Presserechtliche Beurteilung der Pressemitteilung einer Staatsanwaltschaft

Das Oberlandesgericht Hamm (11 U 129/13 – derzeit anhängig beim BGH, III ZR 369/14) konnte sich zur presserechtlichen Beurteilung der Pressemitteilung einer Staatsanwaltschaft – damit mit ihr im Zusammenhang stehender Äußerungen – des Pressesprechers der Staatsanwaltschaft äußern. Dabei ging es konkret um die Frage nach den, an eine zu stellenden, Anforderungen.

Der Verlauf war dabei durchaus „wie üblich“: Der Pressesprecher der Staatsanwaltschaft verfasste eine Presseerklärung, in der über ein sowie über die Anklageerhebung berichtet wurde. Das Verfahren selber wurde eingestellt gegen Geldauflage nach §153a StPO (nach Zulassung der und Eröffnung des Hauptverfahrens), Presseerklärung und darauf beruhende Berichterstattung führten laut gerichtlicher Feststellungen dazu, dass die Betroffene (und Klägerin) „in ihrem privaten und beruflichen Umfeld immer wieder auf die Vorgänge im Zusammenhang mit den anonymen Schreiben und dem Ermittlungsverfahren angesprochen wurde“. Der Vorwurf der Betroffenen ist dabei dann am Ende, dass in der konkreten Form der Ausgestaltung der Pressemitteilungen die Unschuldsvermutung nicht ausreichend berücksichtigt wurde.

Im vorliegenden Fall wurde die begehrte Geldentschädigung zurück gewiesen, die Sache liegt dem BGH vor. Eine Auseinandersetzung mit dem konkreten Fall verbietet sich für mich, weil ich keinen Zugriff auf die Pressemitteilungen habe, was für eine Bewertung zwingend nötig wäre.

Für mich interessant ist das Thema, weil das OLG grundlegende Prinzipien der Pressearbeit der Staatsanwaltschaften aufbereitet. Denn in der Tat ist die Arbeit von Staatsanwaltschaften reglementiert, zu gefährlich sind die Auswirkungen, die hier durch Fehlverhalten nachhaltig entstehen können.

Pressearbeit ist Pflicht – mit Rücksichtnahmepflichten

Danach sind staatliche Behörden des beklagten Landes nach Art. 5 Abs. 1 GG und § 4 LPresseG NRW verpflichtet, der Presse die Auskünfte zu erteilen, welche der Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben dienen. Derartige Auskünfte können und müssen allerdings verweigert werden, wenn ein überwiegendes öffentliches oder schutzwürdiges privates Interesse dadurch verletzt würde (§ 4 Abs. 2 Nr. 3 LPresseG NRW). Wenn eine staatliche Behörde eine Presseerklärung abgibt, muss anhand einer Güterabwägung zwischen den widerstreitenden Grundrechten der einerseits und des Persönlichkeitsrechts des Betroffenen andererseits beurteilt werden, ob das verfolgte öffentliche Interesse an der Abgabe dieser Presseerklärung den Vorrang verdient (BGH, Urteil vom 17.03.1994, III ZR 15/93; OLG Celle, NJOZ 2005, 3115; VG Saarlouis, Urteil vom 21.08.2008, 1 K 920/07). Bei Presseerklärungen ist zu Gunsten des Beschuldigten insbesondere die Unschuldsvermutung nach Art. 6 Abs. 2 MRK zu berücksichtigen.

Oberlandesgericht Hamm, 11 U 129/13

Identifizierende Berichterstattung nur im Ausnahmefall

Bei der Namensnennung und identifizierenden Berichterstattung ist eine besondere Zurückhaltung geboten. Die Veröffentlichung des Namens und des Tatortvorwurfs im Detail ist nur ausnahmsweise zulässig, weil derartige Informationen das des Betroffenen schwer belasten. Eine besondere Zurückhaltung bei der Namensnennung ist insbesondere dann geboten, wenn sich das Ermittlungsverfahren noch im Ausgangsstadium befindet. Das Informationsinteresse an der Namensnennung kann dagegen in Fällen schwerer Kriminalität überwiegen oder bei Straftaten, welche die Öffentlichkeit besonders berühren (VG Saarlouis, Urteil vom 21.08.2008, 1 K 920/07; LG Berlin, Urteil vom 15.01.2008, 27 O 973/07; OLG Stuttgart, Beschluss vom 21.06.2001, 4 VAs 3/01; Gounalakis, Verdachtsberichterstattung durch den Staatsanwalt, NJW 2012, 1473, 1479). Darüber hinaus ist eine Namensnennung auch dann zulässig, wenn das Berichtsgeschehen der Zeitgeschichte zuzuordnen ist (OLG Hamm, Beschluss vom 31.01.2000, 2 Ws 282/99). Sogenannte relative Personen der Zeitgeschichte, welche durch ein bestimmtes zeitgeschichtliches Ereignis das Interesse auf sich gezogen haben, müssen eher eine Berichterstattung mit voller Namensnennung dulden, als völlig unbekannte Personen, wobei die Berichterstattung jedoch im Zusammenhang mit dem zeitgeschichtlichen Ereignis stehen muss (BGH, Urteil vom 19.06.2007, VI ZR 12/06).

