BEA im Strafverfahren

Zum 1.1.22 tritt bekanntlich die aktive Nutzungspflicht des BEA für Anwälte in Kraft – während man sich hierbei stark auf zivilprozessuale Fragen konzentriert, dümpelt das Strafverfahren ein wenig vor sich hin. Dabei gilt hier besonderes Augenmerk, da im Strafverfahren (wohl) eine geminderte BEA-Nutzungspflicht bestehen wird.

Grundsatz: Kein BEA-Zwang aber mit wichtigen Ausnahmen

Grundlegende Norm ist der zum 1.1.22 in Kraft tretende §32d StPO, der im Satz 1 bereits lediglich eine „Soll-Vorgabe“ vorsieht:

Verteidiger und Rechtsanwälte sollen den Strafverfolgungsbehörden und Gerichten Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen als elektronisches Dokument übermitteln.

Erst danach werden einzelne Ausnahmen definiert, es gibt also keinen grundsätzlichen Zwang im Strafverfahren.

Volltext des §32d StPO

Verteidiger und Rechtsanwälte sollen den Strafverfolgungsbehörden und Gerichten Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen als elektronisches Dokument übermitteln. Die Berufung und ihre Begründung, die Revision, ihre Begründung und die Gegenerklärung sowie die Privatklage und die Anschlusserklärung bei der Nebenklage müssen sie als elektronisches Dokument übermitteln. Ist dies aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich, ist die Übermittlung in Papierform zulässig. Die vorübergehende Unmöglichkeit ist bei der Ersatzeinreichung oder unverzüglich danach glaubhaft zu machen; auf Anforderung ist ein elektronisches Dokument nachzureichen.

Wichtige Ausnahme: Berufung und Revision

In §32d Satz 2 StPO werden dann aber die Ausnahmen definiert und man merkt schnell, dass die zwei klassischen Rechtsmittel von der BEA-Nutzung erfasst sind, so sind zwingend per BEA einzureichen:

  • Berufung und ihre Begründung
  • Revision und ihre Begründung
  • die Gegenerklärung (zur Revision)
  • Privatklage
  • Anschlusserklärung bei der Nebenklage

Zugleich zeigt sich, dass ein essenzieller Teil des strafprozessualen Alltags (noch) ausgeklammert ist, dabei spielt gerade dort die Frist eine erhebliche Rolle: Der Einspruch gegen den und die sofortige Beschwerde spielten in den Gedanken des Gesetzgebers wohl keine herausragende Rolle.

Weitere wichtige Regelungen

Im Übrigen gelten die bekannten BEA-Regeln: Wenn das BEA ausgefallen ist, kann man schriftlich einreichen, muss aber am besten sofort, jedenfalls unverzüglich glaubhaft machen, warum man schriftlich eingereicht hat. Schon jetzt sollte man den §32a StPO gelesen haben; über §32a Abs.2 StPO kommt die Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung (ERVV) mit ihren Vorgaben zur Übermittlung des Dokuments zur Anwendung – und behördenintern spielen zusätzlich die Bundesstrafaktenführungsverordnung (BStrafAktFV) sowie die Landesverordnungen (in NRW: eAkten-Verordnung Strafverfahren – eAktVO Straf) mit.

Was es nicht gibt: Regeln zu digitalen Beweismitteln

Strafverteidiger sollten mit offenen Augen sehen, dass der Gesetzgeber – erneut – auf niedrigem Niveau scheitert. Anders als im Zivilprozess sind wir bekanntlich mit übermächtigen Ermittlern konfrontiert, die nach Gusto Umstände zu Beweisen erklären und diese (selektiv) zur Akte nehmen. Die Frage des Umgangs mit digitalen Beweismitteln drängt sich dabei auf – bemerkenswert ist, dass man dazu kaum etwas findet.

In der NRW-Verordnung etwa nur in §3 Abs.2, wo man liest:

Es ist sicherzustellen, dass in der elektronischen Akte alle Bearbeitungsvorgänge nachvollzogen werden können. Es ist insbesondere sicherzustellen, dass nachvollzogen werden kann, welche Stelle die Akte zu welchem Zeitpunkt bearbeitet hat.

Das wirkt eingängig – kratzt aber nicht einmal an der Oberfläche. So ist (weiterhin) vollkommen ungeregelt, wie mit Meta-Daten umzugehen ist. Wenn etwa Ermittler selber Fotografien anlegen, sollte geregelt sein, dass sichergestellt ist, dass nun einmal vorhandene EXIF-Daten bei Einspeisung ins System zwingend erhalten bleiben.

Auch ist nicht wenigstens übergangsweise vorgesehen, dass in der Aktenführung sichergestellt sein muss, dass im Nachhinein keine Änderungen vorgenommen werden. Da der Staat ansonsten bei papierloser Dokumentation den Unternehmen vorgibt, dass die Unveränderbarkeit von Aufzeichnungen gewährleistet sein muss (siehe dazu GoBD), muss man hier von einem vorsätzlichem Agieren des Gesetzgebers ausgehen, der die Möglichkeit nachträglichen Verändern von Ermittlungsakten bewusst schaffen will. Dabei wäre es kein Problem dies zu regeln, denn die digitale sieht vor, dass man nicht Zugriff auf den originären Datenbestand erhält, sondern auf ein von der jeweiligen Stelle zu kreierendes „Repräsentat“, so dass eine – etwa im nach §147 Abs.2 StPO – beschränkte Akteneinsicht problemlos möglich wäre. Insgesamt darf man wohl konstatieren, dass viel Arbeit vor uns Strafverteidigern liegt, vor allem wenn es darum geht, von Gesetzgeber und Gerichten zu verlangen, dass man uns zuhört auf dem Weg in den digitalen Rechtsstaat. Von dem wir uns seit einiger Zeit leider immer mehr entfernen.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

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