Betriebsbedingte Kündigung

Betriebsbedingte Kündigung: Betriebliche Erfordernisse als Grundlage einer betriebsbedingten Kündigung liegen vor, wenn aufgrund betrieblicher Ursachen ein Überhang an Arbeitskräften entsteht und dadurch das Bedürfnis für die Weiterbeschäftigung eines Arbeitnehmers oder mehrerer Arbeitnehmer entfällt.

In diesem Beitrag werden die betriebsbedingte und auch die fristlose Kündigung von Arbeitnehmern erläutert. Dabei ist zu bedenken, dass in Deutschland eine Kündigung von Arbeitnehmern nicht so einfach möglich ist, wie sich das viele Arbeitgeber vorstellen – insbesondere internationale Arbeitgeber sind von dem rigiden Kündigungsschutz, zu Gunsten von Arbeitnehmern, in Deutschland überrascht. Dabei können fehlerhafte Kündigungen zu erheblichen finanziellen Belastungen führen.

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Betriebliche Erfordernisse für eine betriebsbedingte Kündigung

Voraussetzung für eine betriebsbedingte Kündigung sind also betriebliche Erfordernisse. Solche betriebliche Erfordernisse als Grundlage für eine Kündigung können sich sowohl aus innerbetrieblichen Umständen als auch aus außerbetrieblichen Gründe ergeben (ständige Rechtsprechung des BAG, siehe nur BAG 2 AZR 155/77, 2 AZR 212/85, 2 AZR 141/99).

Diese Umstände kann man wie folgt differenzieren:

  • Innerbetriebliche Umstände: Hierzu gehören Rationalisierungsmaßnahmen, Produktionseinschränkungen oder Produktionsumstellungen. Diese Umstände beruhen auf einer Organisationsentscheidung des Arbeitgebers, die als freie Unternehmerentscheidung vom grundsätzlich hinzunehmen ist und nur auf Unsachlichkeit oder Willkür hin überprüft werden kann.
  • Außerbetriebliche Umstände: Dies können sein Umsatzrückgang oder Auftragsrückgang, falls hierdurch der Arbeitsanfall so weit zurückgeht, dass für einen oder mehrere Arbeitnehmer das Bedürfnis zur Weiterbeschäftigung entfällt; der Umsatz bzw. Auftragsrückgang muss unmittelbar zur Verringerung der Arbeitsmenge führen.

Im Übrigen ist die Prüfkompetenz des Gerichts stark eingeschränkt und lediglich zu prüfen, ob tatsächlich eine unternehmerische Entscheidung vorliegt und durch ihre Umsetzung das Beschäftigungsbedürfnis für einzelne Arbeitnehmer entfallen ist (BAG, 2 AZR 522/98).

Rechtsanwalt für Betriebsbedingte Kündigung: Rechtsanwalt Jens Ferner hilft bei betriebsbedingter Kündigung

Auch wenn der Prüfungsumfang des Gerichts beschränkt ist, so zeigt die Praxis doch, dass Unternehmen gerne vermeintliche betriebliche Gründe nur vorschieben!

Dringende Erfordernisse?

Weiterhin müssen die betrieblichen Erfordernisse für eine betriebsbedingte Kündigung zwingend „dringend“ sein und eine Kündigung im Interesse des Betriebes auch wirklich notwendig machen. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn es dem Arbeitgeber nicht möglich ist, der betrieblichen Lage durch andere Maßnahmen auf technischem, organisatorischem oder wirtschaftlichem Gebiet als durch eine Kündigung zu entsprechen. Die Kündigung muss wegen der betrieblichen Lage unvermeidbar sein (BAG, 2 AZR 141/99 und 2 AZR 636/01).

Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt ist dabei der Zugang der Kündigungserklärung. Zu diesem Zeitpunkt muss mit dem Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zu rechnen sein. Für die insoweit aufzustellende Prognose kommt es darauf an, ob die betrieblichen Umstände bei Zugang der Kündigung greifbare Formen angenommen haben, so dass bei einer vernünftigen betriebswirtschaftlichen Betrachtung zu erwarten ist, zum Zeitpunkt des Kündigungstermins werde ein Ereignis eintreten, das die Entlassung erforderlich macht.

