Einbeziehung früherer Verurteilungen bei Anwendung des Jugendstrafrechts

In einem aktuellen Beschluss (Az. 6 StR 13/24) hat der (BGH) über die Anwendung des Jugendgerichtsgesetzes (JGG) entschieden.

Der Fall betrifft die Frage, ob eine frühere Verurteilung nach allgemeinem Strafrecht in eine einheitliche Jugendstrafe einbezogen werden kann, wenn die aktuelle Straftat als Jugendlicher begangen wurde. Diese Entscheidung beleuchtet die komplexen Regelungen zur Rechtsfolgenentscheidung bei Straftaten in unterschiedlichen Altersstufen und die strikte Anwendung der gesetzlichen Vorschriften.

Sachverhalt

Das Landgericht Schwerin hatte den Angeklagten Y. wegen Raubes in Tateinheit mit räuberischer und gefährlicher zu einer Jugendstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt. Dabei hatte das Landgericht eine frühere Verurteilung des Angeklagten aus dem Jahr 2021, die er als Heranwachsender begangen hatte, einbezogen. Der BGH hob das Urteil im Strafausspruch auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurück.

Rechtliche Analyse

Einheitliche Rechtsfolgenentscheidung nach JGG

Das Jugendgerichtsgesetz sieht in § 31 Abs. 1 JGG vor, dass das Gericht Erziehungsmaßregeln, Zuchtmittel oder Jugendstrafe einheitlich festsetzt, wenn es über mehrere Straftaten eines Jugendlichen zu befinden hat. § 32 JGG erweitert dieses Prinzip auf Fälle, in denen Straftaten sowohl nach Jugendstrafrecht als auch nach allgemeinem Strafrecht zu ahnden wären, sofern sie gleichzeitig abgeurteilt werden.

  1. § 32 JGG: Eine einheitliche Rechtsfolgenentscheidung nach § 32 JGG ist nur möglich, wenn die Straftaten gleichzeitig abgeurteilt werden. Dies war im vorliegenden Fall nicht gegeben, da die frühere Straftat des Angeklagten bereits rechtskräftig in einem anderen Verfahren abgeurteilt wurde.
  2. § 105 Abs. 2 JGG: Diese Vorschrift erlaubt es, eine Tat, die ein Heranwachsender begangen hat, nach Jugendstrafrecht zu ahnden, wenn er zuvor bereits nach allgemeinem Strafrecht verurteilt wurde. Im vorliegenden Fall beging der Angeklagte die aktuelle Straftat jedoch als Jugendlicher, sodass § 105 Abs. 2 JGG nicht anwendbar war.

Keine Analogie möglich

Das Landgericht hatte argumentiert, dass eine analoge Anwendung des Rechtsgedankens des § 32 JGG geboten sei, um eine einheitliche Sanktionierung zu erreichen. Der BGH widersprach dem und stellte klar, dass eine Analogie nur bei einer planwidrigen Regelungslücke in Betracht kommt. Eine solche lag hier nicht vor, da der Gesetzgeber bewusst die einheitliche Sanktionierung auf gleichzeitige Aburteilungen beschränkt hat, um unerwünschte Vorteile für den Verurteilten zu vermeiden.

Bedeutung der Entscheidung

Der BGH hob das Urteil des Landgerichts auf, da nicht ausgeschlossen werden konnte, dass das Landgericht ohne Einbeziehung der früheren Verurteilung eine geringere Strafe verhängt hätte. Die Entscheidung verdeutlicht die strikte Anwendung der gesetzlichen Regelungen im Jugendstrafrecht und die Notwendigkeit, die spezifischen Altersstufen und deren rechtliche Behandlung zu berücksichtigen.


Fazit

Die Entscheidung des BGH unterstreicht die Bedeutung der klaren Abgrenzung und Anwendung der Vorschriften des Jugendgerichtsgesetzes. Eine einheitliche Rechtsfolgenentscheidung ist nur möglich, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind, insbesondere die gleichzeitige Aburteilung der Straftaten.

Diese Klarstellung trägt zur Rechtssicherheit bei und gewährleistet, dass jugendliche Straftäter entsprechend ihrer Reife und Entwicklungsstufe behandelt werden, ohne dass durch frühere Verurteilungen nach allgemeinem Strafrecht unangemessene Vorteile entstehen.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften. Dabei bin ich fortgebildet in Krisenkommunikation und Compliance.

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