Das Landgericht Wiesbaden (10 O 14/21) konnte sich im Rahmen einer Klage zu einer (vermeintlich) rechtswidrigen Datenverarbeitung zu interessanten Fragestellungen im Rahmen der DSGVO äussern.
Hinweis: Die Entscheidung wurde durch das OLG Frankfurt bestätigt!
Hinreichend bestimmter Klageantrag
Dass schon der Klageantrag wohl durchdacht sein muss, zeigt das Landgericht zu Recht deutlich auf: So müssen die in Bezug genommenen personenbezogenen Daten näher bestimmt sein, eine allgemeine Bezugnahme ist nicht ausreichend (so schon OLG Dresden, Az. 4 W 139/21). Hierzu führt das Landgericht aus:
Das dortige Gericht begründet seine Entscheidung unter anderem damit, dass ein Unterlassungsantrag so bestimmt gefasst sein müsse, dass der Streitgegenstand und der Umfang der Prüfungs – und Entscheidungsbefugnis des Gerichtes klar umrissen sein müsse und der Beklagte erkennen könne, wogegen er sich verteidigen soll und welche Unterlassungspflichten aus einer dem Unterlassungsantrag folgenden Verurteilung sich ergeben. Die Entscheidung darüber, was dem Beklagten verboten ist, dürfe grundsätzlich nicht dem Vollstreckungsgericht überlassen werden.
Das erkennende Gericht teilt diese Ansicht. Bereits der reine Begriff der IP-Adresse ist zu unbestimmt. Auch bei den personenbezogenen oder personenbeziehbaren Daten fehlt eine Konkretisierung. In dieser Allgemeinheit erscheint dem Gericht keine Vollstreckungsfähigkeit des Antrags gegeben.
Kein Unterlassungsanspruch in der DSGVO
Weiterhin sah das Gericht keine Anspruchsgrundlage für eine begehrte Unterlassung in diesem Zusammenhang. Die DSGVO sieht allerdings gerade keinen (ausdrücklichen) Unterlassungsanspruch vor. So weist die Kammer darauf hin, dass es sich bei den Art. 6 und Art. 44 DSGVO gerade nicht um Anspruchsgrundlagen handelt und führt dann aus:
Für einen zivilrechtlichen Anspruch reicht jedenfalls nicht aus, dass es Vorschriften im Sinne von Erlaubnis- oder Verbotsnormen gibt, sondern dass es muss Norm geben, die für den Einzelnen einen subjektiven Anspruch formuliert und damit als Grundlage für die Geltendmachung eines Anspruchs herangezogen werden kann.
Sofern der Kläger der Ansicht ist, dass hier § 1004 BGB analog i.V.m. Art. 6 DSGVO gelten müsse, kann dem nicht gefolgt werden. Ein dem § 1004 BGB vergleichbaren Unterlassungsanspruch sehen die Regelungen der DSGVO nicht vor. Bei der DGSVO handelt es sich um vollharmonisiertes Gemeinschaftsrecht mit einem eigenen, abschließenden Sanktionssystem. Art.79 Abs. 1 DSGVO regelt das Recht auf wirksamen gerichtlichen Rechtsbehelf gegen Verantwortliche oder Auftragsverarbeiter. Nach Abs. 1 dieser Vorschrift bleiben lediglich verwaltungsgerichtliche oder außergerichtliche Rechtsbehelfe unbeschadet. Die Inanspruchnahme von Zivilgerichten gehört nicht dazu. Damit gibt es eine Sperrwirkung.
Eine entsprechende Öffnungsklausel in der DSGVO fehlt also, die eine Erweiterung der betroffenen Rechte durch den nationalen Gesetzgeber oder Gerichte erlauben würde. Eine solche Öffnungsklausel wäre aber erforderlich, da es sich um voll harmonisiertes Gemeinschaftsrecht handelt mit der Folge, dass die Mitgliedstaaten innerhalb des Anwendungsbereichs der DSGVO weder einen weiterreichenden noch einen geringeren Schutz vorsehen dürfen. Bei der Anwendung unionsrechtlich vollständig vereinheitlichter Regelungen sind diese aufgrund des grundsätzlichen Anwendungsvorrangs des Unionsrechts vorrangig. Dies bedeutet, dass die Anspruchsgrundlagen der DSGVO grundsätzlich als abschließend anzusehen sind.
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