Leider ist es keine Seltenheit: Ein Bewerber meldet sich auf eine Stellenanzeige – aber nicht, um die ausgeschriebene Stelle zu erhalten, sondern alleine um den formalen Status eines Bewerbers iSv. § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG zu erlangen. Natürlich mit dem ausschließlichen Ziel, eine Entschädigung im Sinne des AGG geltend zu machen.
Aber: Sowohl ein Entschädigungsverlangen eines erfolglosen Bewerbers nach § 15 Abs. 2 AGG als auch sein Verlangen nach Ersatz des materiellen Schadens können dem durchgreifenden Rechtsmissbrauchseinwand (§ 242 BGB) ausgesetzt sein. In einem solchen Fall kann dann dahinstehen, ob der angebliche Bewerber den potentiellen Arbeitgeber entgegen den Vorgaben des AGG benachteiligt hat (so Bundesarbeitsgericht, 8 AZR 562/16)
AGG-Anspruch kann rechtsmissbräuchlich erhoben sein
Sowohl ein Entschädigungsverlangen eines erfolglosen Bewerbers auf Grundlage des AGG als auch sein Verlangen nach Ersatz des materiellen Schadens können dem durchgreifenden Rechtsmissbrauchseinwand (§ 242 BGB) ausgesetzt sein, wie das Bundesarbeitsgericht ausdrücklich klarstellt:
Rechtsmissbrauch ist anzunehmen, sofern diese Person sich nicht beworben hat, um die ausgeschriebene Stelle zu erhalten, sondern es ihr darum ging, nur den formalen Status als Bewerber/in iSv. § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG zu erlangen mit dem ausschließlichen Ziel, Ansprüche auf Entschädigung und/oder Schadensersatz geltend zu machen (…) Nach § 242 BGB sind durch unredliches Verhalten begründete oder erworbene Rechte oder Rechtsstellungen grundsätzlich nicht schutzwürdig. Der Ausnutzung einer rechtsmissbräuchlich erworbenen Rechtsposition kann demnach der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegenstehen (…)
Bundesarbeitsgericht, 8 AZR 562/16
Beweislast für Rechtsmissbrauch bei AGG-Ansprüchen trifft Arbeitgeber
Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen, die den Einwand des Rechtsmissbrauchs begründen, trägt nach den allgemeinen Regeln der Verteilung der Darlegungs- und Beweislast derjenige, der diesen Einwand geltend macht! Das bedeutet, Arbeitgeber müssen vortragen und beweisen, dass und warum ein rechtsmissbräuchliches Verhalten vorlag. Da dies naturgemäß schwierig ist, gibt es hier inzwischen auch eine durchaus brauchbare Rechtsprechung zu Indizien, die man heran ziehen kann. Insbesondere kann das Bewerbungsschreiben herangezogen werden: Wenn eine Würdigung des Inhalts des Bewerbungsschreibens ergibt, dass der angebliche Interessent es geradezu auf eine Absage des Arbeitgebers angelegt, mithin eine Absage provoziert hat, spricht dies für ein rechtsmissbräuchliches Vorgehen.
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