Wenn jemand zu Unrecht Untersuchungshaft erlitten hat, steht ihm eine finanzielle Entschädigung zu. Allerdings gibt es eine besondere und in der Rechtsprchung kaum thematisierte Ausnahme: Die Durchbrechung nach §14 StrEG. So sieht §14 Strafverfolgungsentschädigungsgesetz („Nachträgliche Strafverfolgung“) eine Durchbrechung der Entscheidung über die Entschädigung unter bestimmten Umständen vor:
Die Entscheidung über die Entschädigungspflicht tritt außer Kraft, wenn zuungunsten des Freigesprochenen die Wiederaufnahme des Verfahrens angeordnet oder wenn gegen den Berechtigten, gegen den das Verfahren eingestellt worden war oder gegen den das Gericht die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt hatte, nachträglich wegen derselben Tat das Hauptverfahren eröffnet wird.
Doch wie sieht es aus, wenn vor Anklageerhebung eine Beschränkung nach §154 StPO stattfand und dieses Verfahren nach Freispruch und Entschädigungsfeststellung fortgeführt wird? Dieses Frage habe ich für einen Mandanten beim Landgericht Köln klären lassen.
Der Sachverhalt
Ich empfand das Verhalten der Generalstaatsanwaltschaft schlichtweg beschämend: Mein Mandant wurde erwiesenermaßen durch einen Dritten fälschlich der kiloweisen Einfuhr von Betäubungsmitteln beschuldigt. Trotz massiver Gegenwehr war er am Ende fast 6 Monate in Untersuchungshaft, nach Freispruch stellte das Gericht die Entschädigungspflicht fest. Vor der Anklage war hinsichtlich eines Teils beschränkt worden, man hatte nämlich 1-2 Gramm Mariuhana bei ihm im Schlafzimmer gefunden. nachdem die Entschädigung beansprucht wurde bestand die Generalstaatsanwaltschaft auf Verfolgung dieser lächerlichen Menge und nachdem es dann einen äusserst überschaubaren Strafbefehl gab, verweigerte man die Entschädigung, da man eine Durchbrechnung nach §14 StrEG sah.
Es drängte sich geradezu auf: Man hatte „Angst“, hier bekommt jemand Geld. Der Mandant hatte während der Inhaftierung alles verloren: Familie, Kontakt zu seinen Kindern, Job – alles wegen falscher Belastungen eines Junkies, die die Polizei mindestens teilweise selber herbeigeführt hatte. Schon der Anstand gebot es, ihm die läppischen ca. 3.000 Euro zuzugestehen und die Sache gut sein zu lassen. Stattdessen wurde dann zielgerichtet alles versucht, ihm den Betrag zu verwehren.
Dabei war meine Argumentation äusserst einfach: Der Besitz von 1-2 Gramm im Schlafzimmer ist nicht die gleiche Tat, die beim Einfuhr von Kiloweise BTM über Monate hinweg begangen wird, der Verweis auf §14 StrEG war geradezu lächerlich. Da es hierzu keine Rechtsprechung gab, wurde es Zeit diese Frage gerichtlich Klären zu lassen.
Die Entscheidung des Landgerichts Köln
Das Landgericht Köln machte es noch einfacher: Zwar kommt es (natürlich) nicht auf eine saubere Differenzierung der prozessualen Taten an. Allerdings ist in jedem Fall ausschlaggebend, ob die Untersuchungshaft wegen der eingestellten Tat angeordnet wurde oder nicht:
Die Voraussetzungen einer Durchbrechung der Entscheidung über die Entschädigungspflicht gem. § 14 StrEG liegen nicht vor. Gem. § 14 StrEG tritt die Entscheidung über die Entschädigungspflicht unter anderem dann außer Kraft, wenn zuungunsten des Berechtigten, gegen den das Verfahren eingestellt worden ist, wegen derselben Tat das Hauptverfahren eröffnet wird. Der Begriff
„derselben Tat“ gem. § 14 StrEG erfasst vorliegend nicht die eingestellte Tat (…) neben der Anklage im Übrigen. Entgegen der Auffassung des Klägers ist „dieselbe Tat“ zwar nicht schon zu verneinen, wenn verschiedene prozessuale Taten vorliegen. Denn wird eine nur teilweise Wiederaufnahme angeordnet, z.B. wegen einer von mehreren prozessualen Taten oder gar verschiedenen
prozessualen Taten, tritt die gesamte Entschädigungsentscheidung außer Kraft, denn nach dem Ergebnis der neuen Hauptverhandlung ist eine neue Gesamtwürdigung erforderlich, die nur unter Blick auf das Gesamtergebnis und alle vollzogenen Strafverfolgungsmaßnahmen zutreffend vorgenommen werden kann (Kunz, StrEG, 4. Aufl. 2010, § 14 Rn. 5).Vorliegend ist jedoch ohne weiteres überprüfbar, inwieweit die Entscheidung des LG Aachen über die Entschädigungspflicht außer Kraft getreten ist. Denn für den eingestellten Teil des Strafverfahrens gegen den Kläger war jedenfalls keine Untersuchungshaft
angeordnet worden. Mit derselben Verfügung (…) waren das Verfahren bezüglich der Tat (…) eingestellt und sodann die
Untersuchungshaft gegen den Kläger angeordnet worden. Der wieder aufgenommene Teil stand daher nicht im Zusammenhang mit der angeordneten Untersuchungshaft gegen den Kläger und ist deshalb nicht geeignet, die Durchbrechungswirkung gem. § 14 StrEG herbeizuführen.
Fazit
Der Kampf um die Entschädigung nach Haft ist ein unwürdiges Unterfangen, das regelmäßig nach dem gleichen Schema abläuft: Man hat das Gefühl, die Generalstaatsanwaltschaften wollen grundsätzlich partout „nicht einen Cent“ auskehren. Es ist mitunter schmerzhaft, wenn man mitansehen muss, wie nach dem Zerstören von Existenzen selbst der Kampf um die ohnehin lächerlich geringe Entschädigung auch noch zum schäbigen Geschacher verkommt. Menschlichkeit bei der angeblich so objektiven Staatsanwaltschaft sollte man nicht erwarten.
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