Fakten: Datenweitergabe im Rahmen des Bundesmeldegesetzes

funktioniert hierzulande inzwischen nur noch auf zwei Ebenen: Entweder es wird an Fronten gekämpft, die zwar rechtlich korrekt, für den Alltag der Menschen bedeutungslos sind (man denke nur an das erfolgreiche Bemühen, Google-Analytics & Co. zu regulieren) – oder man regt sich ahnungslos über Themen auf, produziert einen „Hype“, um über etwas zu diskutieren, was auch rechtlich vollkommen falsch ist. Zu letzterem gehört wahrscheinlich auch die aktuelle Welle in Sachen „Bundesmeldegesetz“ (u.a. hier als PDF – dies ist der ursprüngliche Entwurf vom November 2011, ich habe des Weiteren die Überarbeitung des §44 berücksichtigt. Ich gehe im Folgenden nur die rechtliche Lage auf Grund des Gesetzes durch, eine Bewertung des Gesetzgebungsvorgangs nehme ich nicht vor.)

„Das staatliche Melderegister ist kein Vorratsdatenspeicher für Zwecke der Wirtschaft“ tönte erst kürzlich angeblich Sigmar Gabriel laut N24. So hart die Realität ist: Die jeweiligen Melderegister sind das doch längst? Seit Jahrzehnten ist die einfache Melderegisterauskunft in den Landes-Meldegesetzen doch verankert. Und wer das jeweilige Gesetz zumindest einmal überflogen hat, der wird sogar wissen, dass es neben der einfach auch noch eine erweiterte Auskunft gibt.

Ich gebe an dieser Stelle in der gebotenen Kürze einige Erläuterungen zur Melderegisterauskunft im Zuge des geplanten Bundesmeldegesetzes.

An erster Stelle ist zu unterscheiden zwischen der Art der begehrten Auskunft. Es gibt im Bundesmeldegesetz bei Auskünften zuerst die Unterscheidung zwischen öffentlichen Stellen (Verwaltung, Behörden etc.) und sonstigen Stellen, also Wirtschaftsunternehmen etc. Bei letzterem dann ist wieder zu unterscheiden, hier gibt es drei Auskunftsarten:

  1. Einfache Melderegisterauskunft, §44 BMeldG
  2. Erweiterte Melderegisterauskunft, §45 BMeldG
  3. Gruppenauskunft, §46 BMeldG

Melderegisterauskunft (1. + 2.)

Die Melderegisterauskunft hat einen konkreten Hintergrund: Sie dient der Sicherstellung, dass ein Mensch unter einer Anschrift gemeldet ist. Das ist für Gläubiger relevant, die etwa eine einreichen möchten oder zumindest sicherstellen wollen, dass der Schuldner „greifbar“ ist. Aus diesem Grund darf die Auskunft bei den §§44, 45 BMeldG auch nicht „ins Blaue hinein“ angefordert werden, sondern muss sich auf konkrete, bestimmte Personen beziehen! Eine solche Auskunft gibt es auch in den Meldegesetzen der Länder, etwa in §34 MeldeG NW.

Der Unterschied zwischen „einfacher“ und „erweiterter“ Auskunft ist auch nichts neues: Bei der einfachen Auskunft erhält man Name und Anschrift, bei der erweiterten sämtliche weitere Daten wie Geburtsdatum und -Ort, frühere Anschriften und Familienstand. Weil das so viel mehr ist, muss man für die erweiterte Auskunft ein „besonderes Interesse“ an der Auskunft darlegen. Auch hier ergeben sich zu den Meldegesetzen der Länder keine Unterschiede.

Die hier angesprochenen Auskunftsarten sind im Ergebnis nicht nur nichts neues: Für Werbezwecke sind sie schlicht ungeeignet und auf Grund der Bestimmtheit des Auskunftsverlangens auch tatsächlich wohl gar nicht brauchbar. Eine Weiterverwendung der Daten über den Auskunftszweck hinaus ist auf Grund der Zweckbestimmung (§47 BMeldG) ausgeschlossen. Sofern der §44 BMeldG in der aktuellen Entwurfs-Fassung (in der früheren war es anders) eine Weitergabe zu Werbezwecken möglich macht, mag das beim Lesen auf Kritik stoßen, aber hinsichtlich der Tatsache, dass die Auskunft hier nur bei bestimmten Personen erteilt werden darf, verbleibt die Frage nach der Praxisrelevanz. Da bleibt in erster Linie mit Blick auf die Werbewirtschaft nur die Verifizierung von bereits im Bestand vorhandenen Daten. Dabei ist aber anzumerken, dass die Auskunft alleine noch keine Berechtigung zur Zusendung von Werbung darstellt! Das Unternehmen mag die bereits vorhandenen Daten damit prüfen bzw. vervollständigen können, aber alleine wegen der erteilten Auskunft noch lange nicht unverlangt Werbung zusenden. Das sind zwei rechtlich voneinander losgelöste Fragen.

