Der Bundesgerichtshof hat sich zur nachträglichen Sicherungsverwahrung nach Jugendstrafrecht geäußert und teilt mit:
Da der Bundesgerichtshof vorliegend erstmals über die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung nach § 7 Abs. 2 JGG befunden hat, hat der Senat auch geprüft, ob die Vorschrift im Einklang mit der Verfassung steht. Dies hat er bejaht.
Die Regelung verstößt weder gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot noch gegen das Doppelbestrafungsverbot, da es sich bei der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung um eine präventive, der Verhinderung zukünftiger Straftaten dienende Maßnahme handelt und nicht um eine repressive, dem Schuldausgleich dienende Sanktion. Soweit der Vertrauensschutz der betroffenen Straftäter tangiert ist, hat eine Güterabwägung zu erfolgen. Diese hat der Gesetzgeber in nicht zu beanstandender Weise dahin getroffen, dass der Schutz der Allgemeinheit vor einzelnen extrem gefährlichen jungen Straftätern überwiegt.
Aufgrund der engen Begrenzung des Anwendungsbereichs des § 7 Abs. 2 JGG wahrt die Vorschrift auch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Der Gesetzgeber hat hier den Katalog der Anlasstaten noch enger als im Erwachsenenstrafrecht auf schwerste Verbrechen gegen Personen beschränkt und eine Verurteilung wegen einer solchen Katalogtat zu einer Jugendstrafe von mindestens sieben Jahren verlangt (gegenüber der Mindestfreiheitsstrafe von fünf Jahren bei Verurteilungen nach allgemeinem Strafrecht). Zudem hat er die Frist zur Überprüfung der Fortdauer der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung gemäß § 7 Abs. 4 Satz 2 JGG auf ein Jahr verkürzt, während sie bei nach allgemeinem Strafrecht Verurteilten zwei Jahre beträgt.
Anders als in der Presse mitunter zu lesen, hat diese Entscheidung m.E. wenig bis gar nichts mit der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte zu tun, der sich kürzlich negativ zur nachträglichen Sicherungsverwahrung geäußert hat. In der Fallkonstellation des EGMR ging es darum, dass das 1998 geänderte Recht zur Sicherungsverwahrung selbige auch bei bereits verurteilten Tätern ermöglicht, die bereits vor Gesetzesänderung verurteilt wurden.
Insgesamt ist aber die Entwicklung abzuwarten, da weiterhin festzustellen ist, dass die deutsche höchstrichterliche Rechtsprechung, namentlich BGH und BVerfG, weiterhin versuchen, den strafenden Charakter der Sicherungsverwahrung „herunter zu spielen“ und alleine auf die sichernde Funktion abstellen. Es ist nicht zu erwarten, dass der EGMR hier von seiner seit Jahren gefestigten – und mit der Europäischen Menschenrechtkonvention (EMRK) im Einklang stehenden – Rechtsprechung abrückt, nicht jede staatliche Sanktion als Strafe zu werden.
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