BGH zur Erstattungsfähigkeit von Inkassokosten im Innen- und Außenverhältnis

Verzugsschaden trotz Konzernnähe: Mit Urteil vom 19. Februar 2025 (Az. VIII ZR 138/23) hat der einen zentralen Maßstab für das Verständnis des Verzugsschadens im Kontext konzerninterner Inkassodienstleistungen gesetzt. Die Entscheidung stärkt Gläubigerpositionen, auch wenn der Inkassodienstleister mit dem Forderungsinhaber konzernrechtlich verbunden ist – und rückt das Konzept der „tatsächlichen Vermögensbelastung“ in den Mittelpunkt.

Der Streit entzündete sich an der Frage, ob Inkassokosten, die aufgrund konzerninterner Vereinbarungen nicht in direkter Geldzahlung münden, überhaupt als erstattungsfähiger Schaden im Sinne von § 280 Abs. 1, 2, § 286 BGB qualifiziert werden können.

Hintergrund: Konzerninkasso im Verbraucherdiskurs

Die Beklagte, eine auf Forderungserwerb spezialisierte Tochtergesellschaft eines Konzerns, ließ eigene Forderungen durch eine konzernverbundene Inkassogesellschaft einziehen. Diese forderte von säumigen Schuldnern – meist Verbrauchern – neben der Hauptforderung auch Inkassokosten in Höhe der üblichen 1,3-Geschäftsgebühr gemäß RVG. Die Musterfeststellungsklage durch einen Verbraucherzentraleverband zielte darauf ab, die Erstattungsfähigkeit dieser Inkassokosten in Frage zu stellen. Die Argumentation: Aufgrund konzerninterner Absprachen, insbesondere einer gestundeten Vergütung und einer Abtretung an Erfüllungs statt, entstehe der Beklagten kein „realer“ Schaden.

Das Oberlandesgericht folgte dieser Sicht und verneinte das Vorliegen eines ersatzfähigen Schadens – eine Entscheidung, die der Bundesgerichtshof nun mit Nachdruck korrigiert hat.

Die Begründung des BGH: Schadensbegriff und Verbindlichkeitsbelastung

Zentraler Punkt der Entscheidung ist die Frage, ob bereits die Begründung einer Verbindlichkeit als Schaden anzusehen ist, selbst wenn kein unmittelbarer Geldabfluss erfolgt. Der BGH beantwortet dies eindeutig mit Ja. Der Schadensbegriff des § 249 BGB ist weit zu verstehen: Eine tatsächliche Vermögenseinbuße liegt bereits dann vor, wenn der Gläubiger – hier die Beklagte – durch eine wirksame vertragliche Abrede zu einer Gegenleistung verpflichtet wird, unabhängig davon, wie diese konkret zu erfüllen ist. Es komme nicht darauf an, ob eine Zahlung unmittelbar erfolgt, sondern ob eine wirtschaftliche Belastung durch eine Verpflichtung entsteht.

Der BGH verweist auf eine Reihe eigener Urteile, etwa zur Abtretung von Schadensersatzansprüchen an Erfüllungs statt (z.B. bei Mietwagen- oder Gutachterkosten), um klarzustellen, dass auch bei fehlendem unmittelbarem Mittelabfluss die schadensrechtliche Relevanz unberührt bleibt. Maßgeblich sei allein, dass der Gläubiger eine rechtlich verbindliche Schuld eingegangen ist – dies sei bereits eine belastende wirtschaftliche Situation.

Zudem weist der Senat darauf hin, dass eine andere Sichtweise zu absurden Ergebnissen führe: Wäre kein Schaden gegeben, könnten Schuldner Zahlungen leisten, die dann ohne Rechtsgrund vom Inkassodienstleister behalten würden – oder die Beklagte müsste trotz tatsächlich eingegangener Verpflichtung auf dem Schaden sitzen bleiben, wenn keine Realisierung möglich ist.

Konsequenzen für das Konzerninkasso

Der BGH stellt weiter klar, dass die Tatsache, dass es sich um ein konzerninternes Verhältnis handelt, an der Erstattungsfähigkeit der Inkassokosten nichts ändert. Konzernnähe entziehe der Leistung nicht per se ihre Notwendigkeit. Auch interne organisatorische und wirtschaftliche Verflechtungen entbinden nicht davon, dass Aufwendungen zur Forderungsrealisierung – wenn sie rechtlich wirksam vereinbart und notwendig sind – dem Schuldner auferlegt werden dürfen.

Die Maßgabe bleibt dabei immer die „Erforderlichkeit und Zweckmäßigkeit“ der Maßnahme aus ex-ante-Sicht des Gläubigers. Wer in Verzug gerät, muss grundsätzlich damit rechnen, dass der Gläubiger auf professionelle Unterstützung zurückgreift – unabhängig von der organisatorischen Struktur des Dienstleisters.


Fazit

Die Kernaussage des Urteils liegt in der dogmatisch klaren Bestätigung, dass auch gestundete oder abgetretene Inkassovergütungen einen relevanten Verzugsschaden darstellen. Der BGH setzt damit ein wichtiges Signal für die Praxis des Forderungseinzugs und unterstreicht, dass Schadensrecht nicht an formalistische Zahlungsflüsse, sondern an die tatsächliche wirtschaftliche Belastung anknüpft. Zugleich weist das Urteil eine klare Grenze gegenüber dem Missbrauch durch künstliche Gebührenmodelle auf: Nur wenn ein struktureller Missbrauch vorliegt, kann die Erstattungsfähigkeit entfallen – nicht aber allein wegen Konzernnähe oder alternativer Abrechnungsmethoden. Ein wegweisendes Urteil für das moderne Wirtschaftsrecht und das Verhältnis von zivilrechtlicher Dogmatik zu wirtschaftlicher Realität.

Fachanwalt für Strafrecht & IT-Recht bei Anwaltskanzlei Ferner Alsdorf
Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht mit Schwerpunkt Cybersecurity & Softwarerecht. Ich bin zertifizierter Experte für Krisenkommunikation & Cybersecurity; zudem Autor sowohl in Fachzeitschriften als auch in einem renommierten StPO-Kommentar zum IT-Strafprozessrecht und zur EU-Staatsanwaltschaft.Als Softwareentwickler bin ich in Python zertifiziert und habe IT-Handbücher geschrieben.

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