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Einstellung des Betriebs

Die Stilllegung des gesamten Betriebs durch den Arbeitgeber gehört zu den dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne von § 1 Absatz 2 Satz 1 KSchG, die einen Grund zur sozialen Rechtfertigung einer Kündigung darstellen können.

Unter Betriebsstilllegung ist die Auflösung der zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bestehenden Betriebs- und Produktionsgemeinschaft zu verstehen, die ihre Veranlassung und ihren unmittelbaren Ausdruck darin findet, dass der Unternehmer die bisherige wirtschaftliche Betätigung in der ernstlichen Absicht einstellt, die Verfolgung des bisherigen Betriebszwecks dauernd oder für eine ihrer Dauer nach unbestimmte, wirtschaftlich nicht unerhebliche Zeitspanne nicht weiterzuverfolgen. Mit der Stilllegung des gesamten Betriebs entfallen alle Beschäftigungsmöglichkeiten.

Der Arbeitgeber ist aber nicht gehalten, eine betriebsbedingte Kündigung erst nach Durchführung der Stilllegung auszusprechen:

Neben der Kündigung wegen erfolgter Stilllegung kommt auch eine Kündigung wegen beabsichtigter Stilllegung in Betracht. Erforderlich ist dazu aber, dass der Arbeitgeber im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung den ernsthaften und endgültigen Entschluss gefasst hat, den Betrieb endgültig und nicht nur vorübergehend stillzulegen (vgl. BAG, NZA 2007, 1431). Der Ernsthaftigkeit der Stilllegungsabsicht steht dabei nicht entgegen, dass sich der Arbeitgeber entschlossen hat, die gekündigten Arbeitnehmer in der jeweiligen Kündigungsfrist noch für die Abarbeitung vorhandener Aufträge einzusetzen. Der Arbeitgeber erfüllt damit gegenüber den tatsächlich eingesetzten Arbeitnehmern lediglich seine auch im gekündigten Arbeitsverhältnis bestehende Beschäftigungspflicht (vgl. BAG, AP 1969 § 17 Nr. 28).

Die geplanten Maßnahmen müssen zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung bereits „greifbare Formen“ angenommen haben. Diese liegen vor, wenn im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung auf Grund einer vernünftigen betriebswirtschaftlichen Betrachtung davon auszugehen ist, bis zum Ablauf der einzuhaltenden Kündigungsfrist werde mit einiger Sicherheit der Eintritt eines die Entlassung erforderlich machenden betrieblichen Grundes, d. h. die Stilllegung, gegeben sein. Von einer Stilllegung kann jedenfalls dann ausgegangen werden, wenn der Arbeitgeber seine Stilllegungsabsicht unmissverständlich äußert, allen Arbeitnehmern kündigt, etwaige Miet- oder Pachtverträge zum nächstmöglichen Zeitpunkt auflöst, die Betriebsmittel, über die er verfügen darf, veräußert und die Betriebstätigkeit vollständig einstellt (vgl. BAG, NZA 2011, 1143).

Arbeitsgericht Gelsenkirchen, 2 Ca 953/19

Übrigens: Führt ein Arbeitgeber eine Betriebsstillegung in Etappen durch, muss er für jede einzelne dieser Etappen eine gesonderte durchführen (BAG, 2 AZR 211/80; LAG Rheinland-Pfalz, 9 Sa 421/12). Auch die Auswahlentscheidung, wer länger beschäftigt wird und erst zu einem späteren Zeitpunkt vom Verlust seines Arbeitsplatzes betroffen sein soll, hat grundsätzlich nach sozialen Auswahlkriterien gemäß § 1 Abs. 3 KSchG zu erfolgen. Der Arbeitgeber muss bei seiner Auswahlentscheidung soziale Gesichtspunkte auch dann berücksichtigen, wenn nur noch einige Arbeitnehmer mit Abwicklungsarbeiten beschäftigt werden sollen (LAG Berlin-Brandenburg, 5 Sa 1257/18).

Vor betriebsbedingter Kündigung ist Änderungskündigung zu prüfen

Das Landesarbeitsgericht (3 Sa 128/13) hat die Rechtsprechung zur Änderungskündigung vor einer betriebsbedingten Kündigung gestärkt. Insoweit gilt: Ist die Weiterbeschäftigung zu geänderten Bedingungen möglich, so hat der Arbeitgeber vor Ausspruch einer betriebsbedingten Beendigungskündigung – unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes – zuvor eine Änderungskündigung auszusprechen. Und: Dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn die betroffene Arbeitnehmerin zuvor ein Angebot zur Vertragsänderung abgelehnt hat.

