Arbeitsrecht: Kündigungsschutz in Kleinbetrieben

Übersicht zum Kündigungsschutz in Kleinbetrieben: Was müssen Kleinbetriebe beachten, welche Vorgaben gibt es bei Kündigungen in Betrieben die nicht vom Kündigungsschutzgesetz erfasst sind?

In Kleinbetrieben ist oftmals unklar, ob und wann die Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz () genießen. Das gilt umso mehr, da sich die für die Anwendung des KSchG erforderliche Anzahl von Arbeitnehmern durch die Änderung des KSchG zum 1.1.2004 geändert hatte – eine Übersicht zur Kündigung im Kleinbetrieb.

Wie die Zahl der Arbeitnehmer berechnet wird

Bekanntlich ist das die Kündigungen erschwerende Kündigungsschutzgesetz anwendbar, wenn mehr als 10 Arbeitnehmer beschäftigt werden (§ 23 KSchG). Doch die Frage ist, wie man die Anzahl der Arbeitnehmer berechnet. Hierbei gibt es je nach Arbeitnehmer eine unterschiedliche zählweise:

  • Vollständig beschäftigte Arbeitnehmer zählen selbstverständlich als eine 1,0
  • Auszubildende werden nicht mitgezählt
  • Teilzeitbeschäftigung wird mit 0,5 (bei bis zu 20 Stunden pro Woche) und 0,75 (bei bis zu 30 Stunden pro Woche) gezählt

Bestandsschutz beim Kündigungsschutzgesetz

Ein wichtiger Aspekt ist, dass das Jahr 2004 zwar schon lange vorbei ist, bis heute aber die Umstellung Auswirkungen hat – wenn ein Arbeitnehmer nämlich schon vor 2004 beschäftigt und tätig war, kann er sich auf eine Art „Bestandsschutz“ berufen! Hier kann je nach den Umständen weiterhin die alte Grenze von 5 Arbeitnehmern ausschlaggebend sein.

Urteil zum Stichtag

Diese Unsicherheit hinsichtlich der Zahl der Arbeitnehmer bestand auch bei einem Arbeitnehmer, der seit August 2003 im Betrieb des Arbeitgebers angestellt war. Am Stichtag 31. Dezember 2003 beschäftigte der Arbeitgeber regelmäßig mehr als fünf Arbeitnehmer. Im November 2004 kündigte er das Arbeitsverhältnis des Arbeitnehmers ordentlich. Zu diesem Zeitpunkt waren bei ihm einschließlich des gekündigten Arbeitnehmers weniger als zehn Arbeitnehmer regelmäßig tätig. Neben dem gekündigten Arbeitnehmer arbeiteten nur noch zwei Arbeitnehmer, die bereits am 31. Dezember 2003 bei ihm beschäftigt waren. Mit seiner hat sich der Arbeitnehmer gegen die Kündigung gewandt und die Auffassung vertreten, er genieße den allgemeinen Kündigungsschutz nach dem KSchG. Dieses Gesetz sei aufgrund der Übergangsregelung auf „Alt-Fälle“ anwendbar.

Das und das Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen. Die Revision des Klägers blieb vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG) erfolglos. Die Richter zeigten zunächst die Gesetzeslage wie folgt auf:

  • Nach § 23 Abs. 1 S. 2 KSchG genießen Arbeitnehmer in Betrieben, in denen in der Regel fünf oder weniger Arbeitnehmer beschäftigt werden, keinen allgemeinen Kündigungsschutz.
  • Nach Satz 3 in der seit dem 1. Januar 2004 geltenden Fassung gilt das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) in Betrieben, in denen in der Regel zehn oder weniger Arbeitnehmer beschäftigt werden, nicht für Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis nach dem 31. Dezember 2003 begonnen hat. Diese Arbeitnehmer sind bei der Feststellung der Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer nach Satz 2 bis zur Beschäftigung von in der Regel zehn Arbeitnehmern nicht zu berücksichtigen.

Sodann entschied das BAG, dass bei einem späteren Absinken der Zahl der am 31. Dezember 2003 beschäftigten Arbeitnehmer auf fünf oder weniger Personen keiner der im Betrieb verbleibenden „Alt-Arbeitnehmer“ weiterhin Kündigungsschutz genieße. Voraussetzung sei, dass in dem Betrieb einschließlich der seit dem 1. Januar 2004 eingestellten Personen insgesamt nicht mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt würden. Dies gelte auch, wenn für ausgeschiedene „Alt-Arbeitnehmer“ andere Arbeitnehmer eingestellt worden seien. Eine solche „Ersatzeinstellung“ reiche nach Wortlaut sowie Sinn und Zweck der Besitzstandsregelung des § 23 Abs. 1 S. 2 KSchG für deren Anwendung nicht aus (BAG, 2 AZR 840/05).

