BGH zur Begrenzung der Panoramafreiheit bei Drohnenaufnahmen

Kein freier Blick von oben: Mit Urteil vom 23. Oktober 2024 (Az. I ZR 67/23) hat der (BGH) eine für die urheberrechtliche Schrankenlehre bedeutsame Entscheidung getroffen. Es geht um nichts Geringeres als die Reichweite der nach § 59 Abs. 1 UrhG – und die Frage, ob Luftaufnahmen mit Drohnen davon erfasst sind.

Der BGH verneint dies klar und grenzt die Schrankenregelung gegenüber neuen technischen Möglichkeiten bewusst ein. Die Entscheidung gibt Anlass, die dogmatischen Grundlagen, die gesetzessystematische Einordnung sowie die praktischen Auswirkungen differenziert zu analysieren.

Sachverhalt

Die beklagte Verlegerin hatte in mehreren Freizeitführern für das Ruhrgebiet urheberrechtlich geschützte Kunstwerke abgebildet. Es handelte sich dabei um großflächige Kunstinstallationen auf sog. Bergehalden, also künstlich geschaffenen Anhöhen im ehemaligen Steinkohlenrevier. Die Werke – unter anderem der „Tetraeder“ von Wolfgang Christ, die „Himmelstreppe“ von Herman Prigann und die „Landmarke Geleucht“ von Otto Piene – wurden mithilfe von Drohnen aus der Luft fotografiert. Die Klägerin, eine Verwertungsgesellschaft im visuellen Bereich, machte die Rechte der Künstler geltend und klagte auf Unterlassung, Auskunft und Schadensersatz.

Die Beklagte berief sich im Verfahren auf die Schrankenregelung des § 59 Abs. 1 Satz 1 UrhG und vertrat die Auffassung, dass die fotografierten Werke dauerhaft im öffentlichen Raum installiert seien und mithin von jedermann wahrgenommen werden könnten – auch aus der Luft.

Rechtsfragen und dogmatische Einordnung

Reichweite der Panoramafreiheit nach § 59 UrhG

Die sog. Panoramafreiheit erlaubt es gemäß § 59 Abs. 1 Satz 1 UrhG, Werke, die sich bleibend an öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen befinden, mit bildlichen oder filmischen Mitteln zu vervielfältigen, zu verbreiten und öffentlich wiederzugeben. Sie ist als Schrankenbestimmung zugunsten der Allgemeinheit ausgestaltet, um die alltagsbezogene Rezeption öffentlich sichtbarer Kunstwerke zu ermöglichen, ohne dass für jede Aufnahme oder Abbildung eine eingeholt werden muss.

Doch genau diese Schrankenregelung ist – wie alle Ausnahmen vom Grundsatz der ausschließlichen Verwertungsrechte des Urhebers – eng auszulegen. So verlangt auch Art. 5 Abs. 3 Buchst. h der 2001/29/EG (InfoSoc-Richtlinie), dass Ausnahmen und Beschränkungen nur in bestimmten Sonderfällen zulässig sind und die normale Verwertung des Werks nicht beeinträchtigen dürfen (Art. 5 Abs. 5 InfoSoc-RL, sog. „Drei-Stufen-Test“).

Der BGH greift diese unionsrechtlichen Maßgaben ausdrücklich auf und gelangt zu dem Ergebnis, dass die Luftbildaufnahmen nicht von der Panoramafreiheit gedeckt sind. Dabei stellt das Gericht entscheidend auf die Perspektive der Werkwahrnehmung ab: § 59 UrhG setze voraus, dass die Wahrnehmung von öffentlichen Verkehrsflächen aus erfolgt. Drohnen hingegen ermöglichten eine Perspektive, die gerade nicht allgemein zugänglich ist.

Technische Hilfsmittel und Schrankenbegrenzung

Der BGH lehnt eine extensive Auslegung der Panoramafreiheit unter Einbeziehung technischer Hilfsmittel wie Drohnen konsequent ab. Zwar ist anerkannt, dass auch die Nutzung von Ferngläsern oder Kameras mit Teleobjektiv nicht per se aus der Panoramafreiheit herausführt – dies aber nur, solange sie lediglich die menschliche Wahrnehmung unterstützen, nicht aber ersetzen oder übersteigen. Drohnen hingegen eröffnen gänzlich neue Perspektiven, die einem durchschnittlichen Betrachter ohne technische Mittel dauerhaft verschlossen bleiben.

