DSGVO: Rechtsmissbräuchlicher Auskunftsanspruch

Heftig umstritten ist die Frage, ob und falls ja, wann ein entsprechend Art. 15 DSGVO als rechtsmissbräuchlich einzustufen ist. Nach einer im Schrifttum und in der Rechtsprechung vertretenen Auffassung können Anträge auf Auskunft und Erteilung einer Datenkopie nicht auf Art. 15 DS-GVO gestützt werden, wenn sie nicht dem in Erwägungsgrund 63 Satz 1 zur DS-GVO genannten Zweck dienen, sich der Verarbeitung der personenbezogenen Daten bewusst zu werden und deren Rechtmäßigkeit überprüfen zu können, und denen daher – ausschließlich oder ganz überwiegend – andere als datenschutzrechtliche Belange zugrunde liegen. In solchen Fällen sei das Begehren rechtsmissbräuchlich und könne als offenkundig unbegründet oder exzessiv im Sinne von Art. 12 Abs. 5 Satz 2 DS-GVO zurückgewiesen werden (vgl. Lembke NJW 2020, 1841, 1845; Stollhoff in Auernhammer, DS-GVO/, 7. Aufl., Art. 15 DS-GVO Rn. 40; König CR 2019, 295 Rn. 19-21; Zöll/Kielkowski ZD 2020, 314, 315; Wybitul/Brams, NZA 2019, 672, 674; Schröder, DSB 2019, 232, 233; zumindest tendenziell auch die Landesbeauftragte für und Informationsfreiheit Saarland, 28. Tätigkeitsbericht 2019, S. 121; LSG NRW; LAG Sachsen, 2 SA 63/20; LG Wuppertal, 4 O 409/20.00; LG Detmold, 02 O 108/21). Der BGH ist hier kritisch und hat dies dem EUGH vorgelegt (siehe BGH, VI ZR 1352/20).

Eine interessante, exemplarische Entscheidung hatte diesbezüglich schon früh das Landgericht Krefeld, 2 O 448/20, getroffen. Ein Auskunftsanspruch sei rechtsmissbräuchlich, wenn die Geltendmachung aus gänzlich -fremden Erwägungen heraus erfolgt.

Letztlich ergab sich aus Sicht des Gerichts, dass der Auskunftsanspruch letztlich nur dazu dienen soll, nach Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Beitragsüberprüfung einen etwaig bestehenden Bereicherungsanspruch gegen die Beklagte zu verfolgen, was nicht schutzwürdig und damit treuwidrig sei.

Die in der hiesigen Konstellation erfolgte Geltendmachung eines auf § 15 Abs. 1 DSGVO gestützten Auskunftsanspruchs erachtet die Kammer jedoch für rechtsmissbräuchlich, da die Geltendmachung aus gänzlich verordnungsfremden Erwägungen heraus erfolgt (so auch LG Wuppertal, [Urteil vom 29.07.2021, 4 O 409/20]).

Nach dem Erwägungsgrund 63 DSGVO, dient das Auskunftsrecht aus Art. 15 DSGVO dem Betroffenen dazu, sich der Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten bewusst zu sein und deren Rechtmäßigkeit überprüfen zu können. So soll Art. 15 DSGVO eine Rechtmäßigkeitskontrolle der Datenverarbeitungsvorgänge ermöglichen. Der Betroffene soll den Umfang und Inhalt der gespeicherten Daten beurteilen können. Die Auskünfte dienen auch dazu, der betroffenen Person die Wahrnehmung der weiteren Rechte nach der Datenschutzgrundverordnung zu ermöglichen, vor allem das Recht auf Berichtigung nach Art. 16 DSGVO, auf Löschung nach Art. 17 DSGVO und auf Einschränkung der Verarbeitung nach Art. 17 DSGVO (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 03.09.2019, 20 W 10/18).

