Einsatzstrafe und ihre Erhöhung

BGH klärt Grenzen bei der Gesamtstrafe: Wer im deutschen Strafrecht mehrere Straftaten begeht, erhält in der Regel keine Sammlung einzelner Strafen, sondern eine Gesamtstrafe. Dieses System dient der Praktikabilität und dem gerechten Schuldausgleich: Der Täter soll für sein Gesamtverhalten eine Strafe verbüßen, die alle Taten angemessen berücksichtigt — ohne, dass sich die Strafen mechanisch summieren.

Herzstück dieser Gesamtstrafe ist die sogenannte Einsatzstrafe: Sie ist die schwerste Einzelstrafe und bildet den Ausgangspunkt, an den die Strafen für weitere Taten „angekoppelt“ werden — über einen Zuschlag.

Der Fall vor dem BGH

In der aktuellen Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH, Beschluss vom 20. März 2025 – 3 StR 447/24) ging es um einen Angeklagten, der u. a. wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern, Vergewaltigung und Besitz kinderpornographischer Inhalte verurteilt wurde.

Das Landgericht hatte eine verhältnismäßig milde Gesamtstrafe gebildet. Begründung: Alle Taten stünden in einem engen zeitlichen Zusammenhang, weshalb die Erhöhung der Einsatzstrafe moderat ausfallen könne.

Die Staatsanwaltschaft sah das anders — zu Recht, wie der BGH entschied: Zwischen den Taten lagen in Wahrheit Monate bis Jahre. Ein enger Zusammenhang war also nicht belegt. Deshalb durfte der Zuschlag nicht reduziert werden.

Juristischer Hintergrund: Das Asperationsprinzip

Die Gesamtstrafenbildung folgt dem Asperationsprinzip: Mehrere Straftaten sollen zu einer einzigen Strafe zusammengeführt werden — diese darf aber nicht schlicht die Summe aller Einzelstrafen sein. Vielmehr wird die schwerste Strafe (Einsatzstrafe) gewählt und um einen Zuschlag erhöht, der das zusätzliche Unrecht abdeckt.

Wichtig:

  • Besteht ein enger zeitlicher, sachlicher oder situativer Zusammenhang zwischen den Taten, fällt der Zuschlag in der Regel geringer aus.
  • Liegen unabhängige, eigenständige Taten vor, ist der Zuschlag höher zu bemessen.

So soll verhindert werden, dass ein Täter unverhältnismäßig hart bestraft wird, wenn sich mehrere Tatvorwürfe auf ein einheitliches Geschehen beziehen — umgekehrt darf eine milde Gesamtstrafe nicht unverdient sein.

Rechtsanwalt Jens Ferner, TOP-Strafverteidiger und IT-Rechts-Experte - Fachanwalt für Strafrecht und Fachanwalt für IT-Recht

Strafzumessung nie unterschätzen!

Die Einsatzstrafe ist das Fundament der Gesamtstrafenbildung. Ihr Zuschlag muss tatsächlich begründet und schuldangemessen bemessen sein. Ein enger Zusammenhang darf nur dann zugrunde gelegt werden, wenn die Umstände es objektiv tragen.

Die Entscheidung zeigt einmal mehr: Die Bildung der Gesamtstrafe verlangt sorgfältige Prüfung und hier steckt Verteidigungspotential – und Risiko! Gerichte dürfen halt nicht pauschal „Zusammenhänge“ konstruieren, um milde Strafen zu begründen. Der Schuldgehalt jeder Tat muss angemessen in die Erhöhung der Einsatzstrafe einfließen. Das schützt den Grundsatz der Schuldangemessenheit und stärkt die Konsistenz der Strafzumessung im deutschen Strafrecht, schafft aber Risiken im Verlauf der Verteidigung.

Was klärt der BGH konkret?

Der BGH betont in seiner aktuellen Entscheidung:

  • Ein enger Zusammenhang darf nicht einfach angenommen werden, sondern muss sich klar aus den Feststellungen ergeben. Die Verteidigung muss hier also zuarbeiten.
  • Fehlt ein solcher Zusammenhang — wie hier bei Taten mit großem zeitlichem Abstand — ist eine niedrigere Erhöhung der Einsatzstrafe unzulässig.
  • Wird dennoch eine zu milde Gesamtstrafe verhängt, muss diese aufgehoben werden.
Fachanwalt für Strafrecht & IT-Recht bei Anwaltskanzlei Ferner Alsdorf
Rechtsanwalt Jens Ferner ist erfahrener Fachanwalt für Strafrecht sowie Fachanwalt für IT-Recht mit über einem Jahrzehnt Berufspraxis und widmet sich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht - mit Schwerpunkten in Cybercrime, Cybersecurity, Softwarerecht und Managerhaftung. Er ist zertifizierter Experte für Krisenkommunikation & Cybersecurity; zudem Autor sowohl in Fachzeitschriften als auch in einem renommierten StPO-Kommentar zum IT-Strafprozessrecht sowie zur EU-Staatsanwaltschaft. Als Softwareentwickler ist er in Python zertifiziert und hat IT-Handbücher geschrieben.

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Rechtsanwalt Jens Ferner ist erfahrener Fachanwalt für Strafrecht sowie Fachanwalt für IT-Recht mit über einem Jahrzehnt Berufspraxis und widmet sich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht - mit Schwerpunkten in Cybercrime, Cybersecurity, Softwarerecht und Managerhaftung. Er ist zertifizierter Experte für Krisenkommunikation & Cybersecurity; zudem Autor sowohl in Fachzeitschriften als auch in einem renommierten StPO-Kommentar zum IT-Strafprozessrecht sowie zur EU-Staatsanwaltschaft. Als Softwareentwickler ist er in Python zertifiziert und hat IT-Handbücher geschrieben.

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