IT-Arbeitsrecht: Mitbestimmung des Betriebsrats beim Facebook-Auftritt des Arbeitgebers

Ermöglicht der Arbeitgeber auf seiner Facebook-Seite für andere Facebook-Nutzer die Veröffentlichung von sogenannten Besucher-Beiträgen (Postings), die sich nach ihrem Inhalt auf das Verhalten oder die Leistung einzelner Beschäftigter beziehen, unterliegt die Ausgestaltung dieser Funktion der Mitbestimmung des Betriebsrats:

Eine vom Arbeitgeber betriebene Facebookseite, die es den Nutzern von Facebook ermöglicht, über die Funktion „Besucher-Beiträge“ Postings zum Verhalten und zur Leistung der beschäftigten einzustellen, ist eine technische Einrichtung, die zur Überwachung der Arbeitnehmer iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG bestimmt ist. Die Bereitstellung der Funktion „Besucher-Beiträge“ unterliegt der Mitbestimmung des Betriebsrats.


Die Arbeitgeberin ist das herrschende Unternehmen eines Konzerns, der Blutspendedienste betreibt. Bei den Blutspendeterminen sind ein oder mehrere Ärzte sowie bis zu sieben weitere Beschäftigte tätig. Sie tragen Namensschilder. Im April 2013 richtete die Arbeitgeberin bei Facebook eine Seite für konzernweites Marketing ein. Bei Facebook registrierte Nutzer können dort Postings einstellen. Nachdem sich Nutzer darin zum Verhalten von Arbeitnehmern geäußert hatten, machte der Konzernbetriebsrat geltend, die Einrichtung und der Betrieb der Facebook-Seite sei mitbestimmungspflichtig. Die Arbeitgeberin könne mit von Facebook bereitgestellten Auswertungsmöglichkeiten die Beschäftigten überwachen. Unabhängig davon könnten sich Nutzer durch Postings zum Verhalten oder der Leistung von Arbeitnehmern öffentlich äußern. Das erzeuge einen erheblichen Überwachungsdruck.

Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats gegen die Abweisung seiner Anträge durch das Landesarbeitsgericht hatte vor dem Ersten Senat des Bundesarbeitsgerichts teilweise Erfolg. Der Mitbestimmung unterliegt die Entscheidung der Arbeitgeberin, Postings unmittelbar zu veröffentlichen. Soweit sich diese auf das Verhalten oder die Leistung von Arbeitnehmern beziehen, führt das zu einer Überwachung von Arbeitnehmern durch eine technische Einrichtung im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG. Weiter führte das BAG hierzu aus:

Danach ist eine Facebookseite mit ihren vorgegebenen Funktionen keine technische Einrichtung, die aufgrund ihrer derzeitigen Auswertungsmöglichkeiten dazu bestimmt ist, das Verhalten und die Leistung von Arbeitnehmern zu überwachen.

aa) Es ist nicht erkennbar, dass die von Facebook bereitgestellten Funktionen – „Auswertung von Ergebnissen“ – geeignet sein sollen, das Verhalten und die Leistung einzelner im Konzern beschäftigter Arbeitnehmer im Rahmen ihres Arbeitsverhältnisses zu überwachen. Die Funktion „Seitenstatistiken“ mit den Bereichen „Beiträge“, „Besuche“, „‘Gefällt mir‘-Angaben“, „Reichweite“ gestattet keine individualisierbaren Auswertungen. Gleiches gilt für die Auswertungsfunktionen „Werbeanzeigenberichte“ und „Offline-Conversions“ (vgl. schon Karg/Thomsen DuD 2012, 729, 731; Unabhängiges Landeszentrum für Schleswig-Holstein Datenschutzrechtliche Bewertung der Reichweitenanalyse durch Facebook 2011 S. 12 ff.).

bb) Soweit der Konzernbetriebsrat ohne nähere Konkretisierung geltend macht, durch „überlegte Suchparameter“ könne man „zu aussagekräftigen Ergebnissen kommen“, fehlt es bereits an einem nachvollziehbaren und nachprüfbaren Vorbringen, wie dies seitens der Arbeitgeberin möglich sein soll. Die vom Konzernbetriebsrat noch in den Tatsacheninstanzen angeführte Suchfunktion „graph search“ stand und steht jedenfalls für die deutschsprachige Facebookseite der Arbeitgeberin nicht zur Verfügung. Das wird vom Konzernbetriebsrat auch nicht mehr behauptet.