Keine der in dem Erwägungsgrund 63 DSGVO genannten Interessen verfolgt die Klagepartei vorliegend, nicht einmal als Reflex. Aus dem Vortrag und dem prozessualen Vorgehen der Klagepartei ergibt sich, dass der Auskunftsanspruch letztlich nur dazu dienen soll, nach Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Beitragsüberprüfung einen etwaig bestehenden Bereicherungsanspruch gegen die Beklagte zu verfolgen. Ein Begehren, das sich derart weit von dem Regelungsgehalt einer Rechtsgrundlage entfernt, ist nicht schutzwürdig und stellt sich als treuwidrig dar. Dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Klagepartei die Unterlagen, die die begehrten Informationen enthalten unbestritten ursprünglich einmal erhalten hat und nur jetzt nicht mehr darüber verfügt (vgl. LG Wuppertal, a. a. O.).

Landgericht Krefeld, 2 O 448/20

Die Entscheidung ist m.E. aber mit Vorsicht zu genießen: Insbesondere sollte man als Laie vorsichtig sein und diese Entscheidung nicht über Gebühr ausdehnen, auch wenn sie durchaus dazu einlädt. Die wesentliche Erwägung an sich teile ich dabei gar nicht, für mich würde sich ein Missbrauch nur dort aufdrängen, wo der Auskunftsanspruch aus reiner Schikane ausgeübt wird – die Motivlage des Anspruchstellers (die sich ja auch jederzeit ändern kann) ist vielmehr genau der Aspekt, der geschützt wird durch die DSGVO.


Auch das OLG Nürnberg sieht einen Missbrauch, wenn Zweckfremde Erwägungen eine Rolle spielen:

Der geltend gemachte Auskunftsanspruch ergibt sich schließlich auch nicht aus Art. 15 Abs. 1 DS-GVO. Denn der Beklagten steht ein Weigerungsrecht aus Art. 12 Abs. 5 Satz 2 lit. b) DS-GVO zu. Die Vorschrift führt zwar lediglich die häufige Wiederholung als Beispiel für einen „exzessiven“ Antrag auf. Die Verwendung des Wortes „insbesondere“ macht aber deutlich, dass die Vorschrift auch andere rechtsmissbräuchliche Anträge erfassen will (vgl. Heckmann/Paschke in: Ehmann/Selmayr, Datenschutz-Grundverordnung, 2. Aufl., Art. 12 Rn. 43; Paal/Hennemann in: Paal/Pauly, DS-GVO BDSG, 3. Aufl., Art. 12 DS-GVO Rn. 66 m.w.N.).

Bei der Auslegung, was in diesem Sinne rechtsmissbräuchlich ist, ist auch der Schutzzweck der DS-GVO zu berücksichtigen. Wie sich aus dem Erwägungsgrund 63 der Verordnung ergibt, ist Sinn und Zweck des in Art. 15 DS-GVO normierten Auskunftsrechts, es der betroffenen Person problemlos und in angemessenen Abständen zu ermöglichen, sich der Verarbeitung der sie betreffenden personenbezogenen Daten bewusst zu werden und die Rechtmäßigkeit dieser Verarbeitung überprüfen zu können (vgl. auch BGH, Urteil vom 15.06.2021 – VI ZR 576/19, VersR 2021, 1019 Rn. 23). Um ein solches Bewusstwerden zum Zweck einer Überprüfung der datenschutzrechtlichen Zulässigkeit der Verarbeitung personenbezogener Daten geht es dem Kläger aber ersichtlich nicht. Sinn und Zweck der von ihm begehrten Auskunftserteilung ist vielmehr – wie sich aus der Koppelung mit den unzulässigen Klageanträgen auf Feststellung und Zahlung zweifelsfrei ergibt – ausschließlich die Überprüfung etwaiger von der Beklagten vorgenommener Prämienanpassungen wegen möglicher formeller Mängel nach § 203 Abs. 5 WG. Eine solche Vorgehensweise ist vom Schutzzweck der DS-GVO aber nicht umfasst (vgl. OLG Hamm, BeckRS 2021,40312 Rn. 11; LG Wuppertal, r+s 2021, 696 Rn. 33).

Die Kritik des BGH (BGH, VI ZR 1352/20, Rn.17-22)

Der Senat hat jedoch Zweifel, ob diese Sichtweise zutreffend ist.

