Eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) im Fall 1 StR 430/23 betraf mehrere rechtlich interessante Aspekte, insbesondere die gemeinschaftlich begangene Körperverletzung und die Frage der Wiedererkennung der Täter durch Zeugen.
Sachverhalt
In diesem Fall ging es um eine gewaltsame Auseinandersetzung, bei der mehrere Angeklagte als Mittäter eine Person namens A. brutal attackierten. Der Angriff führte letztlich zum Tod von A., wobei einer der Täter ein Messer einsetzte. Die Angeklagten hatten gemeinsam die Körperverletzung geplant und führten sie zusammen durch. Der Einsatz des Messers wurde als Exzesshandlung eines Mittäters betrachtet, jedoch hafteten die anderen Angeklagten für das Gesamtergebnis der Tat, da die vorhergehenden Gewalthandlungen bereits eine tödliche Gefahr für das Opfer darstellten.
Wiedererkennung durch Zeugen
Ein zentraler Aspekt der Entscheidung war die Beweiswürdigung zur Identifizierung der Täter. Der BGH hob hervor, dass das Wiedererkennen durch einen Zeugen strengen Beweisanforderungen unterliegt. Insbesondere dann, wenn die Identifizierung weitgehend auf der Aussage eines einzigen Zeugen basiert, müssen die äußeren Merkmale des Täters, die zur Wiedererkennung führten, genau dargelegt werden. Der BGH kritisierte in diesem Zusammenhang, dass die Urteilsbegründung des Landgerichts lückenhaft war.
Es fehlten detaillierte Angaben darüber, welche Bilder dem Zeugen zur Wiedererkennung gezeigt wurden und welche markanten Merkmale zur Identifizierung des Angeklagten führten. Zudem stellte der BGH klar, dass eine Wiedererkennungssituation, in der der Zeuge unter starkem Stress stand oder die Situation als bedrohlich empfunden wurde, die Wahrnehmungsfähigkeit beeinträchtigen kann.
Ein weiterer wichtiger Punkt war die Frage der Suggestibilität. Der BGH stellte fest, dass bei einer mehrfachen Wiedererkennung in der Hauptverhandlung die Gefahr besteht, dass die Identifizierung durch suggestive Elemente beeinflusst wird, was den Beweiswert der Zeugenaussage verringern kann. Das Gericht trifft also eine gesteigerte Form der Darstellung:
Danach ist das Tatgericht aus sachlich-rechtlichen Gründen regelmäßig verpflichtet, die Angaben des Zeugen zur Täterbeschreibung zumindest in gedrängter Form wiederzugeben und diese sodann zum Erscheinungsbild des Angeklagten in der Hauptverhandlung in Beziehung zu setzen; die äußeren Merkmale des Täters, die für das Wiedererkennen entscheidend waren, sind grundsätzlich zu benennen. Zudem sind in den Urteilsgründen diejenigen Gesichtspunkte darzulegen, auf denen die Folgerung des Tatgerichts beruht, dass insoweit tatsächlich Übereinstimmung besteht (…)
Darüber hinaus bedarf es einer Mitteilung der Umstände, die zur Identifizierung des Angeklagten durch den Zeugen geführt haben, insbesondere, ob das (erste) Wiedererkennen auf einer Einzel- oder Wahllichtbildvorlage beruht; wegen der damit verbundenen suggestiven Wirkung kommt dem Wiedererkennen aufgrund einer Einzellichtbildvorlage grundsätzlich ein geringerer Beweiswert zu (…) Konnte ein Zeuge eine ihm zuvor unbekannte Person nur kurze Zeit beobachten, darf sich das Tatgericht nicht ohne Weiteres auf dessen subjektive Gewissheit beim Wiedererkennen verlassen, sondern muss aufgrund objektiver Kriterien nachprüfen, welche Beweisqualität dieses Wiedererkennen hat, und dies in den Urteilsgründen für das Revisionsgericht nachvollziehbar darlegen (…)
Rechtliche Bewertung
Der BGH bestätigte die Verurteilung der Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung und Körperverletzung mit Todesfolge (§ 227 StGB). Hierbei wurde betont, dass auch Mittäter, die selbst keine tödlichen Handlungen ausführten, für das Endergebnis haftbar gemacht werden können, wenn die vorangegangenen Tathandlungen bereits die Gefahr eines tödlichen Ausgangs beinhalteten. Entscheidend war, dass der Einsatz des Messers zwar als Exzesshandlung gewertet wurde, jedoch die vorhergehenden gemeinschaftlichen Schläge bereits eine lebensgefährdende Eskalation darstellten.
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Fazit
Die Entscheidung unterstreicht die hohen Anforderungen, die an die Beweisführung bei der Identifizierung von Tätern gestellt werden, besonders bei stressbedingten Wahrnehmungsbeeinträchtigungen und potentiell suggestiven Wiedererkennungsverfahren. Auch betont sie die Haftung von Mittätern für Exzesshandlungen, wenn diese eine vorhersehbare Eskalation darstellen.
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