Der Kampf um Bewährungen ist etwas ganz Besonderes: Selten geht es so sehr um den Einzelfall und den konkreten Menschen mit all seinen Fehlern und Hoffnungen, wie in dem Moment, in dem ein Gericht entscheiden muss, ob es (noch einmal) eine Bewährung gibt.
Üblicherweise liegt die Herausforderung darin, eine dritte Bewährung zu erreichen. Eher selten ist die zweite Bewährung (wenn man nicht in Süddeutschland ist) besonders kritisch, solange man weiß, wie man sich zu entwickeln hat bis zur Entscheidung. Ein ganz spezieller Fall hat mich nun eines Besseren belehrt.
Worum ging es
Es ging um ein Fahren ohne Fahrerlaubnis. Zum Zeitpunkt der Verhandlung beim AG lief eine Bewährung im Hintergrund, diverse andere Bewährungen fanden sich im BZR, mal abgesessen (weil geplatzt) mal durchgestanden.
Beim AG gab es natürlich keine Bewährung, zum LG wurde dann etwas an der Person gearbeitet. Leider hatte der Mandant Lust, unmittelbar nach der Verhandlung beim AG wieder Auto zu fahren, es gab ein weiteres Verfahren (das ohne mich lief), von dem ich dann in der Verhandlung beim LG hörte.
Wie lief die Berufung
Tja, wie soll so eine Berufung schon laufen: „Wo soll die Bewährung jetzt noch herkommen“ fragt man sich da – und genau das fragte mich die Vorsitzende nach Zwischenberatung ganz offen in der Berufungshauptverhandlung. Wir wurden ausdrücklich aufgefordert, die Berufung zurückzunehmen, weil „es hier und heute keine Bewährung geben wird“.
Wir nahmen nicht zurück, da wir mit der Hauptverhandlung durch waren, gab es danach nur noch die Plädoyers. Ich plädierte ca. 10 Minuten und es gab, Überraschung, die Bewährung.
Wie ich das gemacht habe: Da ich Zauberstab und Bene-Gesserit-Stimme zu Hause vergessen hatte, gab es nur eines, nämlich echte Kommunikation. Ich meine nicht Rhetorik (gut, die spielt auch eine Rolle), sondern handfestes Kommunizieren nach Regeln, die man in Handbüchern findet – was ich jetzt seit Jahren parallel zum Beruf fortwährend lerne. Eine Formel gibt es nicht, ich kann nicht sagen „tu dies, dann klappt es“. Ich kann nur Kollegen und Kolleginnen ermuntern, sich hier ebenfalls fortzubilden. Neben Konkurrenzen und Beweismittellehre ist es das wichtigste Spielfeld der Verteidigung.
Weiter geht es: Rechtsmittel der StA
Die STA hatte natürlich Revision eingelegt: Solche Rechtsmittel machen mich nicht sonderlich nervös, ich fange mir die regelmäßig ein, wenn ich in der Berufung mit der Bewährung nach Hause gehe und bin entsprechend geübt.
Die OLG-Rechtsprechung ist wirklich eindeutig, was Revisionen gegen ausgesprochene Bewährungen angeht. Auf meinen kurzen Schriftsatz, in dem die Rechtsprechung verständlich dargelegt wird und flugs wurde zurückgenommen. Die Kosten wurde der Staatskasse auferlegt.
Der Kampf um Bewährungen ist Arbeit!
Ich sage es schon auf meiner Seite zum Thema Bewährungen: Man bekommt keine Bewährung geschenkt! Und wer glaubt, nur weil er (oder sie) sich den richtigen Anwalt nimmt hat man die Bewährung schon in der Tasche, genauso jemand verliert auf jeden Fall.
Der Kampf um die Bewährung beginnt immer mit der Arbeit am Mandanten. Wer uneinsichtig ist, nicht an sich arbeitet und nicht zuhört, der hat keine Chance. Die Bewährung ist eine Chance, kein Wegsehen der Justiz, damit man weiter Straftaten begehen kann. Die Kombination aus gekonnter Kommunikation und einem (harten) Arbeiten am Mandanten rettet am Ende Bewährungen, an die man vorher nicht glauben konnte. Doch der Weg dahin ist und bleibt die Einsicht des Mandanten, dass es so nicht weitergehen kann.
Dämliche Delikte …
Dabei sind es vor allem die wirklich dümmlichen Delikte, die den Kampf um Bewährungen erst notwendig machen. Es ist außergewöhnlich, dass jemand mit etwas Gravierendem vor mir sitzt der um eine Bewährung kämpft; meistens geht es um kleinere Delikte, bei denen man sagen muss, dass es schlicht unnötig war.
Absoluter Platz Nr. 1 hierbei: Das Fahren ohne Fahrerlaubnis! Aus irgendeinem Grund können viele nicht die Finger davon lassen.
Ich persönlich glaube, gerade weil es ein niedrigschwelliges Delikt ist, denken viele, dass dafür ohnehin nichts passiert. Doch weit gefehlt: In der Tat hat nach meiner Erfahrung wirklich gar kein Richter Lust darauf, jemanden wegen „Fahren ohne“ oder wegen Schwarzfahrens in den Knast zu stecken. Doch wenn man es nur lange genug ausreizt passiert auch genau das.
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