CBD-Verkauf: Irrtum muss nachvollziehbar sein

Erneut hat sich der (5 StR 269/22) zur Strafbarkeit des Handeltreibens mit (CBD) geäußert. Die Entscheidung ist auf den ersten Blick wenig spannend, macht aber insgesamt deutlich, wie kritisch der Umgang mit CBD ist – und dass die bisherige, gerne genutzte, Linie des Irrtums nicht pauschal verfängt.

Der bisherige Gang des Verfahrens

Das Landgericht sprach die Angeklagten aus tatsächlichen Gründen vorher frei. Zwar handele es sich bei den von ihnen vertriebenen CBD-Produkten um Betäubungsmittel. Denn sie hätten trotz ihres geringen THC-Gehalts zu Rauschzwecken missbraucht werden können, indem sie von den Endkunden in Kekse „eingebacken“ und als Backwaren konsumiert worden seien. Insoweit konnte den Angeklagten jedoch weder (bedingt) vorsätzliches noch fahrlässiges Handeln nachgewiesen werden.

Kritik des BGH

Der BGH ging kritisch damit um, soweit sich das Landgericht nicht hat davon überzeugen können, dass die Angeklagten weder bedingt vorsätzlich noch fahrlässig hinsichtlich der Betäubungsmitteleigenschaft der von ihnen vertriebenen Produkte handelten. Dabei greift der BGH seine bisherigen (als bekannt vorauszusetzenden!) Grundsätze zu den Anforderungen an freisprechende Urteile insgesamt auf:

Zwar muss es das Revisionsgericht grundsätzlich hinnehmen, wenn das Tatgericht Zweifel an dem Vorliegen eines den Angeklagten belastenden Sachverhalts nicht zu überwinden vermag; denn die Beweiswürdigung ist Sache des Tatgerichts. Das Revisionsgericht prüft aber, ob dem Tatgericht Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist der Fall, wenn die Beweiswürdigung lückenhaft, in sich widersprüchlich oder unklar ist, gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt oder wenn an die zur Verurteilung erforderliche Gewissheit übertriebene Anforderungen gestellt worden sind (vgl. BGH, Urteil vom 24. November 2022 – 5 StR 309/22 Rn. 8).

Das Landgericht – so kann man es wohl sagen – hat schlicht die Basics verpennt: So war die Beweiswürdigung für den BGH schon deshalb mangelhaft, weil sie nicht erkennen ließ, ob das Landgericht die Glaubhaftigkeit der Einlassung der Angeklagten, ihnen sei eine Verwendung ihrer CBD-Produkte als Grundlage für die Herstellung berauschender Backwaren nicht in den Sinn gekommen, kritisch hinterfragt hat.

Dies darf getrost als Standard einer guten Rechtsprechung angesehen werden. Es hat sich damit begnügt, die wohl auch schriftlich vorbereiteten und deshalb besonders kritisch zu würdigenden Aussagen wörtlich wiederzugeben, ohne sie für sich genommen kritisch zu würdigen oder zu den gegen ihre Richtigkeit sprechenden Beweisergebnissen in Beziehung zu setzen. Dies wäre aber schon deshalb erforderlich gewesen, weil das Landgericht den Aussagen uneingeschränkt gefolgt ist. Ein kritisches Hinterfragen wäre hier umso mehr geboten gewesen, als vorformulierten Erklärungen allenfalls ein geringer Beweiswert beizumessen ist (BGH, 5 StR 570/15, von mir sehr kritisch gesehen). Der Senat musste daher davon ausgehen, dass das Landgericht den Einlassungen kritiklos gefolgt ist, was schon für sich genommen einen Rechtsfehler darstellt. Das Urteil konnte daher keinen Bestand haben.

Rauschzustand und CBD

Zudem hatte das Landgericht darauf abgestellt, dass die einzig realistische Verwendungsform der in Rede stehenden CBD-Produkte zur Rauscherzeugung durch „Backen“ zu Rauschkeksen „keine klassische und allgemein bekannte“ bzw. „übliche Konsumform“ sei. Wie das LG zu dieser Feststellung gelangt ist, hat es in seinem Urteil allerdings nicht näher erläutert – was den BGH irritiert, da aus seiner Sicht Zubereitungsarten von CBD-Blüten, die zu einer Anreicherung des THC-Gehalts führen und damit beim Konsum einen Cannabisrausch erzeugen können, allgemein bekannt sind.

Irrtum über Rauscheigenschaft muss begründet sein

Durchaus überraschend ist es, wenn man liest, dass der BGH betont, dass alleine die Tatsache der Nutzung sozialer Medien durch die Verkäufer schon ausreicht, um einen kritisch zu würdigen und infrage zu stellen:

Mit Blick darauf hätte sich das Landgericht an dieser Stelle außerdem damit auseinandersetzen müssen, dass die Angeklagten nach den Urteilsfeststellungen für die Vermarktung der CBD-Produkte auch soziale Medien nutzten und … regelmäßig Internetrecherchen durchführten. Angesichts dieser Aktivitäten erschließt es sich nicht ohne Weiteres, weshalb es außerhalb des Vorstellungsvermögens der professionell mit CBD-Produkten befassten Angeklagten gelegen haben soll, dass der Missbrauch ihrer Produkte zur Herstellung rauscherzeugender Backwaren nicht ausgeschlossen war.

