Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Beschluss vom 20. Februar 2025 (Az. I ZB 26/24) eine wegweisende Entscheidung zur Zulässigkeit umweltbezogener Werbeaussagen im grenzüberschreitenden Kontext getroffen. Im Mittelpunkt stand die Frage, ob Begriffe wie „klimafreundlich“ und „umweltfreundlich“ ohne konkrete Nachweise verwendet werden dürfen oder ob dies eine unzulässige Irreführung darstellt. Die Entscheidung verdeutlicht, dass an die Verwendung sogenannter „Green Claims“ strenge Anforderungen zu stellen sind, um Verbraucher vor Täuschung zu schützen – und wie man damit umgeht, wenn die Problematik grenzüberschreitend aufgegriffen wird.
Sachverhalt
Die Beschwerdeführerin, ein deutsches Verkehrsunternehmen, warb auf ihrer belgischen Internetseite für Fernbusreisen mit den Begriffen „milieuvriendelijk“ (umweltfreundlich) und „klimaatvriendelijk“ (klimafreundlich). Darüber hinaus wurde behauptet, der Fernbus sei das umweltfreundlichste Verkehrsmittel. Im Buchungsvorgang bot das Unternehmen zudem eine CO2-Kompensationszahlung als Zusatzleistung an, ohne anzugeben, auf welchen Emissionswerten diese basierte.
Die belgische Wirtschaftsinspektion (ADEI) sah darin eine irreführende Werbung und ersuchte die deutschen Behörden auf Grundlage der CPC-Verordnung um Durchsetzung der Untersagung. Das Umweltbundesamt erließ daraufhin eine Unterlassungsanordnung, die das Unternehmen gerichtlich anfocht. Nachdem bereits das Landgericht Dessau-Roßlau die Klage abgewiesen hatte, bestätigte auch der BGH die Entscheidung.
Rechtliche Bewertung
1. Irreführung durch umweltbezogene Werbeaussagen
Der BGH stellte klar, dass Begriffe wie „klimafreundlich“ und „umweltfreundlich“ nach Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2005/29/EG nur verwendet werden dürfen, wenn sie durch konkrete und nachvollziehbare Nachweise gestützt sind. Umweltbezogene Werbeaussagen müssen eindeutig, verständlich und überprüfbar sein, um einer Irreführung der Verbraucher vorzubeugen.
Die Richter verwiesen darauf, dass die verwendeten Begriffe aufgrund ihrer Unbestimmtheit unterschiedlich interpretiert werden könnten und daher einer besonderen Prüfpflicht unterliegen. Die Werbung mit „klimafreundlich“ suggeriert aus Sicht eines durchschnittlichen Verbrauchers, dass die angebotene Dienstleistung im Vergleich zu anderen Verkehrsmitteln überdurchschnittlich umweltfreundlich ist. Fehlen hierfür jedoch nachvollziehbare Belege, handelt es sich um eine unzulässige Irreführung.
Besonders problematisch war die pauschale Behauptung, der Fernbus sei das „umweltfreundlichste Verkehrsmittel“. Die Formulierung als Superlativ verstärkte die Gefahr der Irreführung, da keine transparenten Kriterien oder Vergleichswerte genannt wurden.
2. Anforderungen an die CO2-Kompensation
Ein weiterer zentraler Punkt war die CO2-Kompensationszahlung, die als Zusatzleistung im Buchungsvorgang angeboten wurde. Der BGH stellte fest, dass die fehlende Angabe der zugrunde liegenden Emissionswerte eine irreführende Unterlassung im Sinne von Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2005/29/EG darstellt.
Eine CO2-Kompensation vermittelt dem Verbraucher den Eindruck, durch die Zahlung würde die Klimabelastung der Reise vollständig ausgeglichen. Wenn jedoch nicht transparent gemacht wird, wie diese Kompensation berechnet wird und welche Emissionswerte zugrunde gelegt wurden, kann der Verbraucher die Wirksamkeit der Maßnahme nicht nachvollziehen. Die fehlende Transparenz führte daher zur Bestätigung der Untersagung durch den BGH.
3. Die Bedeutung der CPC-Verordnung
Die Entscheidung zeigt auch die Bedeutung der CPC-Verordnung (Verordnung (EU) Nr. 2017/2394) für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit im Verbraucherschutz. Die belgische ADEI hatte das Umweltbundesamt um Unterstützung ersucht, weil die beanstandete Werbung auf einer belgischen Website veröffentlicht wurde. Der BGH stellte klar, dass die deutsche Behörde verpflichtet war, das Ersuchen nach Art. 12 CPC-Verordnung zu prüfen und die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen.
