Ausblick: Netzwerkdurchsetzungsgesetz

Lange stand es im Raum, nun im März 2017 wurde es (plötzlich) bekannt gegeben: Der Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken (). Mit diesem soll zielgerichtet auf Betreiber sozialer Netzwerke eingewirkt werden, damit diese rechtswidrige Inhalte unterbinden.

Hinweis: Die Materialien zum Netzwerkdurchsetzungsgesetz finden sich hier

Anwendungsbereich des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes

Der Anwendungsbereich ist ausdrücklich auf soziale Netzwerke festgelegt:

Dieses Gesetz gilt für Telemediendiensteanbieter, die mit Gewinnerzielungsabsicht Plattformen im Internet betreiben, die es Nutzern ermöglichen, beliebige Inhalte mit anderen Nutzern auszutauschen, zu teilen oder der Öffentlichkeit zugänglich zu machen (soziale Netzwerke). Plattformen mit journalistisch-redaktionell gestalteten Angeboten, die vom Diensteanbieter selbst verantwortet werden, gelten nicht als soziale Netzwerke im Sinne dieses Gesetzes.

Es sind also Diskussionsmöglichkeiten oder reine Kommentarmöglichkeiten auf redaktionell gefassten Seiten ausgeschlossen. Doch genau hier kann schon erste Kritik ansetzen: Warum nämlich ausgerechnet die Betreiber sozialer Netzwerke so besonders hervorgehoben sind ist gar nicht mal so zwingend zu erkennen. Durchaus kritisch gestimmt kann man hier durchaus sein, letztlich dürften sich aber Argumente auf Grund der Verbreitung finden lassen, auch wenn man durchaus Fragen kann, warum auf einer exorbitant gut besuchten Seite eines Nachrichtenmediums zielgerichtet und hartnäckig verbreitete falsche Inhalte in Kommentaren weniger Schaden verursachen sollen als auf Facebook.

Rechtswidrige Inhalte

Jedenfalls wenn dann ein rechtswidriger Inhalt gemeldet wird – das Gesetz sieht die Einrichtung eines transparenten Melde- und Beschwerdemanagements vor – muss der Anbieter reagieren. Bei offensichtlich rechtswidrigen Inhalten innerhalb von 24h, ansonsten innerhalb von 7 Tagen. Bei Verstößen in diesem Bereich, sei es beim Vorhalten des Beschwerdesystems aber auch beim fristgerechten Löschen, droht ein Bußgeld im Zuge eines Ordnungswidrigkeitenverfahrens.

Spannend ist nun die Frage, was eigentlich ein „rechtswidriger Inhalt“ sein soll. Dies definiert das Gesetz wie Folgt:

Rechtswidrige Inhalte sind Inhalte im Sinne des Absatzes 1, die den Tatbestand der §§ 86, 86a, 90, 90a, 111, 126, 130, 140, 166, 185 bis 187, 241 oder 269 des Strafgesetzbuchs erfüllen.

Das ist der wirklich spannende Teil. Man kann hier bereits massive Kritik üben, weil einerseits auf die Umsetzung eines Straftatbestands abgestellt wird, was eigentlich ein objektives Fakt ist. Da aber das dann verwirklicht ist, wenn der Vorwurf des nicht rechtzeitigen Löschens im Raum steht, obliegt den privaten Plattformbetreibern die Pflicht zur Prüfung und Entscheidung, ob ein strafrechtlicher Tatbestand erfüllt ist. Die Bewertung des strafbaren Verhaltens wird damit in die Sphäre der Plattformanbieter verschoben, die durch die Betroffenen recht unkontrolliert Beschwerden nachgehen müssen. Da in jedem Fall ein Bußgeld droht, ist schon jetzt davon auszugehen, dass die Unternehmen im Zweifelsfall eher löschen. Damit wird der Grundsatz des Bundesverfassungsgerichts, dass im Zweifelsfall für die zu streiten ist, komplett verkehrt. Und gerade im Hinblick auf die herausragende Bedeutung die im digitalen Zeitalter den sozialen Plattformen für Meinungsbildung und Verbreitung zukommt, wäre es eher Aufgabe des Staates hier die freie Meinungsbildung zu sichern, denn sie derart gefährden zu lassen. Schutz- oder Kontrollmechanismen zum Schutz der Meinungsfreiheit gibt es nicht, insbesondere kein zwingend vorgesehenes Beschwerdesystem für von Löschungen betroffene User.

