Die Bekämpfung organisierter Kriminalität erfordert nicht nur die Verurteilung der Täter, sondern auch die Abschöpfung der durch Straftaten erlangten Vermögenswerte. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in einem Urteil vom 24. Juli 2025 (3 StR 382/24) klargestellt, wie Zahlungen an Mitglieder krimineller Vereinigungen strafrechtlich zu behandeln sind. Des wird dabei deutlich, wie selbst nachträgliche Kostenerstattungen (“Spesen”) als Taterträge eingezogen werden können – und warum die Unterscheidung zwischen Tatmitteln und Taterträgen entscheidend ist.
Rechtsextremistischer Buchvertrieb und seine Finanzströme
Hintergrund des Verfahrens war eine kriminelle Vereinigung, die rechtsextremistische und volksverhetzende Literatur vertrieb. Der in Russland lebende Anführer der Gruppe, P., organisierte den Druck und Verkauf der Bücher, während zwei Angeklagte in Deutschland für Lagerung und Versand zuständig waren. Die Einnahmen flossen zunächst an P., der sie anschließend an die Angeklagten weiterleitete – teils als Entlohnung für ihre Tätigkeit, teils als Erstattung für verauslagte Kosten wie Miete oder Portokosten.
Das Oberlandesgericht Dresden hatte die Einziehung der Taterträge nur in Höhe der reinen Entlohnungszahlungen angeordnet. Der BGH korrigierte diese Entscheidung und erweiterte die Einziehung auf nahezu alle Zahlungen, die die Angeklagten von P. erhalten hatten. Entscheidend war die Frage, ob es sich bei den Zahlungen um Taterträge oder Tatmittel handelte – eine Unterscheidung, die über die Höhe der Einziehung entscheidet.
Abgrenzung: Taterträge vs. Tatmittel
Nach § 73 Abs. 1 StGB unterliegen Taterträge – also Vermögenswerte, die durch die Straftat erlangt wurden – der Einziehung. Tatmittel hingegen, also Gegenstände, die für die Tat verwendet wurden, fallen unter § 74 StGB. Die Einziehung von Tatmitteln ist an strengere Voraussetzungen geknüpft, etwa an eine konkrete Vereitelungsgefahr.
Der BGH betonte, dass Zahlungen, die ein Täter nach der Tat als Kostenerstattung erhält, nicht als Tatmittel, sondern als Taterträge zu qualifizieren sind. Denn sie dienen nicht der Vorbereitung weiterer Taten, sondern der Abgeltung bereits entstandener Aufwendungen. Anders verhält es sich nur bei Vorauszahlungen, die explizit für zukünftige Taten bestimmt sind – diese gelten als Tatmittel.
Im vorliegenden Fall hatten die Angeklagten die meisten Zahlungen nach den Versandaktionen erhalten, um ihre Auslagen zu decken. Der BGH wertete diese als Taterträge, da sie aus den Einnahmen des kriminellen Buchvertriebs stammten und damit direkt mit der Straftat verbunden waren. Nur die Vorauszahlungen für künftige Portokosten blieben von der Einziehung ausgenommen.
Struktur der kriminellen Vereinigung
Ein zentraler Aspekt der Entscheidung war die besondere Struktur der kriminellen Vereinigung. Der BGH stellte klar, dass bei mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer solchen Vereinigung (§ 129 StGB) alle Handlungen der Mitglieder als Teil einer einheitlichen Tatbestandsverwirklichung zu betrachten sind. Die Zahlungen an die Angeklagten waren daher nicht isoliert zu sehen, sondern als Teil eines kontinuierlichen kriminellen Geschäftsbetriebs.
Die Angeklagten hatten argumentiert, dass die Kostenerstattungen für weitere Taten verwendet wurden und daher als Tatmittel gelten müssten. Der BGH wies dies zurück: Selbst wenn die Gelder später für neue Versandaktionen genutzt wurden, änderte dies nichts an ihrer ursprünglichen Einordnung als Taterträge. Die nachträgliche Verwendung konnte die Einziehung nicht rückwirkend ausschließen.

Der BGH hat mit diesem Urteil die Hürden für die Einziehung von Vermögenswerten in Fällen krimineller Vereinigungen gesenkt. Die Entscheidung macht deutlich, dass selbst nachträgliche Zahlungen, die auf den ersten Blick wie legitime Kostenerstattungen wirken, als Taterträge behandelt werden können. Strafverfolger dürften damit künftig noch konsequenter gegen die finanziellen Strukturen krimineller Gruppen vorgehen können.
Bedeutung der Entscheidung
Die Entscheidung des BGH stärkt die Möglichkeiten der Strafverfolgungsbehörden, die finanziellen Grundlagen krimineller Vereinigungen zu zerstören. Durch die weite Auslegung des Tatertragsbegriffs können nicht nur direkte Gewinne, sondern auch nachträgliche Kostenerstattungen eingezogen werden. Dies erschwert es kriminellen Gruppen, ihre Aktivitäten durch scheinbar legale Finanzströme zu verschleiern.
Gleichzeitig zeigt der Fall, wie wichtig eine präzise Abgrenzung zwischen Taterträgen und Tatmitteln ist. Während erstere fast immer eingezogen werden können, gelten für letztere strengere Regeln. Die Entscheidung unterstreicht, dass Gerichte bei der Einziehung nicht nur die unmittelbaren Gewinne, sondern auch indirekte Zahlungsströme berücksichtigen müssen – besonders in Fällen organisierter Kriminalität, wo Geldflüsse oft komplex und verschachtelt sind.
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