Aufrechnung des Arbeitgebers mit Lohnansprüchen des Arbeitnehmers

Kurze Hinweise zur Aufrechnung des Arbeitgebers mit Lohnforderungen des Arbeitnehmers.

Aufrechnung des Arbeitgebers: Arbeitgeber möchten gerne im Streitfall angefallene Forderungen mit noch ausstehendem Arbeitslohn des Arbeitnehmers verrechnen (genauer: Aufrechnen). Hier gilt aber mit §394 BGB ein Aufrechnungsverbot, das häufig ärgerlich sein kann – etwa wenn der Straftaten begangen hat und Schadensersatzansprüche im Raum stehen.

Aufrechnung im Arbeitsverhältnis

Mit § 394 S.1 BGB kann gegen Arbeitseinkommen aufgerechnet werden, soweit dieses der Pfändung unterliegt. Gemäß § 850 Abs. 1 ZPO ist Arbeitseinkommen nach Maßgabe der §§ 850a bis l ZPO pfändbar. Nach § 850e Ziffer 1 S. 1 ZPO sind bei der Berechnung des pfändbaren Einkommens die Beträge, die unmittelbar aufgrund sozialversicherungsrechtlicher und steuerrechtlicher Vorschriften zur Erfüllung gesetzlicher Verpflichtungen des Schuldners abzuführen sind, nicht mitzurechnen. Der Arbeitgeber kann daher regelmäßig nur gegen den entsprechenden Nettolohnanspruch des Arbeitnehmers aufrechnen. Dies gilt auch deshalb, weil die Frage des Bestehens einer schuldrechtlichen Grundlage für eine Zahlung grundsätzlich unabhängig von der Frage zu beurteilen ist, auf welcher Rechtsgrundlage Steuern und Beiträge abgeführt worden sind:

Ein schuldrechtlicher Rückforderungsanspruch des Arbeitgebers im Hinblick auf eine ggf. ohne Rechtsgrund erbrachte Zahlung begründet nicht gleichermaßen und ohne weiteres eine Erstattungspflicht des Arbeitnehmers im Hinblick auf die durch den Arbeitgeber abgeführten Steuern und Beiträge (BAG 24. Oktober 2000 – 9 AZR 610/99; BAG 13. November 1980 – 5 AZR 572/78; im Übrigen zum Brutto- bzw. Nettorückforderungsanspruch des Arbeitgebers umfassend: Linck in: Schaub-Arbeitsrechtshandbuch, 18. Auflage 2019, § 73 Rdn. 9 und § 74, Rdn. 5 ff.; ErfK/Preis, 20. Aufl. 2020, § 611a BGB, Rdn. 450). Darüber hinaus legt § 850c Abs. 1 ZPO einen unpfändbaren Grundbetrag des Nettoverdienstes zur Sicherung des Existenzminimums des Arbeitnehmers und seiner unterhaltsberechtigten Familienangehörigen fest. Für den Teil des Arbeitseinkommens, der diesen Grundbetrag übersteigt, gelten die weiteren Pfändungsbeschränkungen des § 850c Abs. 2 ZPO (LAG Düsseldorf 2. Juni 2004 – 12 Sa 361/04).

Landesarbeitsgericht Hamm, 6 Sa 912/19

Positives Beispiel einer Aufrechnung

Hier sollten sich Arbeitgeber nicht verunsichern lassen, die Rechtsprechung hilft hier durchaus, wie etwa das Landesarbeitsgericht Mainz (3 Sa 520/13) demonstriert:

Der Anspruch der Klägerin ist aber durch Aufrechnung gemäß §§ 389, 387 f, 394 BGB erloschen wegen der von der Beklagten geltend gemachten Schadensersatzansprüche. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts ist die Aufrechnung nicht deshalb unzulässig, weil sie gegen das Aufrechnungsverbot des § 394 Satz 1 BGB verstößt. Denn die Berufung auf das Aufrechnungsverbot des § 394 Satz 1 BGB ist vorliegend wegen Rechtsmissbrauchs nach § 242 BGB deshalb unzulässig, weil der Arbeitgeber mit Gegenforderungen aus vorsätzlicher unerlaubter Handlung oder aus Straftaten aufgerechnet hat (vgl. BAG 18.03.1997 NZA 1997, 1108).

Jedenfalls in Härtefällen bietet sich somit die Möglichkeit, weiteren Schaden zu verhindern.

Negatives Beispiel einer Aufrechnung

Zu Recht verweist das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern (2 Sa 140/14) darauf, dass wenn, dann mit Nettolohnforderungen aufzurechnen ist:

Gegen Bruttolohnforderungen des Arbeitnehmers kann der Arbeitgeber nicht mit Gegenansprüchen aufrechnen, es sei denn die Höhe der Abzüge ist bekannt. Aufgerechnet werden kann nur gegen Nettolohnforderungen des Arbeitnehmers. Denn andernfalls wäre nicht klar, in welcher Höhe das Gericht über die Gegenforderung entschieden hat. Nach § 322 Absatz 2 ZPO ist „die Entscheidung, dass die Gegen-forderung nicht besteht, bis zur Höhe des Betrages, für den die Aufrechnung geltend gemacht worden ist, der Rechtskraft fähig“.

Der Umfang der Rechtskraft darf aber nicht unklar bleiben. Auch wenn die aufgrund der Aufrechnung abgewiesen werden soll, muss feststehen, in welcher Höhe die zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung erloschen ist (…)

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

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