Bewährung: Wann ist eine Freiheitsstrafe zur Bewährung auszusetzen?

Wann ist eine zur auszusetzen: Freiheitsstrafen können, wenn eine Höhe von bis zu 2 Jahren ausgesprochen wird, zur Bewährung ausgesetzt werden. Ob in diesem Fall eine Freiheitsstrafe zur Bewährung tatsächlich auszusetzen ist, unterliegt dabei gewissen Voraussetzungen, die sich am §56 StGB orientieren: Das Gericht hat sich bei der Prüfung mit dem Vorliegen einer günstigen Sozialprognose auseinanderzusetzen.

Wenn eine Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr verhängt wird, ist diese (nur noch) zur Bewährung auszusetzen, wenn entsprechend §56 Abs.2 StGB „besondere Umstände“ vorliegen, die für eine zur Bewährung sprechen. Für das Vorliegen besonderer Umstände im Sinne des § 56 Abs. 2 StGB genügt es dabei regelmässig allerdings schon, wenn Milderungsgründe von besonderem Gewicht vorliegen, die eine Strafaussetzung trotz des erheblichen Unrechtsgehalts der Tat, der sich in der Strafhöhe widerspiegelt, als nicht unangebracht und als den vom Strafrecht geschützten Interessen zuwiderlaufend erscheinen lassen (so auch Amtsgericht Geldern, 6 Ds 614/17).

Auch bei uns: Bewährung in der Revision?

Keine zu Hohen Maßstäbe bei Bewährung

Besondere Umstände sind Milderungsgründe von besonderem Gewicht, die eine Strafaussetzung trotz des Unrechts- und Schuldgehalts, der sich in der Strafhöhe widerspiegelt, als nicht unangebracht erscheinen lassen. Dazu können auch solche gehören, die schon für die Prognose nach § 56 Abs. 1 StGB zu berücksichtigen waren. Wenn auch einzelne durchschnittliche Milderungsgründe eine Aussetzung nicht rechtfertigen, verlangt § 56 Abs. 2 StGB jedoch keine „ganz außergewöhnlichen“ Umstände (BGH, 1 StR 414/15).

Vielmehr können dessen Voraussetzungen sich auch aus dem Zusammentreffen durchschnittlicher Milderungsgründe ergeben (BGH, 2 StR 374/88). Bei der Prüfung ist eine Gesamtwürdigung von Tat und Persönlichkeit des Verurteilten vorzunehmen. Dabei sind die wesentlichen Umstände nachprüfbar darzulegen. Die ganz maßgeblich auf dem in der gewonnenen persönlichen Eindruck beruhende Entscheidung steht im pflichtgemäßen Ermessen des Tatgerichts (BGH, 5 StR 95/01, 2 StR 140/08 und 1 StR 201/12). Insoweit ist darauf zu achten, dass die Instanzgerichte keine zu hohen Maßstäbe an die Frage nach besonderen Umständen legen. Nicht erforderlich ist etwa mit dem , dass eventuell vorhandene Milderungsgründe der Tat auch noch einen „Ausnahmecharakter“ verleihen:

Es genügt, dass Milderungsgründe von besonderem Gewicht vorliegen, die eine Strafaussetzung trotz des erheblichen Unrechtsgehalts, der sich in der Strafhöhe wider- spiegelt, als nicht unangebracht und als den vom Strafrecht geschützten Interessen zuwiderlaufend erscheinen lassen (vgl. BGHSt 29, 370, 371; BGH NStZ 1986, 27 m.w.N.). Dass diese Milderungsgründe der Tat Ausnahmecharakter verleihen, verlangt § 56 Abs. 2 StGB entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht (vgl. BGHR StGB § 56 Abs. 2 Umstände, besondere 1).

BGH, 2 StR 112/09

Das Verteidigungspotential ist an der Stelle enorm – regelmäßig tun sich Staatsanwälte im Gerichtssaal schwer, bei einer Freiheitsstrafe über einem Jahr „besondere Umstände“ zu erkennen, gerade weil sie hier glauben, dass es ganz besondere Umstände nötig sind – die es aber gerade nicht braucht. Ein versierter Strafverteidiger räumt mit diesem schnell auf.

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Jens Ferner

Strafverteidiger

Besondere Umstände und die Bewährung

Regelmässig fehlerhaft ist es dabei, besondere Umstände im Sinne des § 56 Abs. 2 StGB zu verneinen, ohne sich mit der Frage zu befassen, ob dem Angeklagten eine günstige Sozialprognose nach § 56 Abs. 1 StGB zu stellen ist (ebenso BGH, 2 StR 112/09). Dem jeweiligen Tatgericht steht dabei im Hinblick auf die Prognose nach § 56 Abs. 1 StGB ein weiter Beurteilungsspielraum auch bei erheblichen Vorbelastungen und wiederholten Strafverbüßungen des Angeklagten zu. Ausreichend ist hierbei für eine günstige Sozialprognose eine hinreichende Wahrscheinlichkeit straffreier Lebensführung im Sinne des § 56 Abs. 1 StGB; eine sichere Gewähr für künftiges straffreies Leben kann mit gefestigter Rechtsprechung des BGH nicht verlangen werden.

Insgesamt zeigt sich regelmässig, dass man auch bei Freiheitsstrafen von mehr als einem Jahr erheblichen Verteidigungsspielraum hat, zumal gerade bei Amtsgerichten die Befürchtung zu besorgen ist, dass die „besonderen Umstände“ fehlerhaft zu hoch angesetzt werden. Im Hinblick auf die Rechtsprechung des BGH muss im Rahmen der Verteidigung auf die Durchführung einer Sozialprognose gedrängt werden – je nach Einschätzung in der konkreten Situation noch im laufe der Verhandlung, oder eben erst im Zuge des Rechtsmittels, wenn das Gericht diesen Aspekt in der Urteilsbegründung übersehen hat.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften. Dabei bin ich fortgebildet in Krisenkommunikation und Compliance.

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