Bedingt vorsätzliches Handeln bei Tötungsdelikten

In der Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH, 2 StR 176/24) vom 6. November 2024 ging es um die Frage, ob ein Angeklagter, der in einer konfliktreichen Situation mit erheblicher Gewalt vorging, mit bedingtem Tötungsvorsatz handelte. Der Angeklagte war aufgrund einer Intelligenzminderung und Alkoholisierung kognitiv eingeschränkt, was die Bewertung des subjektiven Tatbestands erschwerte.

Kernpunkte der Entscheidung

  1. Definition bedingten Tötungsvorsatzes
    Bedingter Vorsatz liegt vor, wenn der Täter den Tod des Opfers als mögliche Folge seines Handelns erkennt (Wissenselement) und diesen Erfolg billigend in Kauf nimmt oder sich um eines Zieles willen mit ihm abfindet (Willenselement).
  2. Indikatoren für Vorsatz
    Bei der Bewertung, ob ein Täter bedingt vorsätzlich handelte, spielen folgende Faktoren eine Rolle:
    • Objektive Gefährlichkeit der Handlung: Gewaltintensität, Anzahl und Zielrichtung der Verletzungen.
    • Psychische Verfassung des Täters: Zum Beispiel seine Fähigkeit, die Folgen seines Handelns zu erkennen.
    • Motivationslage und spezifische Umstände: Etwa Wut oder Affekthandlungen.
    • Gesamtschau aller Umstände: Keine isolierte Betrachtung einzelner Faktoren.
  3. Anwendung im konkreten Fall
    Der Angeklagte fügte dem Opfer 14 tiefe Stichverletzungen zu, die lebenswichtige Blutgefäße durchtrennten. Trotz der hohen Gefährlichkeit der Tat verneinte das Gericht den bedingten Tötungsvorsatz.
    • Aufgrund seiner erheblichen Intelligenzminderung und Alkoholisierung konnte der Angeklagte die Möglichkeit des Todes nicht mit der erforderlichen Sicherheit erkennen.
    • Er war zudem nicht in der Lage, zwischen den Verletzungen, den Schreien des Opfers und der Todesgefahr eine gedankliche Verknüpfung herzustellen.
  4. Würdigung des Urteils durch den BGH
    Der BGH bestätigte, dass die Annahme eines bedingten Vorsatzes sorgfältig geprüft und nachvollziehbar ausgeschlossen wurde. Die Feststellung des Landgerichts, dass der Angeklagte nicht vorsätzlich, sondern mit Körperverletzungsvorsatz handelte, hielt der revisionsrechtlichen Überprüfung stand.

Fazit

Diese Entscheidung unterstreicht, wie bedeutsam die individuelle Prüfung des Vorsatzes bei Tötungsdelikten ist, insbesondere bei Tätern mit kognitiven oder psychischen Einschränkungen. Der BGH verdeutlichte, dass selbst bei objektiv höchst gefährlichen Tathandlungen die subjektive Einsichts- und Steuerungsfähigkeit des Täters entscheidend bleibt.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften. Dabei bin ich fortgebildet in Krisenkommunikation und Compliance.

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