LG Düsseldorf stoppt rechtsmissbräuchliche Domainregistrierung: Mit Versäumnisurteil vom 10. Februar 2025 (Az. 38 O 162/24) hat das Landgericht Düsseldorf ein bemerkenswert deutliches Zeichen gegen das sogenannte „Domaingrabbing“ gesetzt.
Im Zentrum stand die Domain „r…fitness.de“, die von einer ausländischen Anbieterin ohne eigenes Nutzungsinteresse gehalten wurde – offenkundig in der Absicht, sie der klagenden Markeninhaberin zu verkaufen. Das Gericht qualifizierte dieses Verhalten als gezielte wettbewerbswidrige Behinderung nach § 4 Nr. 4 UWG und ordnete neben einem Unterlassungsgebot auch den Verzicht auf die Domain gegenüber der DENIC an.
Sachverhalt
Die Klägerin, Betreiberin der Marke „R… FITNESS“, ist Inhaberin einer Unionsmarke und betreibt unter r…fitness.com einen Onlinehandel für Fitnessgeräte. Sie ist in Deutschland aktiv, einschließlich länderspezifischer Angebote und Social-Media-Präsenzen.
Die Beklagte – mit Sitz im Ausland – hatte sich bereits im März 2020 die Domain „r…fitness.de“ gesichert. Die Domain war mit Werbeanzeigen versehen, zudem existierte ein Formular zur Kontaktaufnahme bei Kaufinteresse. Auf eine Abmahnung reagierte die Beklagte nicht direkt, ließ aber durch ihren inländischen Zustellungsbevollmächtigten mitteilen, sie sei zu einem Verkauf bereit. Die Klägerin erhob daraufhin Klage auf Unterlassung und Verzicht auf die Domain.
Rechtliche Analyse
1. Wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsanspruch (§ 4 Nr. 4 UWG)
Das Gericht stellte fest, dass die Domainregistrierung eine gezielte Behinderung der Klägerin darstelle. Die Beklagte hatte weder ein eigenes Nutzungsinteresse noch eine erkennbare geschäftliche Betätigung unter der Domain. Stattdessen zielte die Registrierung eindeutig darauf, der Klägerin – der einzig legitimen Interessentin – die Nutzung zu erschweren, um sie zum Erwerb zu bewegen.
In der Gesamtschau handele es sich um eine unlautere Praxis im Sinne des § 4 Nr. 4 UWG: Die Domain sei mit der Unternehmenskennzeichnung der Klägerin identisch, zudem bestehe ein konkreter Zusammenhang zur eingetragenen Marke. Damit sei die Handlung auf den Erwerb durch genau eine bestimmte Person gerichtet gewesen – ein Kernmerkmal rechtsmissbräuchlicher Domaingrabbing-Praktiken.
2. Kein schutzwürdiges Interesse der Beklagten
Zwar betont der BGH regelmäßig, dass Domainregistrierungen auf Vorrat nicht per se rechtswidrig sind (vgl. „ahd.de“, I ZR 135/06). Entscheidend sei aber die Zielrichtung: Erfolgt die Registrierung allein zur Verhinderung legitimer Nutzung durch Marken- oder Unternehmensrechtsinhaber und mit dem Ziel, diese zur Zahlung zu bewegen, sei die Schwelle zur Rechtswidrigkeit überschritten.
Genau dies war hier der Fall: Die Website diente allein als Platzhalter mit Werbeanzeigen, ein wirtschaftlich sinnvoller Zweck war nicht erkennbar. Zudem bestätigte der Zustellungsbevollmächtigte selbst, er sei bevollmächtigt, Verkaufsangebote zu verhandeln.
3. Prozessuale Besonderheiten bei Auslandssachverhalt
Die Zustellung an den inländischen Bevollmächtigten der Beklagten war nach § 171 ZPO wirksam – trotz dessen Bestreitung, für verfahrenseinleitende Schriftstücke zuständig zu sein. Das Gericht bestätigte die Gültigkeit der Vollmacht, gestützt auf die DENIC-Domainbedingungen und den Sinn der Zustellungsbevollmächtigung nach § 184 ZPO, nämlich die effektive Rechtsverfolgung im Inland zu ermöglichen.
4. Internationale Zuständigkeit und Unionsrecht
Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte bejahte das LG mit Verweis auf Art. 7 Nr. 2 Brüssel-Ia-VO, da sowohl die Registrierungshandlung als auch der Erfolgsort – nämlich die Beeinträchtigung der Klägerin – in Deutschland lagen. Der Abrufbarkeit der Domain und ihrer .de-Endung kam insoweit erhebliche Bedeutung zu.
Der Kampf gegen Domaingrabbing gewinnt mit dem Urteil aus Düsseldorf an Schärfe: Wer Domains mit klarer Markenbindung ohne eigene Nutzungsabsicht hält, handelt unlauter. Die Entscheidung bekräftigt den marken- und wettbewerbsrechtlichen Schutz in der digitalen Infrastruktur und schafft zugleich verfahrensrechtliche Klarheit bei grenzüberschreitenden Streitigkeiten.
Fazit
Das Urteil des LG Düsseldorf verdeutlicht eindrucksvoll, dass missbräuchliches Verhalten im digitalen Raum nicht rechtlos bleibt. Wer Domains in der Absicht registriert, sie später an legitime Rechteinhaber zu verkaufen, riskiert nicht nur eine Verurteilung zur Unterlassung, sondern auch den Verlust der Domain. Besonders hervorzuheben ist die Klarstellung zur Zulässigkeit von Zustellungen im Auslandssachverhalt: Die Einsetzung eines Zustellungsbevollmächtigten schützt nicht vor gerichtlicher Inanspruchnahme – im Gegenteil: Sie erleichtert sie.
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