Hinweis: Sofern im §44 II MeldeG in der aktuellen Fassung von einer „Vielzahl von Personen“ die Rede ist, darf das nicht falsch verstanden werden: Es geht hier um eine vielzahl bestimmter Personen, also eine Anfrage die mehrere bestimmte Personen zugleich betrifft – keinesfalls um eine unbestimmte Anfrage! Auch hier muss dann eine Mehrzahl von Personen konkret benannt werden, und es wird „in einem Rutsch“ zu diesen Personen Auskunft erteilt.

Dass ein solcher Ausschluss beim §45 BMeldeG fehlt, ist damit zu erklären, dass hier mit den bisherigen Argumenten schon eine Verwendung zu Werbezwecken ausgeschlossen sein wird. Darüber hinaus handelt es sich hier nicht um allgemein zugängliche Daten nach §28 I Nr.3 BDSG, weil die Auskunft von einem besonderen Interesse abhängig ist (dazu Gola/Schomerus, §28, Rn.45).

Bei diesen Auskunftsansprüchen davon zu sprechen, dass die Wirtschaft den Staat als Datenvorrat nutzt, ist rechtlich und tatsächlich falsch. Eine Diskussion darüber, dass überhaupt ein solcher Anspruch auf Auskunft zur Identifizierung von Schuldnern besteht, ist bestenfalls als Lebensfremd zu bezeichnen.

Gruppenauskunft (3.)

Die „Gruppenauskunft“ ist etwas komplizierter.

Ich lasse mit Blick auf die Qualität der öffentlichen Diskussion an dieser Stelle dahin stehen, dass der hier vielfach kritisierte §46 BMeldG seit 1980 (!) im Melderechtsrahmengesetz steht (dort §21 III MRRG).

Im Kern steht im §46 BMeldG, dass eine Auswahl von mehreren Datensätzen durch die Behörde an den Empfänger weitergegeben werden darf. Bildlich gesprochen: Die Behörde darf eine Excel-Tabelle mit den Daten viele unbestimmter gemeldeter packen und an die Wirtschaft weitergeben. An diesem Punkt endet die öffentliche Diskussion und es beginnt die Empörung.

Tatsächlich steht dort aber noch mehr: §46 BMeldG sieht vor, dass die Weitergabe alleine dann vorgenommen werden darf, wenn sie im „öffentlichen Interesse“ liegt. Öffentliches Interesse an dieser Stelle ist ein allgemeines Interesse, das im Sinne der Allgemeinheit steht. Es geht hier nicht um eine Abwägung von Interesse zwischen demjenigen, der die Auskunft begehrt und den Betroffenen! Vielmehr muss das Interesse an der Auskunft dem Allgemeinwohl insgesamt dienen. Die amtlichen Erläuterungen sprechen hier vollkommen korrekt die Werbewirtschaft gar nicht an, sondern verweisen auf Forschungszwecke. Durch die Zweckbindung im §47 MeldeG ist eine Weiterverwendung ausgeschlossen. Auch handelt es sich hier, wegen der Interessensbindung, wieder um keine allgemein zugänglichen Daten nach §28 I Nr.3 BDSG.

Sofern im §50 III BMeldeG eine Weitergabe an Adressbuchverlage vorgesehen ist, sollte bitte gesehen werden, dass hier in §50 V BMeldeG das übliche Widerspruchsrecht besteht. Auch dies ist übrigens in den Landesgesetzen heute schon zu finden.