Aus der Entscheidung des Gerichts:

Gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG ist eine ordentliche betriebsbedingte Kündigung sozial ungerechtfertigt, wenn sie nicht durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Dringende betriebliche Erfordernisse im vorgenannten Sinne sind dann zu bejahen, wenn es dem Arbeitgeber nicht möglich ist, der bei Ausspruch der Kündigung bestehenden Lage durch andere Maßnahmen technischer, organisatorischer oder wirtschaftlicher Art als durch eine Beendigungskündigung zu entsprechen. Das Merkmal der Dringlichkeit betrieblicher Erfordernisse konkretisiert den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (ultima-ratio-Prinzip), aus dem sich ergibt, dass der Arbeitgeber vor jeder ordentlichen Beendigungskündigung von sich aus dem Arbeitnehmer grundsätzlich eine Beschäftigung auf einem geeigneten freien Arbeitsplatz auch zu geänderten Arbeitsbedingungen anbieten muss (BAG vom 03.04.2008 – 2 AZR 500/06NZA 2008, Seite 812).

Letztere Verpflichtung besteht nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit auch dann, wenn hinsichtlich einer in Aussicht genommenen Kündigung einer Teilzeitkraft als Alternativarbeitsplatz nur eine Vollzeitstelle zur Verfügung steht bzw. im Falle einer beabsichtigten Kündigung einer Vollzeitkraft als Variante nur eine Teilzeitstelle vorhanden ist (BAG vom 21.04.2005 – 2 AZR 132/04BB 2005, Seite 2691; LAG Berlin vom 10.09.1996 – 12 Sa 66/96 – LAGE § 2 KSchG 1969, Nr. 20). Sind mehr Arbeitnehmer für eine Weiterbeschäftigung zu geänderten Arbeitsbedingungen geeignet, als entsprechende Beschäftigungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen, und will der Arbeitgeber vor Kündigungsausspruch die freien Stellen besetzen, so hat er im Rahmen dieser Besetzung die einschlägigen sozialen Gesichtspunkte gemäß § 315 BGB (BAG vom 15.12.1994 – 2 AZR 320/94NZA 1995, Seite 413) bzw. analog § 1 Abs. 3 KSchG (vgl. insoweit BAG vom 10.05.2007 – 2 AZR 626/05NZA 2007, Seite 1278) zu berücksichtigen.

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Beweislast für Umstände der betriebsbedingten Kündigung

Grundsätzlich trägt der Arbeitgeber die Darlegungs- und für die dringenden betrieblichen Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers im Betrieb entgegenstehen. Beruft sich der Arbeitgeber auf den betriebsbedingten Kündigungsgrund der Stilllegung, so ist, wenn das Vorliegen eines Stilllegungsentschlusses im Kündigungszeitpunkt bestritten wird, der Arbeitgeber daher grundsätzlich verpflichtet, substanziiert darzulegen, dass und zu welchem Zeitpunkt er diejenigen organisatorischen Maßnahmen, die sich rechtlich als Betriebsstilllegung darstellen, geplant und beschlossen hat.

Über diese Entschlussfassung hinaus muss der Arbeitgeber substanziiert vortragen, dass auch die geplanten Maßnahmen selbst im Kündigungszeitpunkt bereits greifbare Formen angenommen hatten. Der Umfang der Darlegungslast hängt dabei auch davon ab, wie sich der gekündigte Arbeitnehmer auf die vom Arbeitgeber gegebene Begründung für die betriebsbedingte Kündigung einlässt.