Kündigungsschutz ist auch in Kleinbetrieben möglich

Allgemeines zum Kündigungsschutz in Kleinbetrieben

Und weiter gilt es Vorsichtig zu sein, denn die Vorschriften des Kündigungsschutzgesetzes gelten zwar nicht für Betriebe, in denen in der Regel zehn oder weniger Arbeitnehmer beschäftigt werden. Aber gleichwohl gibt es einen Kündigungsschutz. Die Kündigung eines Arbeitnehmers in einem Kleinbetrieb kann zumindest in Ausnahmefällen unwirksam sein:

  • Bei treuwidriger Kündigung
  • Bei einem Verstoß gegen die guten Sitten
  • Wenn ein „Mindestmaß an sozialer Rücksichtnahme” nicht eingehalten wird
  • Und natürlich wenn eine ausgesprochen wird, die ohnehin unwirksam ist

Eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) zu diesem Themenbereich erging im Fall eines Kundendienstmonteurs in einem Elektrofachhandel. Neben ihm beschäftigte der Arbeitgeber noch einen Lagerarbeiter, einen Auslieferungsfahrer und einen als Monteur und Verkäufer beschäftigten Kollegen. Als dem Kundendienstmonteur aus betrieblichen Gründen gekündigt wurde, machte er geltend, der Arbeitgeber habe nach seiner Ansicht das gebotene Mindestmaß an sozialer Rücksichtnahme verletzt.

Bundesarbeitsgericht: Treu und Glauben beachten

Das Bundesarbeitsgericht entschied, dass ein Schutz gekündigter Arbeitnehmer zwar auch in Kleinbetrieben möglich sei, die nicht dem Kündigungsschutzgesetz unterfallen. Hier könne eine Kündigung gegen „Treu und Glauben“ verstoßen. Dazu müsse schon auf den ersten Blick erkennbar sein, dass der Arbeitgeber ohne entgegenstehende betriebliche Interessen einem Arbeitnehmer kündigt, der erheblich schutzwürdiger als vergleichbare nicht gekündigte Arbeitnehmer ist. Dann sei die Kündigung rechtsmissbräuchlich und damit unwirksam. Im vorliegenden Fall konnte hiervon jedoch nicht ausgegangen werden. Die im Betrieb verbliebenen Arbeitnehmer übten andere Tätigkeiten als der Gekündigte aus und waren daher mit ihm nicht vergleichbar (BAG, 2 AZR 672/01).

Überblick über die Rechtsprechung zum Kündigungsschutz in Kleinbetrieben

Das (2 Ca 1170/15) hat die Rechtsprechung zum Thema im Jahr 2015 nochmals sehr anschaulich zusammen gefasst:

Bei Arbeitsverhältnissen, die nicht dem Schutz von § 1 Kündigungsschutzgesetz unterliegen, muss der Arbeitgeber bei seiner Kündigung die Grundsätze von Treu und Glauben (§ 242 BGB) beachten. Bei der Prüfung der Treuwidrigkeit einer Kündigung ist § 242 BGB im Lichte des Art. 12 Abs. 1 GG auszulegen und anzuwenden (BAG, Urteil vom 05.11.2009 – 2 AZR 383/08): Der Arbeitgeber hat im Fall der Kündigung im Kleinbetrieb ein durch Art. 12 GG gebotenes Mindestmaß an sozialer Rücksichtnahme zu wahren (BAG, Urteil vom 09.02.2005 – 5 AZR 209/04). Eine Kündigung verstößt dann gegen § 242 BGB und ist unwirksam, wenn sie aus Gründen, die von § 1 Kündigungsschutzgesetz nicht erfasst werden, Treu und Glauben verletzt. Die Vorschrift des § 242 BGB ist auf Kündigungen neben § 1 KSchG nur in beschränktem Umfang anwendbar. Eine Kündigung verstößt deshalb in der Regel nur dann gegen § 242 BGB, wenn sie Treu und Glauben aus Gründen verletzt, die von § 1 Kündigungsschutzgesetz nicht erfasst sind. Es geht vor allem darum, Arbeitnehmer vor willkürlichen oder auf sachfremden Motiven beruhenden Kündigungen zu schützen. Der Vorwurf willkürlicher, sachfremder oder diskriminierender Ausübung des Kündigungsrechts scheidet aus, wenn ein irgendwie einleuchtender Grund für die Rechtsausübung vorliegt (BAG 28. August 2003 – 2 AZR 333/02 – AP Nr. 2. zu § 242 BGB Kündigung).

