BGH zur Ablehnung von Beweisanträgen und richterlicher Sachkunde

In seinem Beschluss vom 31. Juli 2024 klärte der BGH (Az.: 2 StR 44/24) wesentliche Fragen zur Ablehnung von Beweisanträgen und der Reichweite richterlicher Sachkunde. Die Entscheidung betrifft insbesondere die Abgrenzung zwischen und Beweisermittlungsantrag sowie die Anforderungen an die Begründung der Ablehnung von Sachverständigengutachten. Diese Entscheidung ist bedeutsam, da sie auf frühere Rechtsprechung Bezug nimmt und die Anforderungen an die Verfahrensführung weiter präzisiert.

Sachverhalt und Verfahrensgang

Im Ausgangsverfahren wurde der Angeklagte wegen besonders schweren Raubes verurteilt. Im Laufe der Verhandlung stellte die Verteidigung Beweisanträge, darunter einen auf Einholung eines psychiatrischen Gutachtens zur Glaubwürdigkeit eines Belastungszeugen, der angeblich an einer schizophrenen Psychose leiden sollte.

Die Strafkammer lehnte diesen Antrag unter Verweis auf eigene Sachkunde ab, stützte sich hierbei auf frühere Feststellungen aus einem anderen Verfahren und betonte, dass keine hinreichenden Anknüpfungstatsachen vorlägen. Zudem wurde ein weiterer Antrag auf Einholung eines aussagepsychologischen Gutachtens, gestützt auf neue Informationen, ebenfalls abgelehnt.


Rechtliche Analyse

1. Anforderungen an Beweisanträge

Der BGH führte aus, dass ein Beweisantrag nach § 244 Abs. 3 eine konkrete Beweistatsache und ein geeignetes Beweismittel angeben muss. Der vorliegende Antrag auf ein psychiatrisches Gutachten erfüllte diese Voraussetzungen, da die Diagnose einer schizophrenen Psychose die Glaubwürdigkeit des Zeugen hätte beeinflussen können. Dies entspricht der bisherigen Rechtsprechung des BGH, wonach Beweisanträge nicht pauschal abgelehnt werden dürfen, wenn sie sich auf relevante Tatsachen beziehen.

2. Abgrenzung: Beweisantrag vs. Beweisermittlungsantrag

Die Strafkammer hatte den Antrag auf ein aussagepsychologisches Gutachten als Beweisermittlungsantrag eingestuft. Der BGH bestätigte diese Einordnung, da keine neuen Tatsachen vorgetragen wurden, die eine erneute Gutachtenerstellung erforderlich gemacht hätten. Diese Unterscheidung ist entscheidend, da Beweisanträge einer strengeren Prüfpflicht unterliegen. Der BGH stellte klar, dass Beweisermittlungsanträge abgelehnt werden können, wenn das Gericht die Sachlage aus eigener Sachkunde bewerten kann.

3. Richterliche Sachkunde

Der BGH stützte sich auf die ständige Rechtsprechung, dass Richter allgemeine, auch psychologische Kenntnisse zur Beurteilung von Zeugenaussagen besitzen. Dies schließt jedoch nicht die Notwendigkeit aus, bei spezifischen Fachfragen Sachverständige hinzuzuziehen. In diesem Fall war die Ablehnung des psychiatrischen Gutachtens rechtmäßig, da die bisherigen Feststellungen keine Hinweise auf eine psychotische Erkrankung des Zeugen ergaben. Dieses Vorgehen entspricht früheren Entscheidungen, etwa in 5 StR 188/21, in denen die richterliche Sachkunde ebenfalls als Ablehnungsgrund anerkannt wurde.


Vergleich mit weiterer Rechtsprechung

Die Entscheidung des BGH reiht sich in eine Linie von Urteilen ein, die die Bedeutung richterlicher Sachkunde und die Abgrenzung zwischen Beweisanträgen und Beweisermittlungsanträgen betonen. Bereits in einem früheren Blogbeitrag wurde auf die Entscheidung 2 StR 498/19 verwiesen, die die Anforderungen an die Begründung bei der Ablehnung von Beweisanträgen präzisierte. Auch die Entscheidung 5 StR 348/20 hob hervor, dass Anträge mit ausreichenden Anknüpfungstatsachen nicht ohne fundierte Begründung abgelehnt werden dürfen.


Fazit

Der Beschluss verdeutlicht erneut die Balance zwischen gerichtlicher Aufklärungspflicht und prozessökonomischen Überlegungen. Der BGH setzt klare Grenzen für die Ablehnung von Beweisanträgen, lässt jedoch Raum für die richterliche Sachkunde, um unnötige Beweiserhebungen zu vermeiden. Im Gesamtkontext zeigt die Entscheidung, wie wichtig es für Verteidiger ist, präzise und substanzielle Beweisanträge zu stellen, um das Recht auf ein faires Verfahren zu wahren.

Mit Blick auf die frühere Rechtsprechung fügt sich diese Entscheidung nahtlos in die Entwicklung der Anforderungen an die Begründung und Prüfung von Beweisanträgen ein. Sie liefert Verteidigern und Gerichten gleichermaßen wertvolle Orientierung.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften. Dabei bin ich fortgebildet in Krisenkommunikation und Compliance.

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