(1) Richtig ist zwar, dass die in Art. 15 DS-GVO bestimmten Rechte des Betroffenen und Pflichten des Verantwortlichen dem Zweck dienen, dass die betroffene Person sich der Datenverarbeitung bewusst werden und deren Rechtmäßigkeit überprüfen kann (vgl. Erwägungsgrund 63 Satz 1 zur DS-GVO; Art. 8 Abs. 2 Satz 2 GRCh; zum entsprechenden Zweck des Auskunftsrechts nach Art. 12 Buchst. a der 95/46/EG vgl. nur EuGH, Urteil vom 20. Dezember 2017, Rs. C-434/16, ECLI:EU:C:2017:994, NJW 2018, 767 Rn. 57 mwN). Auch ist nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs die missbräuchliche Berufung auf Unionsrecht nicht gestattet (vgl. etwa EuGH, Urteile vom 26. Februar 2019 Rs. C-115/16, C-118/16, C-119/16 und C-299/16, ECLI:EU:C:2019:134, juris Rn. 96; vom 28. Juli 2016 Rs. C-423/15, ECLI:EU:C:2016:604, juris Rn. 37; jeweils mwN). Das gilt auch im Verhältnis unter Privaten (vgl. EuGH, Urteil vom 28. Juli 2016 Rs. C-423/15, ECLI:EU:C:2016:604, juris Rn. 2, 37).

Art. 15 DS-GVO macht seinem Wortlaut nach das Bestehen der dort geregelten Rechte und Pflichten aber nicht von einer dem oben genannten Schutzzweck entsprechenden Motivation des Betroffenen abhängig und verlangt von dem Betroffenen nicht, sein Begehren auf Erteilung von Auskunft und Kopie zu begründen. Dies deutet nach Ansicht des Senats darauf hin, dass der Unionsgesetzgeber es grundsätzlich dem freien Willen des Betroffenen überlassen wollte, ob und aus welchen Gründen er seine Rechte aus Art. 15 DS-GVO einfordert. Dafür spricht auch, dass die betroffene Person sich durch die Erteilung von Auskunft und Kopie auf der Grundlage von Art. 15 DS-GVO der Datenverarbeitung auch dann bewusst werden und deren Rechtmäßigkeit überprüfen kann, wenn sie diese aus anderen Gründen verlangt hat, der Zweck der Vorschrift also letztlich unabhängig von der Motivation des Betroffenen erreicht werden kann.

Daher dürfte nach Auffassung des Senats allein aufgrund des Umstandes, dass das Verlangen des Betroffenen nach einer Kopie der verarbeiteten Daten gemäß Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DS-GVO nicht durch den Schutzzweck der Vorschrift motiviert ist, weder auf einen offenkundig unbegründeten oder exzessiven Antrag im Sinne des Art. 12 Abs. 5 Satz 2 DS-GVO geschlossen noch nach allgemeinen Grundsätzen ein dem Anspruch des Betroffenen entgegenstehender Rechtsmissbrauch bejaht werden können (so für den Fall der Anforderung einer Kopie der Patientenakte zur Prüfung arzthaftungsrechtlicher Ansprüche im Ergebnis auch LG Dresden, ECLI:DE:LGDRESD:2020:0529.6O76.20.0A, CR 2021, 163 Rn. 9; OGH, ECLI:AT:OGH0002:2020:0060OB00138.20T.1217.000, BeckRS 2020, 43015 Rn. 2, 43). Die Annahme von Rechtsmissbrauch kommt dagegen etwa dann in Betracht, wenn der Betroffene mit seinem Begehren von der Rechtsordnung missbilligte Ziele verfolgt, arglistig oder schikanös handelt (vgl. BGH, Urteil vom 16. März 2016 – VIII ZR 146/15, ECLI:DE:BGH:2016:160316UVIIIZR146.15.0, VersR 2016, 929 Rn. 16; Wybitul/Brams, NZA 2019, 672, 674). Dies steht im Streitfall jedoch nicht in Rede.