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Konkrete Prüfkriterien bei einer Kündigung im Kleinbetrieb mit weniger als 10 Arbeitnehmern

Beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (5 Sa 382/13) habe ich einige verständliche Ausführungen zur Kündigung im Kleinbetrieb (in dem das Kündigungsschutzgesetz keine Anwendung findet) aufgefunden. Auch wenn das Kündigungsschutzgesetz keine Anwendung findet, so kann eine Kündigung doch treuwidrig sein – aber: Über die Treuwidrigkeit darf nicht das Kündigungsschutzgesetz durch die Hintertüre Anwendung finden:

Eine Kündigung verstößt dann gegen § 242 BGB und ist unwirksam, wenn sie aus Gründen, die von § 1 KSchG nicht erfasst werden, Treu und Glauben verletzt. Die Vorschrift des § 242 BGB ist auf Kündigungen neben § 1 KSchG nur in beschränktem Umfang anwendbar. Das Kündigungsschutzgesetz hat die Voraussetzungen und Wirkungen des Grundsatzes von Treu und Glauben konkretisiert und abschließend geregelt, soweit es um den Bestandsschutz und das Interesse des Arbeitnehmers an der Erhaltung seines Arbeitsplatzes geht. Über die Generalklausel des § 242 BGB darf dem Arbeitgeber der kraft Gesetzes ausgeschlossene Kündigungsschutz nicht de facto doch auferlegt werden. Eine Kündigung verstößt deshalb in der Regel nur dann gegen § 242 BGB, wenn sie Treu und Glauben aus Gründen verletzt, die von § 1 KSchG nicht erfasst sind. Es geht vor allem darum, Arbeitnehmer vor willkürlichen oder auf sachfremden Motiven beruhenden Kündigungen zu schützen. Schließlich darf auch ein durch langjährige Mitarbeit erdientes Vertrauen in den Fortbestand eines Arbeitsverhältnisses nicht unberücksichtigt bleiben. Der Vorwurf willkürlicher, sachfremder oder diskriminierender Ausübung des Kündigungsrechts scheidet dagegen aus, wenn ein irgendwie einleuchtender Grund für die Rechtsausübung vorliegt (BAG 28.08.2003 – 2 AZR 333/02AP BGB § 242 Kündigung Nr. 17, mwN).

Aber Vorsicht, gleichwohl ist eine Art „kleine “ vorzunehmen – was aber bei weniger als 10 Arbeitnehmern ohnehin eher überschaubare Konsequenzen haben wird:

Wenn bei einer Kündigung eine Auswahl unter mehreren Arbeitnehmern zu treffen ist, muss auch der Arbeitgeber im Kleinbetrieb, auf den das Kündigungsschutzgesetz keine Anwendung findet, ein durch Art. 12 GG gebotenes Mindestmaß an sozialer Rücksichtnahme wahren. Dies bedeutet jedoch nicht, dass damit im Kleinbetrieb die Grundsätze des § 1 KSchG über die Sozialauswahl entsprechend anwendbar wären. Ist allerdings auf den ersten Blick erkennbar, dass der Arbeitgeber einen erheblich weniger schutzbedürftigen, vergleichbaren Arbeitnehmer als den Kläger weiterbeschäftigt, so spricht dies dafür, dass er das erforderliche Mindestmaß an sozialer Rücksichtnahme außer Acht gelassen hat und deshalb die Kündigung treuwidrig ist (BAG 06.02.2003 – 2 AZR 672/01AP KSchG 1969 § 23 Nr. 30, mwN).

Was muss sonst beachtet werden?

Es gibt ansonsten natürlich die üblichen Formalia – Sie denken an die Kündigungsfrist und daran, dass die Kündigung (beweissicher) schriftlich erfolgen muss. Bei Auszubildenden und Schwangeren gelten Sonderregeln. Ein Anspruch auf eine besteht rechtlich nicht, faktisch ist es aber auch in Kleinbetrieben je nach den Umständen schwierig, hier um eine Zahlung herum zu kommen.

Checkliste zur Kündigung im Kleinbetrieb

  1. KündigungsschutzgesetzAls erstes wird geprüft, ob Sie wirklich nicht unter das Kündigungsschutzgesetz fallen (dazu oben.
  2. Prüfung: Wenn dann die Kündigung erfolgt, darf diese nicht Treuwidrig oder Sittenwidrig sein. Sie beachten den Sonderstatus mancher Arbeitnehmer und handeln im Rahmen eines Mindestmaßes sozialer Rücksichtnahme.
  3. Kündigung: Form, Frist und Inhalt
  • Die Kündigung erfolgt Schriftlich mit Unterschrift des Berechtigten und Datum
  • Beweissicherer Zugang der Kündigung
  • Kein Gewäsch: Es wird klar gekündigt, evtl. unter Angabe des Grundes
  • Hinweispflicht hinsichtlich Jobcenter beachten!
Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

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