In den letzten Wochen gab es eine Vielzahl von Beiträgen in Presse und Medien unter dem Stichwort „Kinder und Jugendliche im Visier – BKA warnt: Keine Kinderpornografie weiterleiten“ (so zB ZDF-Heute; im Übrigen siehe dazu auch BR und DW).
Dieses Problem, das seit Monaten relativ unbemerkt von der Öffentlichkeit zunimmt, liegt darin, dass Kinder und Jugendliche strafrechtlich relevante Pornographie – namentlich Kinder- und Jugendpornographie – untereinander über Messenger versenden. Hiermit gehen je nach Alter des Kindes eigene Strafbarkeiten einher, zumal ist es für die kindliche Entwicklung insgesamt schädlich.
Eltern müssen hinsehen
Aus meinem Alltag weiss ich, dass viele Eltern aus allen Wolken fallen und die Thematik nicht kennen. Sexualität ist in den meisten Elternhäusern weiterhin ein Tabuthema nach dem Motto „Worüber man nicht spricht ist kein Problem“. Bis das Problem dann aufploppt.
Denn: Die Behörden verfolgen die Thematik (zu Recht) streng und mit dem Ziel, nichts zu bagatellisieren. So hatte beispielsweise Ende Oktober in elf Bundesländern eine Durchsuchung von Wohnungen stattgefunden. Im Fokus standen 21 Verdächtige im Alter zwischen 14 und 26 Jahren, die strafrechtliche relevante Videos über soziale Netzwerke verbreitet haben sollen.
Überforderte Schulen
Kritik üben muss ich aber auch und ausdrücklich an Schulen und Lehrern, die sich in erheblichem Maße überfordert zeigen. So zeigen Schulen gerne mit dem Finger auf Eltern, die Smartphones überlassen; wenn dann keine Angebote zur Medienkompetenz oder Sensibilisierung im Umgang mit Netzwerken geschaffen werden, wird kurzerhand die Verantwortung alleine auf die Eltern abgewälzt – unter Verkennung der eigenen schulischen Aufgaben. Dabei kann bei diesem Thema nur umso mehr gelten, dass Eltern und Schulen gemeinsam arbeiten müss(t)en. Ärgerlicherweise ist gerade das Bewerten von Informationen, der Kernbereich der Medienkompetenz hier das grosse Schlusslicht:
Aber auch in kritischen Fällen zeigen sich Schulen überfordert mit Ihren Aufgaben – wenn ich etwa höre, dass Kinder aus dem laufenden Unterricht geholt werden und unvorbereitet in das Rektoratszimmer verbracht werden, wo die Kripo schon zur Vernehmung wartet – ohne dass Erziehungsberechtigte informiert werden oder wenigstens eine Vertrauensperson hinzugezogen werden darf – bin ich schlicht Fassungslos. So etwas ist nicht nur schädlich für die Entwicklung des Kindes, das im bisherigen Schutzraum der Schule plötzlich einer (behördlichen) Drucksituation ausgesetzt wird; es ist zudem im höchsten Maße rechtswidrig im Hinblick auf die Vorgaben des JGG, das immer das Kindeswohl vor dem Ermittlungsinteresse im Auge hat.
Es wäre dringend angebracht, dass in den Schulen ordentliche Fortbildungen stattfinden und Kinder sodann, entsprechend dem schulischen Auftrag, erzogen und gebildet werden.
Überforderte Kinder
Es muss ein Umdenken stattfinden: Eltern sehen sich einem erheblichen sozialen Druck ausgesetzt, wenn sie Ihrem Kind nicht bereits früh ein Smartphone überlassen, wobei dies inzwischen bereits in der Grundschule anfängt. Gefördert übrigens von den Schulen selber, die jedenfalls in meinem Umfeld Klassengruppen sowohl der Schüler und Eltern nicht nur schlicht hinnehmen, sondern teils aktiv fördern. Wer sich hier raustut, der ist schnell sozial isoliert im Schulalltag.
