Deutsche Spionagesoftware fürs Ausland: Strafbar?

Die Aufregung ist gross: Ein deutsches Unternehmen soll ägyptischen Sicherheitsbehörden eine „Spionagesoftware“ angeboten haben. Und natürlich ist gleich die Frage da: Ist das strafbar, wenn ein deutsches Unternehmen eine solche Software für ausländische Staaten erstellt?

Woran viele denken ist der berühmte „Hackerparagraf“, der vom Wortlaut her ja auch zu passen scheint:

Wer eine Straftat nach § 202a oder § 202b vorbereitet, indem er … Computerprogramme, deren Zweck die Begehung einer solchen Tat ist … herstellt, sich oder einem anderen verschafft, verkauft, einem anderen überlässt … wird … bestraft.

Auf den ersten Blick scheint das zwar zu passen, auf den zweiten aber (erstmal) nicht. Blicken wir auf den Verkauf der Software – das kann schon nicht Tatbestandsmäßig sein. Denn durch den Verkauf muss ja eine Straftat nach §§202a, 202b StGB vorbereitet werden. Der ägyptische Staatsdienst begeht aber gerade keine Straftaten nach deutschem Recht, wenn er seinen Leuten mit der deutschen Software hinterher spioniert. Durch das Überlassen der Software wird eben keine deutsche Straftat vorbereitet, gleich was man moralisch davon halten möchte.

Auch die Herstellung der Software begegnet bei mir keinen Bedenken. Mit dem BVerfG (2 BvR 2233/07, 2 BvR 1151/08, 2 BvR 1524/08) ist der so genannte „Hackerparagraf“ restriktiv auszulegen und anzuwenden. Dabei ist hier davon auszugehen, dass die Entwickler (es geht ja im deutschen Strafrecht nur um Personen, eine Strafbarkeit des Unternehmens steht nicht zur Diskussion) die Software von Anfang nur entwickelt haben, damit sie in einem rechtmässigen Umfeld angewendet wird, also durch staatliche Dienste, die sich auf entsprechende Normen zum Einsatz berufen dürfen. Ohne hier nun langatmig den Tatbestand durchzuprüfen (solche Software wäre m.E. ohnehin als Dual-User-Software einzustufen, die mit dem BVerfG nicht in den Anwendungsbereich des §202c StGB fällt), ist festzustellen, dass es schlicht am Vorsatz fehlen wird.

Also: Keine Strafbarkeit? So einfach ist es nicht, ich muss einen Schwenk machen, der nicht ganz alltäglich ist: Außenwirtschaftsrecht.

Die Ausfuhr bestimmter Güter ist in Deutschland streng geregelt, es gibt u.a. ein „Außenwirtschaftsgesetz“. Das sieht u.a. im §34 I AWG eine Strafbarkeit vor:

Mit bis zu fünf Jahren oder mit wird bestraft, wer ohne Genehmigung
1. in Teil I Abschnitt A oder
2.in Teil I Abschnitt C Kategorie 0, Kategorie 1 Nummer 1C350, 1C351, 1C352, 1C353, 1C354, Kategorie 2 Nummer 2B350, 2B351 oder 2B352
der Ausfuhrliste (Anlage AL zur Außenwirtschaftsverordnung) genannte Güter ausführt oder verbringt.

Das wirkt etwas kryptisch, lautet verständlich aber: Es gibt eine Liste mit Gütern, die nur mit Genehmigung ausgeführt werden darf. Diese Liste findet sich im Anhang zur „Verordnung zur Durchführung des Außenwirtschaftsgesetzes„, hier geht es um „Teil I, A“ der Liste „AL“. Dort findet sich aber nur eine Auflistung von Waffen, Rüstungsmaterial und Munition. Ausgewählte Software findet sich nur im Teil C, Punkt 5A001 bis 5E002. Der Blick nach oben zeigt, dass dieser Abschnitt nicht von der Strafvorschrift des §34 I AWG erfasst ist. Für diesen Teil gilt vielmehr mit §7 der Verordnung zum AWG:

Die Verbringung von Gütern des Teils I Abschnitt C der Ausfuhrliste (Anlage AL) bedarf der Genehmigung, wenn dem Verbringer bekannt ist, dass das endgültige Bestimmungsziel der Güter außerhalb der Europäischen Union liegt.

Da das für Äygpten offensichtlich zutrifft, ist für die Ausfuhr jedenfalls eine Genehmigung nötig. Wer ohne Genehmigung iS.d. §7 II der Verordnung ausführt, begeht eine Ordnungswidrigkeit (§70 I Nr.4 der Verordnung i.V.m. §33 I AWG). Diese Ordnungswidrigkeit kann mit einem bis zu 500.000 Euro belegt werden (§33 VI AWG).

An dieser Stelle ist also schon einmal festzuhalten: Eine Strafbarkeit nach §202c StGB lehne ich ab. Sofern man sich aber nicht um eine Genehmigung gekümmert hat bevor man verkauft bzw. ausführt – was auch für Testsoftware gelten wird! – kommt man in den Bereich sehr empfindlicher Ordnungswidrigkeiten. Und die Strafbarkeit?

Die ist noch nicht vom Tisch, denn nach §34 II AWG wird mit bis zu 5 Jahren Freiheitsstrafe bestraft, wer die gerade benannte Ordnunswidrigkeit vorsätzlich begeht und wenn diese Ordnungswidrigkeit geeignet ist:

1. die äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland,
2. das friedliche Zusammenleben der Völker oder
3. die auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland erheblich
zu gefährden

Das liest sich nicht gut, man beachte, dass schon die Eignung zur Gefährdung eines dieser drei Punkte ausreichen soll. Gerade mit Blick auf den medialen Hype ist das alles andere als auszuschliessen – wobei die Strafbarkeit in diesem Rahmen nicht den Programmierer, sondern den „Ausführer“ treffen wird.

Ergebnis: Strafbarkeit? Es kommt drauf an, jedenfalls wenn man sich nicht um die Genehmigung gekümmert hat bevor man verkauft, wird sie in jedem Fall von einer Staatsanwaltschaft zu prüfen sein. Im konkreten Fall, wo es nur um Angebote geht, wird sich die Frage m.E. aber nur stellen, sofern eine Testsoftware oder ähnliches bereits geflossen ist. Ansonsten sehe ich, insbesondere nach §202c StGB, keine Strafbarkeit.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

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