Insoweit schließt sich der BGH einer stringenten Schrankeninterpretation an: Weder technischer Fortschritt noch mediale Praktikabilität dürfen die Balance zwischen Urheberrecht und Gemeinfreiheit verschieben. Er betont zudem, dass die Schranke des § 59 UrhG ihrem Sinn und Zweck nach nur Werke erfassen soll, die sich als Bestandteil des allgemeinen Straßen- oder Landschaftsbildes in der Horizontalperspektive manifestieren – nicht jedoch aus Vogelperspektive.

Keine analoge Anwendung

Eine analoge Anwendung des § 59 UrhG auf Drohnenaufnahmen kommt nach Auffassung des BGH ebenfalls nicht in Betracht. Es fehle bereits an einer planwidrigen Regelungslücke. Der Gesetzgeber habe sich bewusst für eine räumlich-perspektivische Begrenzung entschieden. Auch die Reform des Urheberrechts durch das UrhDaG 2021 habe insoweit keine Erweiterung vorgenommen. Zudem würde eine Analogie gegen das Bestimmtheitsgebot in Art. 103 Abs. 2 GG und gegen den klaren Regelungswillen des Unionsgesetzgebers verstoßen.

Praktische Auswirkungen

Die Entscheidung hat erhebliche Auswirkungen für die Praxis von Verlagen, Fotografen, Filmemachern und Betreibern von Drohnentechnologie. Denn wer künftig urheberrechtlich geschützte Werke aus der Luft ablichtet und diese Aufnahmen publiziert, muss sich um eine vorherige Lizenzierung bemühen. Andernfalls drohen Unterlassungsansprüche und Schadensersatzforderungen gemäß §§ 97 ff. UrhG.

Insbesondere für kommerzielle Projekte – wie Kalender, Reiseführer, Werbefilme oder Imagekampagnen – bedeutet das Urteil eine Zäsur. Auch der dokumentarische oder journalistische Charakter eines Projekts ändert nichts an der grundsätzlichen Erlaubnispflicht, solange keine andere Schrankenregelung – etwa § 50 UrhG (Berichterstattung über Tagesereignisse) – einschlägig ist.

Gleichzeitig gewinnt der Begriff der „Zugänglichkeit“ eine neue operative Bedeutung: Die öffentlich-rechtliche Zugänglichkeit bezieht sich nicht mehr nur auf physischen Zugang, sondern auch auf den visuell-rezeptiven Zugang mit menschlichen Mitteln. Die Panoramafreiheit ist damit ausdrücklich bodengebunden.


Ergebnis

Der Bundesgerichtshof hat mit seiner Entscheidung zum Ausschluss von Drohnenaufnahmen aus dem Anwendungsbereich des § 59 UrhG eine bedeutsame Grenze gezogen. Die Entscheidung folgt einer systematischen, teleologischen und unionsrechtskonformen Auslegung der Schrankenregelung und setzt zugleich ein normatives Signal für die urheberrechtliche Bewertung technologischer Entwicklungen. Die Quintessenz lautet: Wer Kunst aus der Luft betrachtet, tut dies auf eigene rechtliche Gefahr. Die Panoramafreiheit endet am Boden.

Fachanwalt für Strafrecht & IT-Recht bei Anwaltskanzlei Ferner Alsdorf
Rechtsanwalt Jens Ferner ist Fachanwalt für Strafrecht sowie Fachanwalt für IT-Recht und widmet sich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht - mit Schwerpunkten in Cybercrime, Cybersecurity, Softwarerecht und Managerhaftung. Er ist zertifizierter Experte für Krisenkommunikation & Cybersecurity; zudem Autor sowohl in Fachzeitschriften als auch in einem renommierten StPO-Kommentar zum IT-Strafprozessrecht sowie zur EU-Staatsanwaltschaft. Als Softwareentwickler ist er in Python zertifiziert und hat IT-Handbücher geschrieben.

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Rechtsanwalt Jens Ferner

Von Rechtsanwalt Jens Ferner

Rechtsanwalt Jens Ferner ist Fachanwalt für Strafrecht sowie Fachanwalt für IT-Recht und widmet sich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht - mit Schwerpunkten in Cybercrime, Cybersecurity, Softwarerecht und Managerhaftung. Er ist zertifizierter Experte für Krisenkommunikation & Cybersecurity; zudem Autor sowohl in Fachzeitschriften als auch in einem renommierten StPO-Kommentar zum IT-Strafprozessrecht sowie zur EU-Staatsanwaltschaft. Als Softwareentwickler ist er in Python zertifiziert und hat IT-Handbücher geschrieben.

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