Betriebsbedingte Kündigung wegen Outsourcing

Die unternehmerische Entscheidung, nach der in Form eines „konzerninternen Outsourcings“ Aufgaben auf ein anderes Unternehmen innerhalb eines Konzerns zu übertragen, kann grundsätzlich geeignet sein, ein dringendes betriebliches Erfordernis zum Ausspruch einer betriebsbedingten Kündigung darzustellen. Auch ist es nicht Aufgabe der Gerichte für Arbeitssachen, eine unternehmerische Entscheidung auf ihre Zweckmäßigkeit zu überprüfen. Aufgabe der Gerichte für Arbeitssachen ist es jedoch, eine ausgesprochene betriebsbedingte Kündigung auf ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen:

Hierzu zählt die Prüfung, ob aufgrund einer arbeitgeberseitig vorgetragenen unternehmerischen Entscheidung der Beschäftigungsbedarf für den gekündigten Arbeitnehmer tatsächlich spätestens mit Ablauf der Kündigungsfrist entfällt. Die Gerichte für Arbeitssachen haben hierbei insbesondere zu prüfen, ob eine unternehmerische Entscheidung tatsächlich vorliegt und deren Umsetzung jedenfalls bereits „greifbare Formen angenommen“ hat zum Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs und ob aufgrund der Umsetzung dieser unternehmerischen Entscheidung tatsächlich der Beschäftigungsbedarf entfällt (z. B. BAG, Urteil vom 15.12.2011, 8 AZR 692/10, juris, Rn 40).

Wenn eine Aufgabe künftig nicht entfällt, sondern lediglich anderweitig verteilt werden soll, trifft den Arbeitgeber insofern im Kündigungsschutzprozess eine gesteigerte Darlegungslast, konkret darzulegen, wie die bisher vom gekündigten Arbeitnehmer ausgeführten Arbeitsaufgaben künftig anderweitig verteilt werden sollen, ohne dass es zu überobligatorischer Mehrbelastung für andere Arbeitnehmer kommen soll. Regelmäßig ist insofern arbeitgeberseitig eine konkrete Aufstellung der Tätigkeiten und Aufgaben des gekündigten Arbeitnehmers – ggf. unter Darstellung prozentualer Anteile – erforderlich und eine ebenso konkrete Darstellung, wie und auf welche anderen Personen künftig diese Aufgaben verteilt werden sollen. Eine derartige Prognose muss der kündigende Arbeitgeber bereits zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs aufstellen können. Es ist demgegenüber gerade nicht ausreichend, wenn der Arbeitgeber zunächst Kündigungen ausspricht und erst später im Nachgang entscheidet, wie er die Arbeit künftig anderweitig verteilen möchte. Eine derartige Kündigung ist als sogenannte „Vorratskündigung“ rechtsunwirksam (z. B. BAG, Urteil vom 12.04.2002, 2 AZR 256/01, DB 2002, S. 2553 ff.)

Arbeitsgericht Köln, 8 Ca 4564/19

Fristlose (betriebsbedingte) Kündigung des Arbeitsverhältnisses

Fristlose betriebsbedingte Kündigung des Arbeitnehmers in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts: Entsprechend § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann (siehe hierzu BAG, 2 AZR 249/13 und 2 AZR 370/18).

Im Folgenden sind Ausführungen zur fristlosen Kündigung im Allgemeinen, aber auch zur betriebsbedingten fristlosen Kündigung enthalten.

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Fristlose Kündigung

Bei einer fristlosen Kündigung ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“, dh. typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile – jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist – zumutbar ist oder nicht (ständige Rechtsprechung des BAG!).

Fristlose Kündigung bedarf Interessenabwägung

Eine außerordentliche fristlose Kündigung, sei sie verhaltensbedingt oder betriebsbedingt, kommt mit dem Bundesarbeitsgericht nur in Betracht, wenn es keinen daneben stehenden angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind (ständige Rechtsprechung des BAG, zusammengefasst u.a. in BAG, 2 AZR 370/18). Die fristlose Kündigung scheidet aus, wenn es ein „schonenderes“ Gestaltungsmittel gibt, das ebenfalls geeignet ist, den mit einer außerordentlichen Kündigung verfolgten Zweck zu erreichen.

Besteht irgendeine Möglichkeit, das Arbeitsverhältnis sinnvoll fortzuführen, wird er den Arbeitnehmer in der Regel entsprechend einzusetzen haben.

Bundesarbeitsgericht

Dabei ist daran zu denken, dass das Bundesarbeitsgericht hier gerade nicht den Blick des Arbeitgebers hat, sondern den streng juristisch-dogmatischen Blick, mit dem es bei einer fristlosen Kündigung nicht um eine Sanktionieren pflichtwidrigen Verhaltens geht, sondern vielmehr die Vermeidung des Risikos künftiger Störungen des Arbeitsverhältnisses im Vordergrund steht – Arbeitgeber sind hier regelmäßig überrascht, da diese nur darüber nachdenken, den Arbeitnehmer „los zu werden“ (was sie aber gerade tun, weil sie ja Sorge vor weiteren Vorfällen haben!).

