbeitsrecht übernommen!
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner

Rechtsanwalt Jens Ferner ist erfahrener Fachanwalt für Strafrecht sowie Fachanwalt für IT-Recht mit über einem Jahrzehnt Berufspraxis und widmet sich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht - mit Schwerpunkten in Cybercrime, Cybersecurity, Softwarerecht und Managerhaftung. Er ist zertifizierter Experte für Krisenkommunikation & Cybersecurity; zudem Autor sowohl in Fachzeitschriften als auch in einem renommierten StPO-Kommentar zum IT-Strafprozessrecht sowie zur EU-Staatsanwaltschaft. Als Softwareentwickler ist er in Python zertifiziert und hat IT-Handbücher geschrieben.

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