Beim Oberlandesgericht Karlsruhe (2 (5) SsBs 720/14 – AK 177/14) ging es um zwei Kernaspekte des Konsums von Cannabis mit späterer Autofahrt. Zum einen ging es um die Frage, inwieweit eine Blutprobe ausgewertet werden darf und darüber hinaus um die Frage, wie ein langer Zeitablauf zwischen Fahrtantritt und Cannabis-Konsum zu werten ist.
Entnahme und Auswertung der Blutprobe
Als erstes äussert sich das OLG zur Frage der Zulässigkeit der Entnahme einer Blutprobe und zur Frage, was genau hier ausgewertet werden darf – nur der Wirkstoff (THC) oder auch Abbauprodukte:
Die Entnahme einer Blutprobe war grundsätzlich zulässig (§ 81a Abs. 1 StPO, § 46 Abs. 4 Satz 1 OWiG). Das Ziel der Maßnahme darf allein in der Feststellung verfahrenserheblicher Tatsachen bestehen (…) Eine solche Verfahrenserheblichkeit ist bei allen Tatsachen gegeben, die wenigstens mittelbar zum Beweis der Straftat (bzw. Ordnungswidrigkeit), der Täterschaft oder der Schuld des Beschuldigten (bzw. Betroffenen) geeignet oder für die Bestimmung der Rechtsfolgen erheblich sind; Tatsachen dieser Art sind auch die Bestandteile des Blutes (…)
Hiervon ausgehend ist beim Verdacht einer Ordnungswidrigkeit nach § 24a StVG nicht nur das „berauschende Mittel“ an sich (hier: Cannabis mit der Substanz Tetrahydrocannabinol; vgl. Anlage zu § 24a StVG) für die Einordnung von Bedeutung, sondern sind es auch die Abbauprodukte (Metaboliten) 11-Hydroxy-THC (bzw. OH-THC) und THC-Carbonsäure (bzw. THC-COOH). Aufgrund wissenschaftlicher Studien ist nämlich davon auszugehen, dass die festgestellten Werte der THC-Abbauprodukte Rückschlüsse nicht nur auf das allgemeine Konsumverhalten und den Umfang des konsumierten Cannabis, sondern insbesondere auch auf die seit Konsumende verstrichene Zeit ermöglichen (…) Mithin haben diese Werte eine Bedeutung bereits dafür, ob eine vorsätzliche oder nur eine fahrlässige Begehungsweise in Betracht kommt. Dabei kommt es insoweit noch nicht auf die Frage an, ob überhaupt und ggf. unter welchen zeitlichen Verhältnissen eine auch nur fahrlässige Begehungsweise in Zweifel zu ziehen ist (…)
Das Ergebnis entspricht der inzwischen ohnehin verbreiteten Praxis: Abbauprodukte sind ein wesentliches Element bei der Auswertung von Blutproben in diesem Bereich.
Zeitablauf zwischen Cannabis-Konsum und Fahrtantritt
Eine Absage erteilt das OLG der „vormals herrschenden“ Auffassung, dass längerer Zeitablauf zwischen Konsum und Fahrtantritt dem Fahrer zu Gute kommen:
Das Amtsgericht legt seiner Entscheidung, ohne dass dies allerdings ausdrücklich erwähnt wurde, offensichtlich die jedenfalls bis vor kurzem überwiegende obergerichtliche Rechtsprechung zugrunde, wonach gerade bei einer nur geringen Überschreitung des Grenzwertes von 1,0 ng/ml (…) ein längerer Zeitraum zwischen Konsum und Fahrtantritt eine auch nur fahrlässige Begehungsweise entfallen lassen kann (…)
Zwischenzeitlich wird diese bisherige überwiegende Rechtsprechung durch obergerichtliche Entscheidungen mit beachtlichen Erwägungen zunehmend in Frage gestellt (…) Danach lässt ein bloßer längerer Zeitablauf zwischen Konsum und Fahrtantritt den Fahrlässigkeitsvorwurf nur noch bei Vorliegen ganz besonderer zusätzlicher Umstände entfallen (…) Einen Kraftfahrer trifft nämlich die Pflicht, sich vor oder nach erfolgtem Cannabiskonsum Gewissheit von seiner Fahrtüchtigkeit und Kenntnis darüber zu verschaffen, wie lange die Wirkung der von ihm eingenommenen Droge dauern kann, um das Erreichen des Grenzwertes bei Fahrtantritt auszuschließen (…)
Diese zitierte Auffassung findet in der Tat zunehmende Verbreitung und sollte bei der Verteidigung bedacht werden. Alleine mit dem Zeitablauf ist nur noch in Ausnahmesituationen etwas zu gewinnen.
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