d) Ein Mitbestimmungsrecht des Konzernbetriebsrats folgt auch nicht aus dem Umstand, dass die arbeitgeberseitigen „Beiträge“ und „Kommentare“ der mit der Pflege der Facebookseite beschäftigten Arbeitnehmer auf dieser mit dem Datum und der Uhrzeit ihrer versehen sind.

aa) Durch das Aufzeichnen von Datum und Uhrzeit der Einstellung von „Beiträgen“ und „Kommentaren“ auf der Facebookseite werden zwar entsprechende Leistungsdaten von Arbeitnehmern technisch erfasst und dokumentiert. Die Überwachung durch eine technische Einrichtung iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG erfordert jedoch, dass die erhobenen Daten einzelnen Arbeitnehmern zugeordnet werden können, sie also individualisierbar sind. Wird lediglich die Gesamtleistung einer Gruppe aufgezeichnet, kommt ein Mitbestimmungsrecht nur in Betracht, wenn der auf die Gruppe ausgeübte Überwachungsdruck auf die einzelnen Gruppenmitglieder durchschlägt (ausf. BAG 26. Juli 1994 – 1 ABR 6/94 – zu B II 2 c aa der Gründe, BAGE 77, 262).

(Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 13. Dezember 2016 – 1 ABR 7/15
Quelle: Pressemitteilung des Gerichts und Entscheidung des Gerichts)

Vorherige Entscheidung des Landesarbeitsgerichts

Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf (9 TaBV 51/14) hatte zuvor bereits festgestellt, dass nicht zu erkennen ist, dass ein Betriebsrecht ein Mitbestimmungsrecht bei der Frage einer Unternehmens-Facebook-Seite hat:

Ein Mitbestimmungstatbestand nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG liegt nicht vor. (…) Sinn der Vorschrift ist es, Eingriffe in den Persönlichkeitsbereich der Arbeitnehmer durch Verwendung anonymer technischer Kontrolleinrichtungen nur bei gleichberechtigter Mitbestimmung des Betriebsrats zuzulassen (…) Auf dieser Grundlage unterliegt der Betrieb der facebook-Seite des Arbeitgebers nicht der Mitbestimmung des Antragstellers aus § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG. (…) Das Mitbestimmungsrecht des § 78 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG besteht auch nicht hinsichtlich der Administratoren. (…)
Auf Grundlage der aufgezeigten Rechtsprechung bestünde nach Auffassung der Kammer in Übereinstimmung mit der Entscheidung des Arbeitsgerichtes ein Mitbestimmungsrecht, wenn nachvollzogen werden könnte, welcher Mitarbeiter wann welche Nachricht oder Kommentar auf der facebook-Seite veröffentlicht hat. Denn dann erfolgte durch facebook selbst eine Datenerfassung über den Zugriff auf die facebook-Seite, die dem Arbeitgeber über die vergebenen Zugriffsrechte die Nachvollziehung des erfolgten Zugriffs ermöglichte. Es wäre also erkennbar, mit welchem Zugriffsrecht welcher Beitrag wann veröffentlicht worden ist. Hieraus könnten unmittelbar Erkenntnisse über das Arbeitsverhalten des betroffenen Mitarbeiters gewonnen werden (vgl. nur BAG v. 06.12.1983 – 1 ABR 43/81, RZ. 179, juris; BAG v. 26.07.1994 – 1 ABR 6/94, juris).

Das Eingreifen des Mitbestimmungsrechtes hängt aber in jedem Fall davon ab, dass eine bestimmte Kennung mit einem konkreten Mitarbeiter in Verbindung gebracht werden kann. Dies ist nicht der Fall.

Der letzte Aspekt erscheint mir interessant: Jedenfalls dann, wenn – warum auch immer – der Punkt erreicht ist, dass intern oder extern die konkrete Tätigkeit eines konkreten Administrators nachvollziehbar wäre. Sollte dieser Punkt einmal zur Diskussion stehen, wäre die Rechtsprechung diskussionswürdig.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

Unsere Kanzlei ist spezialisiert auf Starke Strafverteidigung, seriöses Wirtschaftsstrafrecht, Arbeitsrecht und IT-Recht / Technologierecht.