Unter welchen Voraussetzungen Gehilfen eine Strafmilderung erhalten können, hat der Bundesgerichtshof (2 StR 471/23) konkretisiert: Der Fall betrifft eine Frau, die sich an einem international organisierten Drogenhandel beteiligte und in mehreren Fällen den Transport großer Mengen Kokains unterstützte. Das Landgericht Köln hatte ihre strafrechtliche Verantwortlichkeit als Gehilfin anerkannt und dies strafmildernd berücksichtigt. Die Staatsanwaltschaft rügte diesen Punkt mit einer Revision, die vor dem BGH Erfolg hatte.
Die Entscheidung ist von grundsätzlicher Bedeutung für die Abgrenzung zwischen zulässiger Strafmilderung und einer fehlerhaften doppelten Berücksichtigung der Beihilfe im Strafzumessungsverfahren.
Sachverhalt
Die Angeklagte war in eine Bande eingebunden, die über den Zeitraum von Herbst 2015 bis Frühjahr 2016 große Mengen Kokain von den Niederlanden nach Großbritannien schmuggelte. Der Transport erfolgte in präparierten Pferdetransportern, die neben den Drogen auch echte Reitpferde als Tarnung mitführten. Die Angeklagte hatte im Tatzeitraum eine Beziehung zu einem der Haupttäter und unterstützte die kriminelle Organisation durch Logistikmaßnahmen, insbesondere durch den Transport der Pferde und die Koordination der Übergabe des Rauschgifts an Abnehmer.
Das Landgericht Köln verurteilte sie wegen Beihilfe zum bandenmäßigen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und zehn Monaten. Es erkannte dabei die Beteiligung als Gehilfin als strafmildernd an. Zudem sprach das Gericht die Angeklagte in mehreren weiteren Anklagepunkten frei, da es keine sichere Kenntnis der Angeklagten über den eigentlichen Drogenhandel feststellen konnte.
Rechtliche Analyse
1. Fehlerhafte doppelte Berücksichtigung der Beihilfe als Strafmilderungsgrund
Der zentrale rechtliche Fehler des Landgerichts lag in der unzulässigen doppelten Berücksichtigung der Gehilfenstellung als strafmilderndes Element.
Gemäß § 27 Abs. 2 i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB führt die bloße Beteiligung als Gehilfe bereits zu einer obligatorischen Strafmilderung, indem der gesetzlich vorgesehene Strafrahmen abgesenkt wird. Eine weitere Berücksichtigung dieses Umstands als eigenständiges Milderungsmerkmal innerhalb der Strafzumessung ist unzulässig.
Der BGH stellte klar, dass das Gewicht der Beihilfehandlung im Einzelfall eine Rolle spielen kann – jedoch nicht die bloße Beteiligungsform als solche. Damit schloss er sich der ständigen Rechtsprechung an, wonach strafmildernde Wertungen sich auf konkrete Umstände der Tat beziehen müssen und nicht allein auf den Status als Gehilfe.
2. Abhängigkeit von einem Haupttäter als mildernder Umstand?
Ein weiterer vom Landgericht angeführter Milderungsgrund war die emotionale und finanzielle Abhängigkeit der Angeklagten von einem der Haupttäter. Diese hatte mit einem der Bandenmitglieder eine Liebesbeziehung und verfügte über keine eigenen finanziellen Mittel.
Der BGH betonte jedoch, dass eine Abhängigkeit allein nicht per se strafmildernd wirkt. Vielmehr müsse geprüft werden, ob die Angeklagte tatsächlich unter Druck stand oder ob sie aus freien Stücken und mit voller Kenntnis der Sachlage handelte. Das Landgericht hatte hierzu keine ausreichenden Feststellungen getroffen, weshalb der BGH auch diesen Aspekt der Strafzumessung als fehlerhaft einstufte.
3. Bedeutung der Sachherrschaft über die Drogen
Ein weiteres Kernelement der Entscheidung war die Frage, ob die Angeklagte durch ihre Rolle beim Transport auch täterschaftlichen Besitz an den Betäubungsmitteln erlangt hatte. Der BGH bejahte dies und änderte den Schuldspruch entsprechend: Neben der Beihilfe zum bandenmäßigen Handeltreiben wurde die Angeklagte auch wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt.
Diese Bewertung beruhte auf dem Umstand, dass sie über die Transportfahrten hinweg eine faktische Sachherrschaft über die Drogen ausübte. Damit war sie nicht nur eine passive Helferin, sondern über einen gewissen Zeitraum hinweg Mitverfügungsberechtigte über die Rauschgiftmenge.
4. Fehlerhafte Beweiswürdigung beim Freispruch in anderen Fällen
Die Staatsanwaltschaft hatte zudem gerügt, dass das Landgericht die Sachkunde der Angeklagten im Umgang mit Pferden nicht ausreichend gewürdigt habe. Die Frau war ausgebildete Pferdetrainerin und hatte Erfahrung in der Reiterbranche.
Laut BGH hätte dies bei der Frage, ob sie den wahren Zweck der Transporte kannte, berücksichtigt werden müssen. Denn gerade wegen ihrer Fachkenntnisse hätte sie erkennen können, dass die Fahrten keinen logischen wirtschaftlichen Zweck verfolgten. Dieser Aspekt war vom Landgericht nicht in die Beweiswürdigung einbezogen worden, weshalb auch die Freisprüche in mehreren Fällen aufgehoben wurden.
Fazit
Das Urteil des BGH verdeutlicht einmal mehr, dass die Strafzumessung nach festen rechtlichen Maßstäben erfolgen muss. Die Gehilfenstellung darf nicht doppelt mildernd berücksichtigt werden, und emotionale Abhängigkeit rechtfertigt nicht automatisch eine mildere Strafe.
Zudem zeigt die Entscheidung, dass Fachwissen eines Angeklagten ein entscheidendes Indiz für dessen Kenntnis der kriminellen Machenschaften sein kann. Das Verfahren muss nun vor einer anderen Strafkammer neu aufgerollt werden, wobei eine präzisere Abwägung zwischen strafmildernden und strafschärfenden Faktoren erforderlich ist.
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