Eine auf betriebliche Gründe gestützte außerordentliche Kündigung kommt in Betracht, wenn die Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung ausgeschlossen ist und dies dazu führt, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer andernfalls trotz Wegfalls der Beschäftigungsmöglichkeit noch für Jahre vergüten müsste, ohne dass dem eine entsprechende Arbeitsleistung gegenüberstünde. Allerdings ist der Arbeitgeber in diesem Fall in besonderem Maß verpflichtet zu versuchen, die Kündigung durch geeignete andere Maßnahmen zu vermeiden. Besteht irgendeine Möglichkeit, das Arbeitsverhältnis sinnvoll fortzuführen, wird er den Arbeitnehmer in der Regel entsprechend einzusetzen haben. Erst wenn sämtliche denkbaren Alternativen ausscheiden, kann ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung vorliegen (BAG 18. Juni 2015 – 2 AZR 480/14 – Rn. 30, BAGE 152, 47).

BAG, 2 AZR 50/19

Erst wenn alle denkbaren Alternativen ausscheiden, kann ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung vorliegen

Bundesarbeitsgericht, 2 AZR 783/13

Als weitere Gestaltungsmöglichkeiten kommen daher vor Aussprache einer fristlosen Kündigung in Betracht:

  • Abmahnung,
  • Versetzung,
  • ordentliche Kündigung.

Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers zumutbar – Ordentliche Kündigung als milderes Mittel

Ein gegenüber der betriebsbedingten Kündigung in Form der fristlosen Kündigung in diesem Sinne milderes Mittel ist insbesondere die ordentliche Kündigung (BAG, 2 AZR 797/11). Bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegens einer erheblichen Pflichtverletzung jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist, ist in einer Gesamtwürdigung das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen.

Es hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen (BAG, 2 AZR 797/11). Dabei lassen sich die Umstände, anhand derer zu beurteilen ist, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung zumutbar ist oder nicht, nicht abschließend festlegen. Zu berücksichtigen sind mit dem BAG (dazu nur BAG, 2 AZR 797/11) bei verhaltensbedingter fristloser Kündigung aber regelmäßig

  • das Gewicht und die Auswirkungen der in Rede stehenden Pflichtverletzung,
  • der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers,
  • eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie
  • die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf.

Eine außerordentliche Kündigung kommt also mit dem BAG nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind (dazu BAG,  2 AZR 323/10 und 2 AZR 485/08).

Dem Arbeitgeber ist es, wenn die Weiterbeschäftigungsmöglichkeit aus betrieblichen Gründen entfällt, selbst im Insolvenzfall zuzumuten, die Kündigungsfrist einzuhalten

Bundesarbeitsgericht, 2 AZR 783/13

Kurzarbeit kann gegen betriebsbedingte fristlose Kündigung sprechen

Da mit dem Bundesarbeitsgericht die betrieblichen Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des gekündigten Arbeitnehmers entgegenstehen, dringend sein müssen, die betriebsbedingte Kündigung im Interesse des Betriebs also unvermeidbar sein muss, hat der Arbeitgeber zuvor alle Möglichkeiten auszuschöpfen, die mit dem Ziel geschaffen worden sind und bestehen, durch eine Flexibilisierung der betriebsbedingte Kündigungen in Zeiten geringeren Arbeitsanfalls zu vermeiden (so BAG, 2 AZR 418/06 und 2 AZR 548/10)

Ein nur vorübergehender Arbeitsmangel wiederum kann eine betriebsbedingte Kündigung nicht rechtfertigen.

