Allgemeines Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer: Information des Betriebsrats bei Fehlverhalten

Das Bundesarbeitsgericht (1 ABR 12/17) hat klargestellt, dass eine Regelung in einer Betriebsvereinbarung, nach der ein Arbeitgeber zu einem Personalgespräch, das er mit einem führt, bevor er aufgrund eines diesem vorgeworfenen Fehlverhaltens eine arbeitsrechtliche Maßnahme ergreift, gleichzeitig auch den Betriebsrat zu laden hat, mit § 75 Abs. 2 BetrVG unwirksam ist, da der Arbeitnehmer die Wahl haben muss ob er eine Teilnahme oder auch nur Information vorab wünscht.

Hintergrund ist, dass Betriebsparteien mit dem dort geregelten Verfahren die ihnen nach § 75 Abs. 2 Satz 1 BetrVG obliegende Pflicht haben, die freie Entfaltung der Persönlichkeit der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer zu schützen und zu fördern. Hiernach haben die Betriebsparteien beim Abschluss von Betriebsvereinbarungen das aus Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 1 Abs. 1 GG abgeleitete allgemeine zu beachten. Dieses gewährleistet Elemente der Persönlichkeit, die nicht Gegenstand der besonderen Freiheitsgarantien des Grundgesetzes sind, diesen aber in ihrer konstituierenden Bedeutung für die Persönlichkeit nicht nachstehen. DAs Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers kann auch durch eine von Betriebsparteien im Rahmen ihrer Regelungskompetenz geschlossenen Betriebsvereinbarung beschränkt werden – das zulässige Maß einer Beschränkung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zugunsten schützenswerter Belange eines Grundrechtsträgers richtet sich nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Eine solche Regelung ist verhältnismäßig im engeren Sinn, wenn die Schwere des Eingriffs bei einer Gesamtabwägung nicht außer Verhältnis zu dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe steht (dazu BAG, 1 ABR 2/13).

Ein Personalgespräch (…) dient der Vorbereitung einer „disziplinarischen“ Maßnahme, der typischerweise ein vom Arbeitgeber beanstandetes Verhalten des Arbeitnehmers zugrunde liegt. Da die Einladung an den Betriebsrat als Gremium gerichtet ist, wird die Information einer drohenden „disziplinarischen“ Maßnahme aufgrund eines (etwaigen) fehlerhaften Verhaltens des Arbeitnehmers allen Mitgliedern des Betriebsrats bekannt. Weil die Einladung des Betriebsrats (…) „gleichzeitig“ zu erfolgen hat, hängt es weder vom Willen des Arbeitnehmers ab, ob der Betriebsrat überhaupt von dem konkret bevorstehenden Gespräch erfährt, noch kann er selbst bestimmen, welches oder welche Mitglieder des Betriebsrats hiervon ggf. Kenntnis erlangen sollen.

Die (…) bewirkte Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der betroffenen Arbeitnehmer ist gemessen am Zweck der Betriebsratsbeteiligung nicht verhältnismäßig (…) Eine im Interesse des Arbeitnehmers liegende Teilnahme eines Betriebsratsmitglieds am Personalgespräch ist auch dann hinreichend gewährleistet, wenn dem betroffenen Arbeitnehmer ein Recht auf Hinzuziehung eines bestimmten Betriebsratsmitglieds eingeräumt und er hierauf in der Einladung zum Gespräch hingewiesen wird. 

Bundesarbeitsgericht, 1 ABR 12/17
Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

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