Auskunftsansprüche nach dem TTDSG

Das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht (9 Wx 23/21) konnte sich als wohl erstes OLG zu den Auskunftsansprüchen nach dem Telekommunikation-Telemedien--Gesetz () äussern. Dabei hebt es hervor, was schon frühzeitig klar wurde: Der – als Spezialgesetz vorrangige – nach § 21 TTDSG umfasst ausschließlich Bestandsdaten, nicht aber die Nutzungsdaten.

Wer also gegen einen Schädiger vorgehen möchte, etwa mit einem Auskunftsanspruch gegenüber einer Social-Media-Plattform, wird nur im Zuge einer agieren können (dazu auch meine Kommentierung im BeckOK-, §22 TTDSG Rn. 5 sowie §24 TTDSG Rn. 4/5).

So führt das OLG kurz und zutreffend aus, warum eine Auskunft nur hinsichtlich Bestandsdaten erfolgen kann und dass die bisher unbekannte hiervon nicht erfasst ist:

Allerdings umfasst die Auskunft nur die bei der Beteiligten zu 2) vorhandenen Bestandsdaten, nicht aber die Nutzungsdaten. Bestandsdaten sind nach der Legaldefinition in § 2 Abs. 2 Nr. 2 TTDSG die personenbezogenen Daten, deren Verarbeitung zum Zweck der Begründung, inhaltlichen Ausgestaltung oder Änderung eines Vertragsverhältnisses zwischen dem Anbieter von Telemedien und dem Nutzer über die Nutzung von Telemedien erforderlich ist. Dazu gehören Name, E-Mail-Adresse und Telefonnummer des Nutzers, nicht aber die IP-Adressen, von denen aus die Inhalte hochgeladen wurden. Dieses sind Nutzungsdaten im Sinne der Legaldefinition des § 2 Abs. 2 Nr. 3 TTDSG, wonach Nutzungsdaten die personenbezogenen Daten eines Nutzers von Telemedien [sind], deren Verarbeitung erforderlich ist, um die Inanspruchnahme von Telemedien zu ermöglichen und abzurechnen.

Der Anspruch der Antragstellerin umfasst daher nicht die von ihr unter Ziffern a) und d) verlangte Auskunft über die beim Zugriff auf den Account genutzten IP-Adressen. Auch eine analoge Anwendung des § 21 Abs. 2 TTDSG auf Nutzungsdaten kommt vorliegend nicht in Betracht, da eine dafür erforderliche planwidrige Regelungslücke nicht ersichtlich ist. Denn das Auskunftsverfahren in Bezug auf Nutzungsdaten ist aktuell in § 24 TTDSG geregelt, ohne dass – wie noch in der Vorgängernorm § 15 Abs. 5 Satz 3 TMG a.F. – auf das für Bestandsdaten geltende Auskunftsverfahren verwiesen wird. Vielmehr ist die Auskunft über Nutzungsdaten gemäß § 24 Abs. 3 TTDSG nur gegenüber den in diesem Absatz genannten Stellen zulässig. Zwar enthält die Gesetzesbegründung keine Erläuterung, warum die nach bisherigem Recht vorgesehene Auskunftsmöglichkeit nun nicht mehr vorgesehen ist, dies reicht jedoch nicht aus, um von einem bloßen redaktionellen Versehen des Gesetzgebers oder einer planwidrigen Regelungslücke auszugehen. Vielmehr existiert aktuell keine Rechtsgrundlage für Nutzungsdaten betreffende Auskunftsansprüche von Privatpersonen gegenüber Telemedienanbietern. Insoweit bleibt den Betroffenen nur der Weg über eine Strafanzeige.

Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, 9 Wx 23/21

Die neue Rechtslage ist damit ein Rückschritt der Rechtsdurchsetzung, der alte §14 Abs.3, 4 TMG war insoweit „aufgebohrt“ wurden, als das man bei bestimmten Rechtsverletzungen einen unmittelbaren Anspruch hatte. Nun wieder, wie vor Jahren üblich, Strafanzeigen zu stellen und zu hoffen, dass die Ermittler die IP-Adresse zuordnen können, um dies nach dann zivilrechtlich weiterzunutzen, wird schon wegen der langsamen Arbeitsabläufe oft scheitern.


Am Rande stellt das OLG klar, dass man entgegen einer in der Literatur vertretenen Auffassung keine Bedenken in Bezug auf die Vereinbarkeit des § 21 TTDSG mit den Normen der Datenschutzgrundverordnung hat:

Vielmehr folgt der Senat insoweit der Auffassung des Bundesgerichtshofs, wonach es sich bei § 21 TTDSG (bzw. der Vorgängernorm § 14 TMG a.F.) um eine Rechtsvorschrift im Sinne des Art. 6 Abs. 4 DSGVO handelt (BGH, Beschluss vom 24. September 2019 – VI ZB 39/18, juris Rn. 40 ff.). Das sind Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten, die in einer demokratischen Gesellschaft eine notwendige und verhältnismäßige Maßnahme zum Schutz der in Art. 23 Abs. 1 DSGVO genannten Ziele darstellen. § 21 Abs. 2 TTDSG dient der Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche und verfolgt damit ein in Art. 23 Abs. 1 Buchstabe j DSGVO genanntes Ziel, das mitgliedsstaatliche Rechtsvorschriften erlaubt, die die Pflichten und Rechte aus Art. 12 bis 22 und 34 DSGVO beschränken. Die Regelung des Auskunftsanspruchs ist auch eine in einer demokratischen Gesellschaft notwendige und verhältnismäßige Maßnahme zum Schutz dieses Ziels, so dass sie die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 4 DSGVO erfüllt (BGH, aaO, Rn. 40).

Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, 9 Wx 23/21
Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

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