Bundesarbeitsgericht

Für die Zukunftsprognose ist auch von Bedeutung, ob die Kündigung im zeitlichen Zusammenhang mit einer vereinbarten oder prognostizierten Kurzarbeit erfolgt:

Wird Kurzarbeit geleistet, so spricht dies dafür, dass die Betriebsparteien nur von einem vorübergehenden Arbeitsmangel und nicht von einem dauerhaft gesunkenen Beschäftigungsbedarf ausgehen. Ein nur vorübergehender Arbeitsmangel wiederum kann eine betriebsbedingte Kündigung nicht rechtfertigen. Dieses aus der Kurzarbeit folgende Indiz kann der Arbeitgeber durch konkreten Sachvortrag entkräften (BAG 26. Juni 1997 – 2 AZR 494/96 – AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 86 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 93). Entfällt die Beschäftigungsmöglichkeit für einzelne von der Kurzarbeit betroffene Arbeitnehmer aufgrund später eingetretener weiterer Umstände oder veränderter wirtschaftlicher und/oder organisatorischer Rahmenbedingungen auf Dauer, so kann trotz der Kurzarbeit ein dringendes betriebliches Erfordernis für eine Kündigung bestehen (BAG 26. Juni 1997 – 2 AZR 494/96 – aaO).

Haben die Betriebsparteien durch die Einführung von Kurzarbeit den Umfang der vertraglich geschuldeten Arbeitszeit auf ein Niveau abgesenkt, dass den Ausspruch betriebsbedingter Kündigungen gerade überflüssig macht, so kann ein dringendes betriebliches Kündigungserfordernis für eine betriebsbedingte Kündigung regelmäßig erst dann angenommen werden, wenn der Arbeitgeber die Möglichkeit zur Arbeitszeitreduzierung voll ausgeschöpft hat und gleichwohl noch ein Beschäftigungsüberhang besteht (vgl. BAG 8. November 2007 – 2 AZR 418/06 – aaO).

Verschulden des Arbeitnehmers bei verhaltensbedingter fristloser Kündigung zu Berücksichtigen

Allerdings findet die Interessenabwägung keineswegs „abstrakt“ und losgelöst vom Arbeitnehmer statt: Der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers ist im Rahmen der Interessenabwägung insbesondere hinsichtlich einer möglichen Wiederholungsgefahr mit dem BAG von erheblicher Bedeutung. Je höher er ist, desto größer ist diese (BAG, 2 AZR 604/90).

Dabei geht das BAG auch hier den Weg, erst einmal zu überlegen, ob eine Verhaltensänderung des Arbeitnehmers im Raum steht: Beruht eine Vertragspflichtverletzung auf einem steuerbarem Verhalten des Arbeitnehmers, ist mit dem BAG grundsätzlich davon auszugehen, dass sein künftiges Verhalten schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann. Ordentliche und außerordentliche Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung setzen deshalb regelmäßig eine Abmahnung voraus.

Einer Abmahnung bedarf es nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur dann nicht, wenn bereits im Voraus erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung in Zukunft auch nach Aussprache einer Abmahnung nicht zu erwarten ist – oder es sich um eine derart schwere Pflichtverletzung handelt, dass selbst deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich – auch für den Arbeitnehmer erkennbar – ausgeschlossen ist (dazu siehe nur BAG, 2 AZR 302/16 und 2 AZR 651/13).

Allgemeines zur (fristlosen) Kündigung

Es gibt umfangreiche und seit Jahrzehnten gefestigte Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Frage der (fristlosen) Kündigung im Arbeitsrecht.

Die spannendsten Aspekte stellen wir hier vor:

Beginn der Erklärungsfrist bei fristloser Kündigung

Die Frist des § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB beginnt nach Satz 2 der Bestimmung mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Handelt es sich bei dem Arbeitgeber um eine juristische Person, ist grundsätzlich die Kenntnis des gesetzlich oder satzungsgemäß für die Kündigung zuständigen Organs maßgeblich. Sind für den Arbeitgeber mehrere Personen gemeinsam vertretungsberechtigt, genügt grundsätzlich die Kenntnis schon eines der Gesamtvertreter.

Neben den Mitgliedern der Organe von juristischen Personen und Körperschaften gehören zu den Kündigungsberechtigten auch die Mitarbeiter, denen der Arbeitgeber das Recht zur außerordentlichen Kündigung übertragen hat. Die Kenntnis anderer Personen ist
grundsätzlich unbeachtlich. Dies gilt selbst dann, wenn ihnen Vorgesetzten- oder Aufsichtsfunktionen übertragen worden sind. § 166 BGB findet weder direkte noch analoge Anwendung. Die Darlegungs- und Beweislast für die Wahrung der Frist des § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB trägt der Arbeitgeber, er muss die Umstände schildern, aus denen sich ergibt, wann und wodurch er von den maßgebenden Tatsachen erfahren hat (zu alledem: BAG, 2 AZR 483/21).