Wenn der BGH einmal auf dem Kieker hat, zieht er auch durch. Am Rande wird bemerkt, dass eine unterstellte Unkenntnis von dem der CBD-Verkaufsware innewohnenden Missbrauchspotential in Widerspruch zu einer Feststellung steht, dass die Angeklagten „umfangreiche Bemühungen angestrengt haben, einem „Missbrauch ihrer Produkte zu Rauschzwecken entgegen zu wirken““.

Notwendiger Vorsatz bei CBD-Verkäufern

Der BGH betont, dass es nicht darauf ankommt, ob CBD-Produkte „zu Rauschzwecken … verkauft“ wurden oder diese Produkte „aus ihrer Sicht“ (gemeint: Verkäufer) in der angebotenen Konsumform („Räucherware“) zur Erzeugung eines Rauschzustandes „völlig ungeeignet“ waren. Es kommt vielmehr darauf an, ob Verkäufer wissen oder fahrlässig verkennen, dass ein Missbrauch ihrer Produkte zu Rauschzwecken nicht ausgeschlossen war und diese somit nicht der Ausnahmeregelung unter Buchst. b zur Position in der Anlage I zu § 1 Abs. 1 BtMG unterfallen.

Zu Berücksichtigen sind dabei auch immer „Außendarstellung und Werbung“; wenn etwa mitgeteilt wird, dass entgegen „einiger … Experten, Polizisten und Richter … CBD-Blüten … aufgrund ihres niedrigen THC-Gehalts von unter 0,2 % keinen Rausch“ auslösen könnten, kann schon dies gefährlich sein:

Zwar ist es revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Landgericht daraus den Schluss gezogen hat, die Angeklagten hätten ihre CBD-Produkte „nicht zu Rauschzwecken angeboten und verkauft“. Es ist aber ohne weitere Erörterung nicht nachvollziehbar, weshalb den Angeklagten angesichts dieser ihnen bekannten Auffassungen von Polizei und Gerichten das Missbrauchspotential verschlossen geblieben sein soll, zumal sie wussten, dass ihre Produkte Cannabis enthielten, das grundsätzlich dem Betäubungsmittelstrafrecht unterfällt.

Dies gilt im Besonderen für die Frage der Sorgfaltspflichtverletzung im Rahmen der Prüfung eines Fahrlässigkeitsvorwurfs. Denn derjenige, der am Handel teilnimmt, muss sich darum kümmern, ob seine Stoffe Betäubungsmittel sind, wenn es für ihn einen erkennbaren Anlass für die Möglichkeit gibt, mit Betäubungsmitteln in straftatbestandsmäßiger Weise umzugehen (vgl. BGH, Urteile vom 20. September 2017 – 1 StR 64/17, BGHSt 63, 11, 21 f.; vom 5. November 2015 – 4 StR 124/14, StraFo 2016, 37 f.). Soweit das Landgericht ausgeführt hat, es stellte „eine in keiner Weise überzeugende Wortklauberei“ dar, würde man den Angeklagten aufgrund dieser „Außendarstellung“ die innere Tatseite „unterstellen“, genügt dies der Pflicht des Tatgerichts zu einer tatsachengestützten und rationalen Beweisführung nicht.

Gefährlicher Verkauf von CBD

Diese Entscheidung des BGH macht nochmals deutlich: Der Handel mit CBD ist mit strafrechtlichen Risiken verbunden. Dabei mag es ein taktischer Fehler sein, sowohl auf den Irrtum zu setzen als auch zugleich darauf zu verweisen, dass man ja alles tat, um einen Rauschzustand zu vermeiden.

Ein Stück weit ist (auch) diese Entscheidung mutlos, farblos und passt nicht mehr in der Zeit. In der Praxis lassen sich kaum ernsthaft aus CBD durch die vom BGH angeführten Verfahren durch einen Endverbraucher in vernünftigem Umfang THC-haltige Produkte herstellen. Als Profi im BTM-Strafrecht kann man nur mit dem Kopf schütteln, da Gesetzgeber und BGH hier am Ende sogar nur den professionellen THC-Schwarzmarkt befeuern, anstelle die 0,2%-CBD-Version friedlich existieren zu lassen. Die hier gemachten Ausführungen des BGH machen dabei die Linie des Irrtums zunehmend schwierig, je aktueller CBD-Strafprozesse sind, umso mehr muss man überlegen, ob diese Linie die richtige ist.

Ich denke übrigens, mit einem ausgefeilten Absatzsystem, ließe sich diese Rechtsprechung durchaus aufgreifen und umsetzen, immer mit dem Blick der Vermeidung des Rauschmissbrauchs – die typischen CBD-Händler werden hierzu allerdings kaum die Ressourcen aufbringen können.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

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