Ich hatte – neben den ganzen „üblichen“ BTM-Strafsachen – kürzlich nochmal eine komplexere BTM-Sache, die schön aufgezeigt hat, wie man mit sauberem Arbeiten aus einer ganz grossen Anklage eine am Ende verschmerzbare Sanktion macht. Zugleich zeigt es: Verteidigung macht gerade in BTM-Sachen Sinn und ist eben mehr als nur ein Selbstläufer.
Klassischer BTM-Plantagen-Sachverhalt
Es fing an wie so oft: Es gibt bei dem A eine Hausdurchsuchung und man findet eine Plantage. Die war auch durchaus was üppiger und Semi-Professionell angelegt, also kein schlichtes Grow-Zelt sondern befestigt mit Kohlefilter, automatischer Bewässerung und Lüftung. Zu allem Überdruss fand man eine Waffe – und bei späterer Analyse der Spuren einen DNA-Treffer von meinem Mandanten, dem B, an einem Bauteil der Plantage. Die Anklage ist damit vorhersehbar: Gemeinschaftliches bewaffnetes Handeltreiben, gesetzliche Mindestfreiheitsstrafe: 5 Jahre.
Verteidigungsstrategie: Waffe
In BTM-Sachen sollte von Anfang an eine klare Strategie bestehen – und ein genaues Aktenstudium hilft immer. So sollte genau geprüft werden, ob man die Waffe nicht „wegreden“ kann – die Rechtsprechung ist hier sehr differenziert: Alleine die Existenz einer Waffe reicht nicht, sie muss schon griffbereit in einem der Stadien des Handeltreibens zur Verfügung stehen, wobei man nicht lebensfremd diskutieren darf. Wenn etwa ein scharfes Samureischwert griffbereit im Wohnzimmer (als offensichtliches Deko-Objekt) an der Wand hängt, wo zugleich an Käufer BTM übergeben werden, dann ist das schon ziemlich dämlich.
Im vorliegenden Fall zeigte eine genaue Prüfung der Fotos (der A war ja nicht mein Mandant, ich hatte vorher keine Infos), dass die Waffe in einem anderen Umfeld gewesen sein musste, während die Polizei mal flott vermerkt hatte, die Waffe war in der Wohnung mit der Plantage. Das klärte sich mit genauer Befragung in der Hauptverhandlung dann auch recht schnell. Ungeschickt war, dass Plantage und Waffe zwar in verschiedenen Wohnungen waren, die Waffe aber faktisch auf Düngemitteln für die Plantage lagen. Hier musste dann eben das Gericht überzeugt werden, dass dies kein Stadium des Handeltreibens war, was auch gelang. Nachdem die Waffe erfolgreich nicht mehr Bestandteil des Handeltreibens war, ging es „nur“ noch um ein Handeltreiben in nicht geringer Menge.
Verteidigungsstrategie: DNA
Nachdem der Brandherd schon deutlich reduziert war, verblieb die nächste Frage: Was sollte der B, mein Mandant, nun damit zu tun haben? Es ist keine Seltenheit, dass an Plantagen DNA-Spuren von Personen gefunden werden, die dann in den Fokus der Ermittlungen rutschen. Leider ebenso keine Seltenheit ist, dass Anklage und Gerichte vorschnell von einer Mittäterschaft ausgehen. Verteidiger, die hier schlafen oder die Tretmine unterschätzen, können die Freiheit kosten.
DNA als Beweis
Ein DNA-Treffer ist im deutschen Strafprozess nur ein Indiz – nicht mehr, aber eben auch nicht weniger. Das bedeutet, der DNA-Treffer bedeutet erst einmal alleine für sich nur, dass Zellmaterial einer Person an der entsprechenden Stelle vorhanden war. Was das bedeutet, ist dann aber wieder eine Frage der Würdigung: So kann das bedeuten, dass jemand schlicht da gewesen ist und etwas angefasst hat.
Wenn etwa die DNA-Spur an einer Giesskanne neben einer Plantage war, ist es erst einmal naheliegend, zu vermuten, dass die Person zu der die DNA gehört, diese Giesskanne in der Hand hatte. Ob damit dann auch die Plantage gegossen wurde, ist aber eine weitere Frage. Definitiv schlecht ist es, wenn man meint, mit allgemeinen Ausführungen wie „das heisst doch nichts“ zu glauben, sich verteidigen zu können. Verteidiger, die hier mit Allgemeinplätzen in der Hauptverhandlung „argumentieren“ geben allenfalls ein schlechtes Bild ab: Man muss brauchbare und lebensnahe Alternativhypothesen darstellen können. Einfach nur dasitzen ist zu wenig, damit überlässt man dem Gericht das gesamte Spielfeld eigener Überlegungen kampflos.
In diesem Fall wurde der DNA-Treffer an einem fest verbauten Zubehör der Plantage gefunden, nichts was täglich angefasst oder bedient wird. Der B liess sich dann auch dahin gehend ein, beim Bau anfangs einmal kurz geholfen zu haben – in dem festen Glauben, dass der befreundete A für sich selber die Plantage betreibt. Das sah dann auch so aus, dass er lediglich beim Bau des Verschlags ein Bauteil gehalten hat, während der A es befestigte. Von den späteren Grössenverhältnissen der eigentlichen Plantage wusste er nichts, war auch nicht sein Problem.
Die rechtliche Würdigung
Man staunte bei Gericht nicht schlecht, als ich ausführte, dass bei meinem Mandanten zwar nur Beihilfe vorlag (davon ging zu dem Zeitpunkt dann jeder aus) – doch wozu? Die Staatsanwaltschaft ging klar von einer Beihilfe zum Handeltreiben aus, ich nicht.
Verteidigung in BTM-Strafsachen funktioniert nur, wenn man das BTMG wirklich trittfest beherrscht – und sich bei der Abgrenzung von Täterschaft zur Beihilfe sicher zu bewegen weiss. DNA-Treffer sind gerade bei Plantagen keine Seltenheit, hier hilft nur Erfahrung um zu wissen was in der Verteidigung geht – und was nicht.
Ich konnte darauf verweisen, dass der Vorsatz des B sich alleine auf den Anbau beziehen konnte und hinsichtlich eines Handeltreibens des A nicht einmal eine rudimentäre Vorstellung existierte. Das bedeutet, aus Sicht des B lag alleine eine Beihilfe zum Herstellen in nicht geringer Menge vor (§29a Abs.1 Nr.2 BtMG). Und auf Grund des äusserst überschaubaren Beihifleanteils, dann auch noch gleich in einem minder schweren Fall. Letzteres wird überraschend oft übersehen: Auch wenn die Haupttat sich nicht als minder schwerer Fall darstellt, kann der Gehilfe ja gleichwohl in einem minder schweren Fall agieren (siehe BGH, 5 StR 12/11). Das Ergebnis: Laut Anklage war man zuerst bei einer Mindeststrafe von 5 Jahren, mit meiner Würdigung – der das Gericht folgte – kam mein Mandant am Ende auf das gesetzliche Mindestmaß als Untergrenze. Und das ist 1 Monat.
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