Hemmung der Kündigungserklärungsfrist

Kündigungsrecht: Kündigungserklärungsfrist kann gehemmt sein – Der Beginn der zweiwöchigen Kündigungserklärungsfrist des § 626 BGB ist gehemmt, solange der Kündigungsberechtigte die zur Aufklärung des Sachverhalts nach pflichtgemäßem Ermessen erforderlich erscheinenden Aufklärungsmaßnahmen ergreift.

Hierauf wies das Landesarbeitsgericht (LAG) Hamm hin. Habe der Arbeitgeber Anhaltspunkte für einen zur Kündigung führenden Sachverhalt, könne er Ermittlungen anstellen und insbesondere den Betroffenen anhören. In dieser Zeit beginne die Kündigungsfrist nicht zu laufen. Fristbeginn sei erst zu dem Zeitpunkt, zu dem der Arbeitgeber die Ermittlungen abgeschlossen und die Kenntnis des Kündigungssachverhalts habe. Unerheblich sei, ob die Maßnahmen tatsächlich zur Aufklärung des Sachverhalts beigetragen haben oder überflüssig waren.

Diese Grundsätze gelten nach Ansicht des LAG sowohl bei einer Tatkündigung als auch bei einer . Bei einer Verdachtskündigung müsse die Anhörung des Arbeitnehmers als Wirksamkeitsvoraussetzung der Kündigung erfolgen. Bei der Tatkündigung sei die vorherige Anhörung des Arbeitnehmers grundsätzlich erforderlich, damit dieser Gelegenheit erhalte, entlastende Umstände vorzubringen. Erst dann habe der Arbeitgeber die Kenntnis aller für und gegen die Kündigung sprechenden Umstände, die für den Beginn der zweiwöchigen Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB maßgeblich seien (LAG Hamm, 19 (9) Sa 232/05).

Fristlose Kündigung aus betriebsbedingten Gründen

Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf (9 Sa 593/12) hat erklärt, dass eine fristlose Kündigung aus betriebsbedingten Gründen möglich sein kann:

Eine außerordentliche und zugleich fristlose Kündigung aus betriebsbedingten Gründen ist selbst gegenüber einem ordentlich unkündbaren Arbeitnehmer regelmäßig unzulässig. Zu prüfen ist, ob dem Arbeitgeber im Fall ordentlicher Kündbarkeit eine Weiterbeschäftigung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist unzumutbar wäre. Das ist bei einer betriebsbedingten Kündigung regelmäßig nicht der Fall. Dem Arbeitgeber ist, wenn aus betrieblichen Gründen eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit für den Arbeitnehmer entfällt, selbst im Insolvenzfall zumutbar, die Kündigungsfrist einzuhalten (BAG v. 18.3.2010 – 2 AZR 337/08, NZA-RR 2011, 18; BAG v. 8.4.2003 – 2 AZR 355/02, AP Nr. 181 zu § 626 BGB). Führt dies zu Vergütungsansprüchen der Arbeitnehmer aus dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs, ohne dass der Arbeitgeber eine Verwendungsmöglichkeit für die Arbeitskraft des Arbeitnehmers hat, verwirklicht sich darin lediglich das unternehmerische Risiko des Arbeitgebers (BAG v. 6.10.2005 – 2 AZR 362/04, NZA-RR 2006, 416; BAG v. 30.9.2004 – 8 AZR 462/03, AP Nr. 275 zu § 613a BGB; BAG v. 8.4.2003 – 2 AZR 355/02, AP Nr. 181 zu § 626 BGB).

(2)Eine auf betriebliche Gründe gestützte außerordentliche Kündigung mit einer – notwendig einzuhaltenden – Auslauffrist kommt in Betracht, wenn andernfalls der Ausschluss der ordentlichen Kündigung dazu führt, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer trotz Wegfalls der Beschäftigungsmöglichkeit ggf. noch über Jahre weiterbeschäftigen müsste und ihm dies unzumutbar ist (BAG v. 18.3.2010 – 2 AZR 337/08, NZA-RR 2011, 18; BAG v. 10.5.2007 – 2 AZR 626/05, BAGE 122, 264; BAG v. 8.4.2003 – 2 AZR 355/02, AP Nr. 181 zu § 626 BGB).

