Klage auf Abgabe von Wissens- und Willenserklärungen im Arbeitsrechtsprozess

Auch im Arbeitsverhältnis kann auf die Abgabe einer Erklärung geklagt werden – wenn man darauf angewiesen ist, dass etwa der Arbeitgeber eine zustimmende Erklärung abgibt und dieser sich weigert. Hintergrund ist, dass mit § 241 Abs. 2 BGB jede Partei nach dem Inhalt des Schuldverhältnisses zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen ihres Vertragspartners verpflichtet sein wird.

Anspruch auf Abgabe von Willenserklärung des Arbeitgebers

Der Arbeitgeber ist basierend hierauf, mit der Rechtsprechung des BAG, gehalten, die im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehenden Interessen des Arbeitnehmers so zu wahren, wie dies unter Berücksichtigung der Interessen und Belange beider Vertragsparteien nach Treu und Glauben verlangt werden kann. Die Schutz- und Rücksichtnahmepflicht des Arbeitgebers gilt auch für die Vermögensinteressen der  (BAG, 3 AZR 179/16). Dies führt im Ergebnis zu der im Raum stehenden Verpflichtung des Arbeitgebers, bei der Wahrung oder Entstehung von Ansprüchen seiner Arbeitnehmer mitzuwirken, die diese gegenüber Dritten erwerben können (BAG, 8 AZR 444/08). Diese Rücksichtnahmepflicht kann es im Ausnahmefall einer Vertragspartei auch gebieten, die Interessen der anderen aktiv gegenüber Dritten wahrzunehmen (BGH, VIII ZR 220/11).

Im Arbeitsrecht gelten diese Rücksichtnahmepflichten hinsichtlich abzugebender Erklärungen mit folgenden konkreten Ergänzungen:

  • Ausschließlich private Vermögensinteressen des Arbeitnehmers sind nicht zu berücksichtigen (BAG, 3 AZR 586/16 und 9 AZR 598/04).
  • Nicht vom Arbeitgeber ist zu verlangen, die Belange des Arbeitnehmers unter Hintanstellung eigener schutzwürdiger Belange durchzusetzen (BAG, 1 AZR 367/15).
  • Es ist das Grundrecht auf zu berücksichtigen, also auch eine Meinung nicht zu haben, nicht zu äußern, insoweit zu schweigen und nicht gezwungen zu werden, sich eine fremde Meinung als eigene zurechnen lassen oder verbreiten zu müssen (BAG, 10 AZR 69/18).
  • Es gibt kein schutzwürdiges Interesse des Arbeitnehmers auf Behauptung falscher Tatsachen durch den Arbeitgeber gegenüber Dritten (BAG, 10 AZR 69/18).

Prozessuales zum Klageantrag bei Klage auf Abgabe einer Willenserklärung im Arbeitsgerichtsprozess

Allgemein gilt, dass entsprechend § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO die Klageschrift die bestimmte Angabe des Gegenstands und des Grundes des erhobenen Anspruchs sowie einen bestimmten Antrag enthalten muss. Der und der Umfang der gerichtlichen Prüfungs- und Entscheidungsbefugnis müssen bekanntlich klar umrissen sein (BAG, 9 AZR 70/07). Für die auf Abgabe einer Willenserklärung erfordert dieses Bestimmtheitsgebot, dass der beantragte Entscheidungsausspruch keine Zweifel darüber lässt, ob die gesetzliche Fiktion eingetreten ist (BAG, 9 AZR 120/16). Das heisst, der Kläger muss eindeutig festlegen, welche Entscheidung er begehrt:

Er hat den Streitgegenstand so genau zu bezeichnen, dass der Rahmen der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis (§ 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO) keinem Zweifel unterliegt und die eigentliche Streitfrage mit Rechtskraftwirkung (§ 322 Abs. 1 ZPO) zwischen den Parteien entschieden werden kann (vgl. BAG 18. Mai 2011 – 5 AZR 181/10 – Rn. 10 mwN). Ein auf Abgabe einer Willenserklärung gerichteter Antrag ist nur dann bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, wenn er so gefasst ist, dass der Inhalt der nach § 894 Satz 1 ZPO fingierten Erklärung klar ist. Zur Ermittlung des Inhalts einer mit der Klage erstrebten Willenserklärung können – wie auch bei anderen auslegungsbedürftigen Klageanträgen – die Klagebegründung und das schriftsätzliche Vorbringen des Klägers herangezogen werden. Geht es um den Abschluss eines Arbeitsvertrags, muss die nach der speziellen Vollstreckungsregel des § 894 Satz 1 ZPO als abgegeben geltende Willenserklärung den für eine Vertragseinigung notwendigen Mindestinhalt umfassen (BAG 13. Juni 2012 – 7 AZR 169/11 – Rn. 20).

BAG, 10 AZR 69/18

Ein Klageantrag ist problemlos auf die Abgabe einer Willenserklärung gerichtet, wenn sich schon aus seinem klaren Wortlaut ergibt, dass er die „Abgabe einer Willenserklärung“ zum Inhalt hat (zur Bedeutung des Wortlauts bei er Auslegung eines Antrags siehe auch BAG, 9 AZR 702/13). Dabei ist ein Antrag zulässig und bestimmt, der auf die Annahme eines Vertragsergänzungsangebots gerichtet ist und dabei auf einen in der Anlage beigefügten „Formulierungsvorschlag“ Bezug nimmt (BAG, 10 AZR 69/18).

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

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