BGH betont Anforderungen an Einziehungsentscheidungen und Umgang mit Einlassungen: Mit Urteil vom 8. Januar 2025 (Az. 6 StR 241/24) hat der Bundesgerichtshof eine Entscheidung des Landgerichts Neubrandenburg teilweise aufgehoben, soweit es um die Einziehung eines Geldbetrags in Höhe von 23.270 Euro und den Verzicht auf eine weitergehende Einziehung ging. Das Urteil verdeutlicht einmal mehr die präzisen Anforderungen an die richterliche Prüfung von Einziehungsfragen und unterstreicht die Notwendigkeit, Einlassungen des Angeklagten kritisch zu würdigen, insbesondere wenn sie zur Höhe oder Herkunft von Vermögensbestandteilen abgegeben werden.
Sachverhalt
Dem Angeklagten war gewinnbringender Handel mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zur Last gelegt worden. Das Landgericht hatte ihn zu einer mehrjährigen Freiheitsstrafe verurteilt und im Rahmen der Vermögensabschöpfung die Einziehung eines Betrags von 23.270 Euro angeordnet – von der Einziehung eines darüber hinausgehenden Betrags wurde abgesehen. Die Staatsanwaltschaft legte dagegen Revision ein, die sich ausschließlich auf die Einziehungsentscheidung bezog.
Rechtliche Bewertung des BGH
1. Fehlerhafte Anwendung der Einziehungsvorschriften
Der BGH beanstandet zunächst, dass das Landgericht nicht klar zwischen einer konkreten Einziehung nach § 73 Abs. 1 StGB (Taterträge) und einer Wertersatzeinziehung nach § 73c Satz 1 StGB unterschieden hat. Diese Differenzierung ist wesentlich: Denn ob das konkrete Vermögen noch vorhanden oder bereits verbraucht bzw. vermischt ist, beeinflusst die rechtliche Einordnung maßgeblich.
Ein weiteres Defizit sieht der BGH darin, dass das Landgericht versäumt hat, Feststellungen darüber zu treffen, ob die eingezogene Geldsumme tatsächlich aus Drogengeschäften stammt und ob weitere – nicht eingezogene – Vermögensbestandteile in dieser Weise betroffen sind. Der Umfang der Einziehung hätte auf dieser Grundlage deutlich umfassender ausfallen können oder müssen.
2. Anforderungen an die richterliche Überzeugungsbildung bei Einlassungen
Besonders deutlich wird der BGH bei der Bewertung von Erklärungen des Angeklagten zur Herkunft von Vermögenswerten. Das Landgericht hatte Angaben des Angeklagten zur Verfügung über erhebliche Geldbeträge (u.a. angebliches Geschenk des Vaters, Ersparnisse, Lohn) ungeprüft hingenommen und auf eine eigene Aufklärung verzichtet.
Der BGH stellt hierzu klar: Richterliche Aufklärungspflichten gelten auch und gerade im Bereich der Einziehung. Einlassungen des Angeklagten dürfen nicht einfach als plausibel unterstellt werden, sondern müssen kritisch hinterfragt und mit den sonstigen Erkenntnissen abgeglichen werden. Dies gelte insbesondere dann, wenn sich aus den Urteilsgründen Anhaltspunkte ergeben, die Zweifel an der Wahrheit der Angaben aufkommen lassen oder eine weitergehende Einziehung möglich erscheint.
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Fazit
Der BGH bekräftigt mit dieser Entscheidung den hohen Prüfungsmaßstab bei vermögensrechtlichen Nebenfolgen in Strafverfahren. Einziehungsentscheidungen müssen auf nachvollziehbaren tatsächlichen Feststellungen beruhen, die erkennbar und differenziert dokumentiert werden. Zudem stellt der Senat unmissverständlich klar, dass Gerichte Erklärungen des Angeklagten zur Vermögenslage nicht ungeprüft übernehmen dürfen. Der Grundsatz der materiellen Wahrheit verlangt eine aktive und kritische Beweisaufnahme – auch im Einziehungsverfahren.
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