Im Ergebnis sehe ich es daher äusserst kritisch, ob die hier betroffene Formulierung tatsächlich das Werbewunder ist, als dass sie verklärt wird. Gleichwohl darf man sich fragen, warum man nicht ausdrücklich die Verwendung zu Werbezwecken ausgeschlossen hat…

Der Widerspruch

Die Diskussion zum Widerspruchsrecht der Betroffenen ist ebenso lebensfremd wie die übrige Diskussion. Ich hatte bereits erläutert, dass die allgemeine Melderegisterauskunft konkreten Zwecken dient. Es wäre doch arg befremdlich, wenn jeder Schuldner aktiv verhindern könnte, das man ihn verklagt, weil er Meldeauskünfte einfach so sperren kann. Hinsichtlich der Werbeunternehmen steht dem Betroffenen nach §44 IV BMeldG ein Widerspruchsrecht zu, wobei kritisiert ist, dass dies nicht greift, wenn die Daten nur zur Vervollständigung oder zum Abgleich abgefragt werden. Die Kritik kann ich im Grund nachvollziehen, weiss aber nicht, ob sie durchgreift: Immerhin hat das Unternehmen entsprechend §44 I BMeldeG den Betroffenen anhand konkreter Daten (Name, Anschrift etc.) im vorhinein zu identifizieren, sonst gibt es gar keine Auskunft. Es sind also bereits Daten beim Unternehmen vorhanden.

Insofern möchte ich das Problem dann nicht in der nun erfolgenden Auskunft suchen, sondern vielmehr darin, dass das Unternehmen bereits Daten hat – und diese vielmehr der primäre Ansatz des Löschungsbegehrens sein sollten. Hierbei ist auch der §35 IV BDSG zu beachten, der bei unrichtigen Personenbezogenen Daten den Unternehmen Sperrpflichten auferlegt. Hier wird letztlich sichergestellt, dass das Unternehmen die Richtigkeit der Daten in jedem Fall sichern kann, ohne den Betroffenen in Anspruch zu nehmen – während der Betroffene sich weiterhin um eine Löschung der Daten bei den Unternehmen bemühen kann.

Das BMeldeG sieht insofern (§51 BMeldeG) eine Auskunftssperre nur in besonderen Fällen vor. Das ist heute Usus in den Landesgesetzen, etwa in §34 VI MeldeG NW. Wer durch eine Auskunft bedroht sein könnte, der kann hier widersprechen. Diese Fälle gibt es relativ oft, seien es Menschen, die sich aktiv gegen Nazis einsetzen und ihre Wohnanschrift schützen möchten, oder auch Staatsanwälte und Strafverteidiger, die im Bereich der organisierten Kriminalität aktiv sind und verhindern möchten, dass die Wohnanschrift über den Weg bekannt wird. Die hiesige Praxis der vergangenen Jahre zeigt dabei allerdings, dass selbst eindeutige Fälle höchst problematisch sein können. Jedenfalls in Städten lassen sich solche Sperren recht leicht einrichten, in kleinen Verwaltungen in Gemeinden („Dörfern“) wird man leider recht häufig mit verständnislosen Mitarbeitern konfrontiert, deren eigener Mangel an Lebenserfahrung zum Problem für die Betroffenen wird.

Hinsichtlich der Weitergabe an Parteien und Adressbuchverlage besteht ein uneingeschränktes Widerspruchsrecht nach §50 IV BMeldeG für jeden Betroffenen.

Fazit: Aufregung

Datenschutz hierzulande scheint mir zunehmend nur noch Aufregung zu sein. Und jedes Mal, wenn überhaupt Daten fließen, ist das erstmal ein „Aufreger“. Sicherlich wäre es zu begrüßen, die Weitergabe an die Wirtschaft deutlicher zu regulieren – andererseits könnten die Datenschutzbeauftragten die Betroffenen auch einfach einmal an ihr Auskunftsrecht nach §34 BDSG erinnern (dazu mit Vorlage hier bei uns). Wenn nämlich jeder von seinem unentgeltlichen (!) Anspruch auf Auskunft über Herkunft und Verwendung seiner Daten gegenüber der Wirtschaft Gebrauch machen würde, wäre es dort schnell eine rein kaufmännische Überlegung, welche Daten wann wozu verwendet werden. Das Thema Datenschutz wäre in kürzester Zeit vollkommen neu Positioniert hierzulande.

Dass man stattdessen nach der Schattendiskussion um IP-Adressen und der Stille nach der Sammlung von EC-Kartenzahlungsdaten nun lieber hier den nächsten Aufreger sucht, anstelle die Menschen anzuhalten, aktiv die eigenen Rechte zu nutzen und sich zu wehren, ist insofern wahrscheinlich nur noch ein weiteres Beispiel für die Orientierungslosigkeit unserer Datenschützer. Warten wir auf den nächsten Aufschrei.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

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