Aktuelle Razzien in Myanmar haben das erschütternde Ausmaß eines Phänomens offengelegt, das bislang nur am Rande der öffentlichen Wahrnehmung existiert: Betrugsfabriken, auch bekannt als „Fraud Factories“. Tausende Menschen wurden aus illegalen Callcentern befreit, in denen sie wie Sklaven gehalten wurden. In diesen Einrichtungen, die von mächtigen kriminellen Netzwerken betrieben werden, mussten sie systematisch Online-Betrügereien durchführen. Doch Myanmar ist kein Einzelfall. Auch in Kambodscha, Laos und den Philippinen blüht dieses düstere Geschäft, das jährlich Milliardenumsätze generiert.
Die perfiden Methoden der Betrugsfabriken
Hinter der glänzenden Fassade von lukrativen Jobangeboten verbirgt sich eine brutale Realität. Viele Betroffene werden durch Scheinangebote auf Plattformen wie Facebook oder WeChat angeworben. Ihnen wird eine gut bezahlte Tätigkeit in der Tourismusbranche oder als IT-Spezialisten versprochen. Doch statt eines Arbeitsplatzes finden sich die Opfer hinter verschlossenen Türen wieder – eingesperrt in riesige Callcenter die als Fraud Factorys operieren, bewacht von schwer bewaffnetem Sicherheitspersonal. Einmal angekommen, bleibt ihnen kaum eine Wahl: Sie müssen mitmachen oder riskieren Schläge, Elektroschocks und noch schlimmere Strafen.
In diesen Fabriken werden die Mitarbeiter dazu gezwungen, mithilfe gefälschter Profile auf sozialen Netzwerken Kontakt zu potenziellen Opfern aufzunehmen. Sie umgarnen diese über Wochen hinweg, bauen Vertrauen auf und locken sie schließlich in fingierte Investitionsprojekte oder Krypto-Trading-Plattformen. Anfangs werden den Opfern kleinere Gewinne ausgezahlt, um sie weiter zu motivieren. Doch sobald genug Geld investiert wurde, verschwinden die Konten spurlos. Diese Masche ist so effektiv, dass die Verluste allein im Jahr 2023 auf bis zu 37 Milliarden Dollar geschätzt werden.
Menschenhandel und Zwangsarbeit: Die dunkle Seite des Internets
Das eigentliche Ausmaß der humanitären Krise, die sich hinter diesen Betrugsfabriken verbirgt, ist kaum zu fassen. Schätzungen der Vereinten Nationen zufolge sind allein in Kambodscha über 100.000 Menschen betroffen, in Myanmar sogar bis zu 120.000. Viele von ihnen wurden unter falschen Versprechungen in die Länder gelockt, ihre Pässe wurden konfisziert, Fluchtversuche oft brutal bestraft.
Die Drahtzieher hinter diesen Netzwerken sind häufig chinesische Triaden, die enge Verbindungen zu lokalen Politikern und Sicherheitskräften unterhalten. Während der Corona-Pandemie konnten sie ihre Operationen hinter der Fassade legaler Geschäftsmodelle wie Casinos und IT-Firmen weiter ausbauen. Besonders perfide: Wer die vorgegebenen Umsatzziele nicht erreicht, wird oft an die nächste Betrugsfabrik „verkauft“. Die Preise für solche „Transfers“ reichen von 17.000 bis zu 25.000 US-Dollar.
Diese Enthüllungen sollten menschlich betroffen machen – haben aber auch Auswirkungen bis nach Deutschland: Wer sich an illegalem Glücksspiel beteiligt macht sich strafbar. Wenn bei Maßnahmen wie den hier angesprochenen Datensätze von “Kunden” ermittelt werden, können diese heutzutage zielgerichtet und zügig über EUROPOL an die jeweiligen Nationalstaaten verteilt werden. Kunden illegalen Glücksspiels bekommen dann irgendwann Post von der Staatsanwaltschaft.
Ein transnationales Problem
Die jüngsten Razzien in Myanmar und den Philippinen zeigen, dass die Regierungen der betroffenen Länder langsam aufwachen. Allein in den Philippinen wurden kürzlich über 400 Verdächtige in einem Cybercrime-Hub festgenommen, die in illegale Online-Glücksspieloperationen und Investmentbetrug verwickelt waren. Doch das Problem ist längst nicht auf Südostasien beschränkt. Die Opfer dieser Netzwerke kommen aus der ganzen Welt – von den USA über Europa bis hin zu Afrika.
Trotz des internationalen Drucks bleibt die Strafverfolgung schwierig. Die meisten Betrugsfabriken befinden sich in Regionen, die von lokalen Milizen oder kriminellen Syndikaten kontrolliert werden, wo selbst die Zentralregierungen wenig Einfluss haben. Die Vereinten Nationen fordern daher eine stärkere internationale Zusammenarbeit, um diese Netzwerke effektiv zu zerschlagen und den Opfern zu helfen.
Ausblick: Kampf gegen das organisierte Verbrechen
Die jüngsten Erfolge der thailändischen und kambodschanischen Sicherheitsbehörden geben Anlass zur Hoffnung. Doch ohne einen koordinierten, internationalen Ansatz wird es kaum möglich sein, die kriminellen Netzwerke nachhaltig zu zerschlagen. Die Zeit drängt: Solange die Drahtzieher straflos bleiben, werden auch weiterhin Tausende Menschen in die Fänge dieser modernen Sklaverei geraten.
Um diese Netzwerke zu bekämpfen, braucht es mehr als nur Polizeieinsätze. Notwendig sind umfassende Präventionsmaßnahmen, die sowohl die Informationssicherheit als auch die wirtschaftlichen Ursachen adressieren, die Menschen in die Fänge dieser Netzwerke treiben. Nur so kann verhindert werden, dass die Betrugsfabriken weiterhin ihre menschenverachtenden Geschäfte ausbauen.
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