Kritik am Netzwerkdurchsetzungsgesetz

Zutreffend ist auch die von Härting geübte Kritik, dass der Katalog der Straftaten eher durchmischt und schwer nachvollziehbar ist. So ist für mich beim besten Willen nicht mehr nachvollziehbar, warum ausgerechnet die wichtigen §§201a, 203 StGB, bei denen Betroffene derzeit relativ Schutzlos Rechtsbrüchen ausgesetzt sind, kein Schutz geboten wird – wohl aber für derartige Bagatelldelikte wie eine . Dabei ist die Offenkundigkeit von Rechtsbrüchen gerade bei den §§201a, 203 StGB sehr viel leichter nachprüfbar.

Kritisch sehe ich auch, dass der §269 StGB aufgenommen wurde. Dies vor allem, weil – je nach den Umständen – bereits das Registrieren unter falschen Daten eine strafbare sein kann (dazu nur Kammergericht, (4) 1 Ss 181/09 (130/09), hier etwa bei mir). Es besteht damit durchaus das Risiko, dass „Fake-Accounts“, die eigentlich dem Schutz von Daten dienen sollen, entgegen dem Grundsatz anonymer Nutzung (§13 Abs.6 TMG) plötzlich auf Zuruf gelöscht werden um Bußgelder zu vermeiden. Auch dies ist durchaus kritisch zu sehen.

Zustellbevollmächtigter

Ein grundsätzlich sinnvoller Ansatz ist dagegen, dass vorgesehen ist, dass ein Zustellbevollmächtigter zu benennen ist:

Anbieter sozialer Netzwerke haben für Zustellungen in Bußgeldverfahren nach diesem Gesetz gegenüber der Verwaltungsbehörde, der Staatsanwaltschaft und dem zuständigen Gericht, sowie in zivilgerichtlichen Verfahren gegenüber dem zuständigen Gericht einen inländischen Zustellungsbevollmächtigten unverzüglich zu benennen. Für Auskunftsersuchen einer inländischen Strafverfolgungsbehörde ist eine empfangsberechtigte Person im Inland zu benennen.

Allerdings frage ich mich, ob derjenige der das verfasst hat, jemals in seinem Leben eine verfasst hat: Wenn ich eine Klage verfasse muss ich diese bei Gericht einreichen, dass dann die Zustellung an die Gegenseite vornimmt. Wenn nun in einem „zivilgerichtlichen Verfahren gegenüber dem zuständigen Gericht“ die Benennung des Zustellbevollmächtigten erfolgen muss, setzt dies begrifflich erst nach der Klageerhebung an. Ich verklage also ein Unternehmen, dass den Zustellbevollmächtigten erst nach Klageerhebung benennen muss, somit die Voraussetzungen der gewollten inländischen Zustellung erst nach Klageerhebung schafft. Wie das praktisch funktionieren soll erschliesst sich mir derzeit nicht. Ebenso wenig, warum heute jeder minimale Zusatzeintrag als Impressumspflicht geregelt ist, diese sinnvolle Ergänzung dann aber nicht kurzerhand als Impressumspflicht normiert werden kann. Erleichterte Rechtsdurchsetzung für Betroffene bleibt da weiterhin frommes Ziel, nicht aber mögliches Ergebnis – ganz abgesehen davon, dass die wichtigen §§201a, 203 StGB vollständig fehlen.

Letztlich ist das Gesetz eine massive Gefährdung der Meinungsbildung, ein einseitiges Instrument damit der Staat zielgerichtet und autoritär durch Bußgelder Einfluss auf Meinungsplattformen nehmen kann – nicht aber die Stärkung Betroffener, die der Gesetzgeber hier weiterhin in ihren verletzten Rechten alleine lässt.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

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