Doch das kann es nicht sein, ich möchte Eltern sagen: Wir lassen unsere Kinder alleine in der Form, wie es bisher betrieben wird – und genau so sollten wir es für uns auch werten. Dabei nimmt alleine durch die schlichte Nutzung weder die technische noch die mediale Kompetenz zu. Es gab kürzlich eine internationale Vergleichsstudie zu computer- und informationsbezogenen Kompetenzen von Achtklässlern (ICILS), die grauenhaftes Offenbart: Die meisten zeigen sich überfordert und sind auf das Niveau einer simplen Bedienung der Geräte reduziert (dazu ein Bericht bei SPON und hier die komplette Studie):
Was können Eltern tun?
Es muss viel passieren, aus meiner Sicht sollten Jugendamtsträger, Polizei, Schulen und Eltern insgesamt kooperieren – in Bayern findet man hierzu ein Beispiel mit einer Plakataktion. So etwas kann aber nur ein erster, ein kleiner Anfang sein.
Eltern muss klar sein, dass es hier um Straftaten geht. Kinder bis 14 Jahre sind strafunmündig, es kann also keine Anklage geben; aber: Polizei und Staatsanwaltschaft führen Verfahrenslisten, hier bekommt das eigene Kind einen ersten Eintrag, der auch später, nach Überschreiten des 14. Lebensjahres noch vorhanden sein wird und jedenfalls im Rahmen weiterer Ermittlungsverfahren eine Rolle spielen kann. Und die sind nicht selten, eines meiner eindrücklichsten Jugendstrafverfahren war eines wegen Körperverletzung, weil zwei Jungs sich auf dem Schulhof um einen Fussball (während des Fussbalspiels!) geschubst hatten. Eltern die glauben, nur schwerkriminelle Kinder seien mit Strafverfahren konfrontiert, sollten an der Stelle lieber schnell aufwachen.
Teil des Eziehungsauftrags der Eltern ist auch, mit den eigenen Kindern zu reden. Machen Sie sich klar, dass gerade Messenger extrem kritisch sind: Einmal installiert haben Sie als Eltern keinerlei Kontrolle, mit wem ihr Kind chattet und was dort inhaltlich passiert. Und so kann es dann kommen, dass Sie eines Tages merken, dass ihr Teenager beim harmlosen Onlinespiel mit Kopfhörern auf dem Ohr in Teamspeak, Discord & Co. längst Kontakt zu erheblich Älteren pflegt und den Bezug zur Realität verliert. Oder, noch schlimmer, plötzlich die Polizei vor der Türe steht mit einem Durchsuchungsbeschluss. In beiden Szenarien habe ich Eltern kennen gelernt, die Verzweiflung sitzt tief, das Vertrauen ist erschüttert, doch machen Sie sich klar: Es ist zuvorderst Ihr ureigenes Versagen als Eltern, wenn diese Situation eingetreten ist.
Kommunizieren Sie: Wenn ich Unterwegs bin, sehe ich oft Familien, die zwar auswärts Essen gehen, aber alle Familienmitglieder essen stillschweigend bzw. hängen am Smartphone. Das ist kein Familienausflug, sondern ein Symptom – und man kann das durchbrechen. Schulen müssen dringend anfangen zu liefern, Eltern aber auch. Hören Sie auf weg zu sehen und fangen Sie an, mit Ihren Kindern zu sprechen: Über ihren digitalen Alltag und die eigene persönliche Entwicklung, es wäre ein erster Schritt.
Hinweis: In diesem Beitrag ging es mir mehr um persönliche Eindrücke und Hinweise als um juristische Ausführungen. Wenn bei Ihnen plötzlich bekannt wird, dass Ihr Kind strafrechtlich relevante Inhalte auf dem Handy hat, suchen Sie sich Beratung. Mein Rat wäre, einen Anwalt aufzusuchen, der der Schweigepflicht unterliegt, um erst einmal zu eruieren, welche Schritte sinnvoll sein können. Denken Sie daran, dass ein Bekanntgeben bei staatlichen Stellen ein weiteres Einschreiten zur Folge hat, dessen Dimension vorher nur schwer zu prognostizieren ist. Bedenken Sie bitte auch immer, dass schon der Besitz von Kinder- und Jugendpornographie eine Straftat darstellt!
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