Oberlandesgericht Hamm (11 U 129/13

RiStBV ist bei Pressearbeit zu Berücksichtigen

Für das Strafverfahren sind diese Kriterien zusätzlich in Nr. 4a und 23 RiStBV zusammengefasst. Nach Nr. 4a RiStBV muss ein Staatsanwalt alles vermeiden, was zu einer nicht durch den Zweck des Ermittlungsverfahrens bedingten Bloßstellung des Beschuldigten führen kann. Wenn die Bezeichnung des Beschuldigten unter der ihm zur Last gelegten Straftat nicht entbehrlich ist, so muss deutlich gemacht werden, dass lediglich der Verdacht einer Straftat besteht. Nach Nr. 23 Abs. 1 RiStBV hat ein Staatsanwalt im Einzelfall zu prüfen, ob das Interesse der Öffentlichkeit an einer vollständigen Berichterstattung gegenüber den Persönlichkeitsrechten des Beschuldigten oder anderer Beteiligter überwiegt. Eine unnötige Bloßstellung ist auch nach dieser Bestimmung zu vermeiden. Nr. 23 Abs. 1 RiStBV geht davon aus, dass dem allgemeinen Informationsinteresse der Öffentlichkeit in der Regel ohne Namensnennung entsprochen werden kann.

Oberlandesgericht Hamm (11 U 129/13

Grundsätze zur Verdachtsberichterstattung sind zu berücksichtigen

Des Weiteren sind in der Rechtsprechung Voraussetzungen für die Verdachtsberichterstattung, d.h. eine Berichterstattung in der Presse über Fälle in denen der bloße Verdacht eines Fehlverhaltens im Raume steht, entwickelt worden. Voraussetzung für die Zulässigkeit einer solchen Berichterstattung ist zunächst das Vorliegen eines Mindestbestandes an Beweistatsachen, die für den Wahrheitsgehalt der Information sprechen und ihr damit erst „Öffentlichkeitswert“ verleihen. Dies setzt voraus, dass der Verfasser der Berichterstattung eine hinreichend sorgfältige Recherche über den Wahrheitsgehalt angestellt hat, wobei die Anforderungen an die umso höher anzusetzen sind, je schwerer und nachhaltiger das Ansehen des Betroffenen durch die Veröffentlichung beeinträchtigt wird. Die Darstellung darf ferner keine Vorverurteilung des Betroffenen enthalten, also durch eine präjudizierende Darstellung den unzutreffenden Eindruck erwecken, der Betroffene sei der ihm vorgeworfenen strafbaren Handlung bereits überführt. Dies beinhaltet, dass durch die Art der Darstellung dem Leser zumindest vermittelt wird, dass die Sachlage offen ist. Auch ist vor der Veröffentlichung regelmäßig eine Stellungnahme des Betroffenen einzuholen. Schließlich muss es sich um einen Vorgang von gravierendem Gewicht handeln, dessen Mitteilung durch ein Informationsbedürfnis der Allgemeinheit gerechtfertigt ist (…)

Dabei ist der Klägerin zunächst zuzustimmen, dass sich die Staatsanwaltschaft bei Erklärungen gegenüber der Presse grundsätzlich auch an die Grundsätze der Verdachtsberichterstattung zu halten hat. Da sich die Presse bei der Wiedergabe von Auskünften der Staatsanwaltschaft grundsätzlich auf deren Richtigkeit verlassen kann, und somit weitgehend von einer eigenen Pflicht zur Nachrecherche entbunden ist, muss die Staatsanwaltschaft ihrerseits an die Voraussetzungen der Verdachtsberichterstattung gebunden sein, um den mit der Schaffung der Voraussetzungen der Verdachtsberichterstattung beabsichtigten Ausgleich zwischen den kollidierenden Grundrechten des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und der Pressefreiheit zu gewährleisten.

Oberlandesgericht Hamm (11 U 129/13
Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

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