(2) Anderes folgt nach Meinung des Senats nicht daraus, dass der Gerichtshof in seinem Urteil vom 26. Februar 2019, Rs. C-115/16 u.a. (ECLI:EU:C:2019:134, juris Rn. 98, 102) ausgeführt hat, aus dem allgemeinen Grundsatz, dass man sich nicht betrügerisch oder missbräuchlich auf das Unionsrecht berufen könne, folge, dass ein Mitgliedstaat die Anwendung von Vorschriften des Unionsrechts verweigern müsse, wenn diese nicht geltend gemacht würden, um die Ziele der Vorschriften zu verwirklichen, sondern um in den Genuss eines im Unionsrecht vorgesehenen Vorteils zu gelangen, obwohl die entsprechenden Voraussetzungen lediglich formal erfüllt seien. Bei Vorschriften des Unionsrechts, die einen Vorteil vorsähen, komme der allgemeine Grundsatz des Missbrauchsverbots also zum Tragen, wenn sie auf eine Weise geltend gemacht würden, die nicht mit ihrem Zweck in Einklang stünden. Denn der Gerichtshof hat in diesem Urteil weiter erläutert, die Feststellung eines Missbrauchs setze zum einen voraus, dass eine Gesamtwürdigung der objektiven Umstände ergebe, dass trotz formaler Einhaltung der unionsrechtlichen Bedingungen das Ziel der Regelung nicht erreicht worden sei, zum anderen ein subjektives Element, nämlich die Absicht, sich einen unionsrechtlich vorgesehenen Vorteil dadurch zu verschaffen, dass die entsprechenden Voraussetzungen willkürlich geschaffen würden (aaO Rn. 124). Beide Voraussetzungen dürften allein dadurch, dass das Verlangen des Betroffenen nach einer Kopie der verarbeiteten Daten gemäß Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DS-GVO nicht durch den Schutzzweck der Vorschrift motiviert ist, nicht erfüllt sein.

(3) Auch aus den Erwägungen des Gerichtshofs in seinem Urteil vom 17. Juli 2014, Rs. C-141/12 und C-372/12 (ECLI:EU:C:2014:2081, ZD 2014, 515 Rn. 45 f.) zu Art. 12 Buchst. a der Richtlinie 95/46/EG ergibt sich aus Sicht des Senats kein Hinweis auf die Maßgeblichkeit der Motivation des Antragstellers für die Begründetheit seines Begehrens (aA offenbar Stollhoff in Auernhammer, DS-GVO/BDSG, 7. Aufl., Art. 15 DS-GVO Rn. 40).

Der Gerichtshof hat dort zum datenschutzrechtlichen Auskunftsrecht bezüglich des Entwurfs einer Verwaltungsentscheidung über die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ausgeführt, im Gegensatz zu den in der Entwurfsschrift enthaltenen Daten über denjenigen, der den Aufenthaltstitel beantrage, die die Tatsachengrundlage für die in der Entwurfsschrift enthaltene rechtliche Analyse darstellen könnten, könne eine solche Analyse selbst nicht Gegenstand einer Nachprüfung durch diesen Antragsteller und einer Berichtigung gemäß Art. 12 Buchst. b der Richtlinie 95/46/EG sein. Würde daher das Auskunftsrecht der Person, die einen Aufenthaltstitel beantrage, auf diese rechtliche Analyse ausgedehnt, so würde dies in Wirklichkeit nicht dem Ziel dieser Richtlinie dienen, den Schutz der Privatsphäre dieses Antragstellers bei der Verarbeitung von ihn betreffenden Daten zu gewährleisten, sondern dem Ziel, ihm ein Recht auf Zugang zu Verwaltungsdokumenten zu sichern, auf das die Richtlinie 95/46/EG jedoch nicht gerichtet sei. Es ging in diesem Fall also um die Bestimmung des Gegenstands des Auskunftsrechts unter Berücksichtigung von dessen Schutzzweck und nicht um die im hiesigen Fall zu beurteilende Frage, ob die außerhalb des Schutzzwecks liegende Motivation der Antragstellung Einfluss auf die Berechtigung des Begehrens haben kann.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

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