Interessant ist hierbei, dass der BGH die Einwände der Beschwerdeführerin zurückwies, die argumentierte, die belgischen Behörden hätten keine hinreichende rechtliche Grundlage für ihr Ersuchen gehabt. Der BGH betonte, dass die Kompetenzen der nationalen Behörden unmittelbar aus der Verordnung resultieren und keine zusätzlichen nationalen Ermächtigungsgrundlagen erforderlich sind.
4. Kein Verstoß gegen die Dienstleistungsfreiheit
Die Beschwerdeführerin hatte zudem eingewandt, dass die Maßnahmen gegen die Dienstleistungsfreiheit aus Art. 56 AEUV verstießen, da sie die grenzüberschreitende Tätigkeit übermäßig erschwerten. Der BGH verwarf auch dieses Argument.
Die Einschränkungen seien durch zwingende Gründe des Verbraucherschutzes gerechtfertigt, insbesondere durch das Ziel, Verbraucher vor irreführender Werbung zu schützen. Die Anforderungen an die Klarheit und Nachvollziehbarkeit umweltbezogener Werbeaussagen seien verhältnismäßig und geeignet, das Vertrauen der Verbraucher zu stärken, ohne die grenzüberschreitende Dienstleistung unverhältnismäßig zu behindern.
Greenwashing im Grenzgebiet
Wettbewerbsrecht bei grenzüberschreitenden Sachverhalten
Ein bemerkenswerter Aspekt der Entscheidung des BGH betrifft die Rolle ausländischen Rechts und die Anforderungen an Rechtsgutachten in grenzüberschreitenden Verfahren. Im vorliegenden Fall ging es um die Frage, ob die belgischen Vorschriften zum Verbraucherschutz und zur Werbung korrekt angewendet wurden. Die Beschwerdeführerin hatte argumentiert, dass die belgischen Behörden das anwendbare Recht falsch ausgelegt hätten und deshalb die Untersagung der Werbung nicht rechtmäßig gewesen sei.
Der BGH stellte hierzu klar, dass ausländisches Recht nach § 293 ZPO wie eine Tatsachenfrage zu behandeln ist und deshalb der Aufklärungspflicht des Gerichts unterliegt. Dies bedeutet, dass das Gericht verpflichtet ist, ausländisches Recht von Amts wegen zu ermitteln und hierbei gegebenenfalls auf Rechtsgutachten oder andere sachkundige Quellen zurückzugreifen. Es genügt nicht, wenn die Parteien lediglich Behauptungen über die Auslegung des ausländischen Rechts aufstellen, ohne substantiierten Beweis zu erbringen.
Im konkreten Fall hatte das Landgericht ein Rechtsgutachten zu belgischem Recht eingeholt und kam zu dem Ergebnis, dass die Vorschriften mit den unionsrechtlichen Vorgaben vereinbar seien. Der BGH bestätigte diese Vorgehensweise und betonte, dass die gerichtliche Ermittlung des ausländischen Rechts der Sicherstellung der Rechtseinheit innerhalb der EU dient. Insbesondere hob der BGH hervor, dass die Anforderungen an die Transparenz von umweltbezogenen Werbeaussagen nach belgischem Recht mit der Richtlinie 2005/29/EG übereinstimmen und daher auch für deutsche Unternehmen bindend sind, die in Belgien tätig sind.
Es wird hier deutlich, dass Unternehmen, die grenzüberschreitend werben, sorgfältig prüfen müssen, welche nationalen und europäischen Vorgaben sie einhalten müssen. Das Urteil macht auch deutlich, dass die Anforderungen an die Ermittlung und Darlegung ausländischen Rechts in Gerichtsverfahren hoch sind und nicht durch pauschale Verweise auf nationale Vorschriften umgangen werden können.
Es ist spannend, wie die Entscheidung die Bedeutung der CPC-Verordnung für den europäischen Verbraucherschutz betont – und die grenzüberschreitende Zusammenarbeit der Behörden stärkt. Unternehmen, die in mehreren EU-Staaten tätig sind, müssen künftig besonders darauf achten, dass ihre Werbeaussagen sowohl formal als auch inhaltlich den unionsrechtlichen Anforderungen genügen.
Fazit
Der BGH hat mit seiner Entscheidung klare Leitlinien für umweltbezogene Werbung und die Zulässigkeit von Green Claims aufgestellt. Die Verwendung von Begriffen wie „klimafreundlich“ erfordert künftig konkrete und überprüfbare Nachweise. Die Entscheidung ist ein wichtiger Schritt hin zu mehr Transparenz und Verbraucherschutz im Bereich der Nachhaltigkeitswerbung.
Im Ergebnis wird ein deutliches Signal gegen sogenanntes „Greenwashing“ gesetzt und erneut Rechtsklarheit für Unternehmen, die mit Umwelt- und Klimaschutzaspekten werben geschaffen. Es genügt nicht, allgemeine Begriffe wie „klimafreundlich“ oder „umweltfreundlich“ zu verwenden, ohne diese durch konkrete Angaben zu stützen.
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