Die DSGVO ist auf die Verarbeitung personenbezogener Daten durch ein Finanzamt anwendbar, wie das FG Berlin-Brandenburg (16 K 2059/21) klargestellt hat. Jedenfalls wenn die Auskunft des Betroffenen personenbezogene Daten zum Inhalt hat, so dass der persönliche und sachliche Anwendungsbereich der DSGVO eröffnet sind. Das Finanzamt ist als Verantwortlicher auch richtiger Anspruchsgegner, sodass die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Erteilung einer Datenkopie nach Art. 15 Abs. 3 DSGVO dem Grunde nach vorliegen.
Aber man setzt Grenzen: So sieht das Finanzgericht die Auskunftsansprüche aus Art. 15 Abs. 1 DSGVO bei Auskunftsverpflichteten, die ganz erhebliche Mengen an Daten verarbeiten, nicht voraussetzungslos und ohne Begründungszwang, sondern vielmehr müssen diese hinreichend spezifiziert sein. Weiterhin ist ein Auskunftsverlangen betreffend jedwede Art von Daten in einem Zeitraum von mehr als 50 Jahren exzessiv, so dass der Auskunftsverpflichtete die Auskunft verweigern kann:
Die in Art. 15 Abs. 1 DSGVO verankerten Betroffenenrechte verleihen dem Kläger jedoch nach Überzeugung des erkennenden Senats bei Antragsgegnern, die große Mengen an Informationen verarbeiten, keinen Anspruch auf Auskunftserteilung, wenn das Auskunftsverlangen nicht spezifiziert und weder in gegenständlicher noch zeitlicher Hinsicht limitiert ist.
Die Rechtsansicht des Klägers, Art. 15 Abs. 1 DSGVO gewähre voraussetzungslos und ohne weiteren Begründungszwang zulasten des Antragstellers einen Anspruch auf Erteilung der beantragten Datenauskunft, findet ihre Stütze im Wortlaut der Anspruchsgrundlage. Auch der Vortrag des Klägers, der Anspruch nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO sei nicht von weiteren Konkretisierungen abhängig, da anderenfalls das datenschutzrechtlich verankerte Grundrecht auf Datenauskunft vom Betroffenen nur um den Preis der Preisgabe weiterer personenbezogener Daten verwirklicht werden könne, was mit Schutzzweck und Intention der DSGVO nicht vereinbar wäre, erscheint bedenkenswert.
Gleichwohl ist der Senat der Überzeugung, dass ein Auskunftsanspruch nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO gegenüber Auskunftsverpflichteten, die große Mengen von Daten verarbeiten, nur dann besteht, wenn das Auskunftsverlangen hinreichend spezifiziert ist:
Diese Rechtsansicht stützt sich auf Erwägungsgrund 63 Satz 7 zur DSGVO, wonach der Verantwortliche, wenn er eine große Menge von Informationen über die betroffene Person verarbeitet, verlangen können sollte, dass die auskunftsersuchende Person präzisiert, auf welche Information oder welche Verarbeitungsvorgänge sich ihr Auskunftsersuchen bezieht, bevor er ihr Auskunft erteilt.
Bestätigt wird diese Sichtweise durch einen Vergleich mit der Regelung in Art. 14 Abs. 5 lit. b) DSGVO, wonach die Erfüllung von Informationspflichten gegenüber einem von einer Datenerhebung bei Dritten Betroffenen entfallen kann, wenn und soweit die Erteilung dieser Informationen sich als unmöglich erweist oder einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern würde. Zum Teil wird daher auch im Schrifttum eine analoge Anwendung der Vorschrift auf Art. 15 DSGVO befürwortet (N. Härting, Datenschutz-Grundverordnung, 2016, Rn. 684; vgl. auch Stollhoff in: Auernhammer, DSGVO/BDSG, 7. Aufl. 2020, Art. 15 Rn. 15).
Schließlich ergibt sich das Erfordernis einer einschränkenden Auslegung des Art. 15 Abs. 1 DSGVO auch aus dem Rechtsgedanken des Ausgleichs kollidierender Rechte (praktische Konkordanz) und weiterer innerhalb der DSGVO an verschiedenen Stellen zu findenden Abwägungs- und Ausgleichsmechanismen zur Auflösung von datenschutzrechtlichen Zielkonflikten (vgl. nur Art. 32 Abs. 1 DSGVO, der einen Prozess zum Ausgleich von mehreren, sich teils widersprechenden Datensicherheitskriterien vorsieht). Steuerrecht ist in der Verwaltungspraxis Massenfallrecht. Wenn nach dem Wortlaut des Art. 15 Abs. 1 DSGVO jedem Steuerpflichtigen denkbar umfassende Datenauskunftsrechte zustehen, so kann die Ausübung umfassender Rechte durch eine vergleichsweise kleinen Gruppe Betroffener (Steuerpflichtiger) aufgrund zwangsläufig begrenzter Ressourcen der Finanzverwaltung zur Konsequenz haben, dass das datenschutzrechtliche Schutzniveau für eine demgegenüber größere Gruppe von Betroffenen (ebenfalls Steuerpflichtige) hinter das intendierte Maß des unionsrechtlichen Normgebers zurückfällt. Der Senat ist der Überzeugung, dass ein solcher Wettlauf der Betroffenen nicht der Intention der DSGVO entspricht und daher eine einschränkende Auslegung des Art. 15 Abs. 1 DSGVO geboten ist.
Selbst wenn Art. 15 Abs. 1 DSGVO dahingehend auszulegen sein sollte, dass er dem Berechtigten einen Anspruch auf Erteilung der beantragten Datenauskunft gewährt, wäre das Begehren des Klägers als exzessiv i.S.v. Art. 12 Abs. 5 DSGVO anzusehen und kann der Beklagte die Erfüllung des Anspruchs zurecht verweigern. Denn der Antrag des Klägers ist nach Überzeugung des Senats sowohl in inhaltlich-materieller als auch in zeitlicher Hinsicht als exzessiv einzuordnen.
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