Der BGH hat telefonische Kaltakquise erlaubt?

Und wieder ein gelungenes Beispiel für die gebotene Vorsicht im Umgang mit juristischen Informationen aus dem Internet: Bei Handwerk.com habe ich einen Artikel zu einem BGH-Urteil gefunden und lese dort u.a. zum Urteil:

Das sahen die Richter des BGH anders: „Wer einen Telefonanschluss zu gewerblichen Zwecken unterhält, rechnet … mit Anrufen, mit denen der Anrufer ein akquisitorisches Bemühen verfolgt.“ Dazu müsse der Angerufene nicht erst ausdrücklich sein Einverständnis erklären. Es genüge bereits ein mutmaßliches Interesse und das dürfe in diesem Fall angenommen werden.

So wie das Zitat des BGH aufbereitet ist, habe jedenfalls ich beim ersten Lesen herausgelesen, dass man bei einem gewerblich genutztem Telefonanschluss grundsätzlich mit Werbeanrufen zu rechnen habe. Das aber wäre grundfalsch, genau das Gegenteil ist der Fall, wie am Ende des zitierten Absatzes auch angesprochen wird: In diesem Fall war es OK. Grundsätzlich ist es das aber auf keinen Fall. Wenn man das Zitat des BGH etwas länger fasst, liest man nämlich:

Wer einen Telefonanschluss zu gewerblichen Zwecken unterhält, rechnet jedoch mit Anrufen, mit denen der Anrufer ein akquisitorisches Bemühen verfolgt. Anders als im privaten Bereich ist telefonische Werbung im geschäftlichen Bereich daher nicht nur zulässig, wenn der Angerufene zuvor ausdrücklich oder konkludent sein Einverständnis erklärt hat; sie ist vielmehr gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 2 Fall 2 UWG auch schon bei einer mutmaßlichen Einwilligung wettbewerbsgemäß. Erforderlich ist danach, dass aufgrund konkreter tatsächlicher Umstände ein sachliches Interesse des Anzurufenden an der Telefonwerbung vermutet werden kann (BGH GRUR 2008, 189 Tz. 14 – Suchmaschineneintrag; zu § 1 UWG a.F. BGH, Urt. v. 5.2.2004 – I ZR 87/02, GRUR 2004, 520, 521 = WRP 2004, 603 – Telefonwerbung für Zusatzeintrag).

Bei der Beurteilung der Frage, ob der Anrufer von einer mutmaßlichen Einwilligung des anzurufenden Gewerbetreibenden ausgehen konnte, ist auf die Umstände vor dem Anruf sowie auf die Art und den Inhalt der Werbung abzustellen. Maßgeblich ist, ob der Werbende bei verständiger Würdigung der Umstände annehmen durfte, der Anzurufende erwarte einen solchen Anruf oder werde ihm jedenfalls positiv gegenüberstehen (vgl. BGHZ 113, 282, 286 – Telefonwerbung IV; BGH GRUR 2004, 520, 521 – Telefonwerbung für Zusatzeintrag; BGH GRUR 2008, 189 Tz. 15 – Suchmaschineneintrag).

So wird ein Schuh draus, grundsätzlich gilt: Keine Anrufe ohne Einwilligung. Unter besonderen Umständen darf der Werber bei einem gewerblichen Telefonanschluss eine mutmaßliche Einwilligung nach §7 II Nr.2 UWG annehmen. Diese Umstände sind aber keinesfalls „einfach so“ anzunehmen, sondern müssen dezidiert geprüft werden. Und wenn es irgendwo scheitert, ist eine evt. ausgesprochene berechtigt.

Im Gesamtbild daher hier noch einmal die dringende Warnung: Lassen Sie ihr Werbemodell abklopfen. Vertrauen Sie nicht auf allgemeingehaltene Artikel im Internet, um damit Werbemaßnahmen anzugehen – das Risiko ist enorm. Und Sie können nicht riskieren, wegen eines falsch verstandenen Artikels oder zwar nachvollziehbarer, aber falscher, eigene Gedanken eine ganze (teure) Werbemaßnahme umzustellen.

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Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

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