Ist das Arbeitsverhältnis als Austauschverhältnis auf Dauer sinnentleert, weil eine Arbeitsleistung nicht mehr erbracht werden kann und deshalb auf unzumutbar lange Zeit Vergütung ohne Gegenleistung gezahlt werden müsste, ist der Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung mit notwendiger Auslauffrist gerechtfertigt (BAG v. 6.10.2005 – 2 AZR 362/04, NZA-RR 2006, 416; BAG v. 24.6.2004 – 2 AZR 215/03, AP Nr. 278 zu § 613a BGB). Dem Arbeitgeber soll nichts Unmögliches oder evident Unzumutbares abverlangt werden.

Die fristlose Kündigung kommt mit sozialer Auslaufrist also ausnahmsweise in Betracht, wenn der Arbeitgeber gezwungen wäre, ein sinnentleertes Arbeitsverhältnis über Jahre hinweg allein durch Gehaltszahlungen, denen keine entsprechende Arbeitsleistung gegenübersteht, aufrechtzuerhalten. Allerdings ist der Arbeitgeber wegen des Ausschlusses der ordentlichen Kündbarkeit in einem besonderen Maß verpflichtet, die Kündigung durch geeignete andere Maßnahmen zu vermeiden […] Besteht noch irgendeine Möglichkeit, das Arbeitsverhältnis sinnvoll fortzusetzen, wird es ihm regelmäßig zumutbar sein, den Arbeitnehmer entsprechend einzusetzen. Erst wenn alle denkbaren Lösungsversuche ausscheiden, kann – ausnahmsweise – ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung mit Auslauffrist vorliegen

Nachschieben von Kündigungsgründen

Nachschieben von Kündigungsgründen: Immer wieder für Unsicherheit sorgt bei Kündigungen im Arbeitsrecht die Thematik des „Nachschieben von Kündigungsgründen“. Beim Nachschieben von Kündigungsgründen gilt: Wenn und soweit Kündigungsgründe erst später bekannt und in den Kündigungsschutzprozess eingeführt werden, handelt sich insofern um ein sog. Nachschieben von Kündigungsgründen, das in nicht-mitbestimmten Betrieben nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ohne weiteres zulässig ist.

Nachschieben von Kündigungsgründen

In einem Rechtsstreit über die Wirksamkeit einer Kündigung sind nicht nur die dem Arbeitgeber bei Kündigungsausspruch bekannten tatsächlichen Umstände von Bedeutung. So sind auch solche später bekannt gewordenen Umstände zu berücksichtigen – zumindest wenn sie bei Kündigungszugang objektiv bereits vorlagen -, die den ursprünglichen Verdacht abschwächen oder verstärken. Daneben können selbst solche Tatsachen in den Prozess eingeführt werden, die den Verdacht eines eigenständigen – neuen – Kündigungsvorwurfs begründen. Voraussetzung ist, dass der neue Kündigungsgrund bei Ausspruch der Kündigung objektiv schon gegeben, dem Arbeitgeber nur noch nicht bekannt war (siehe hierzu BAG, 2 AZR 102/12 und 2 AZR 296/11 sowie 2 AZR 264/06). 

In einem Rechtsstreit über die Wirksamkeit einer Kündigung sind nicht nur die dem Arbeitgeber bei Kündigungsausspruch bekannten tatsächlichen Umstände von Bedeutung sondern auch später bekannt gewordenen Umstände

Rechtsanwalt Ferner – Nachschieben von Kündigungsgründen

Außerdem muss der Arbeitgeber alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen, insbesondere dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben haben. Die Notwendigkeit der Anhörung des Arbeitnehmers vor Ausspruch einer Verdachtskündigung ist Ausfluss des Verhältnismäßigkeitsprinzips. Sie gründet in der Verpflichtung des Arbeitgebers, sich um eine Aufklärung des Sachverhalts zu bemühen. Sie soll den Arbeitgeber vor voreiligen Entscheidungen bewahren und der Gefahr begegnen, dass ein Unschuldiger von der Kündigung betroffen wird (BAG 2 AZR 206/11 & 2 AZR 474/07). Ist aber – wie beim „Nachschieben“ von Kündigungsgründen – die Kündigung dem Arbeitnehmer bereits zugegangen, kann dessen Stellungnahme sie in keinem Fall mehr verhindern. Die vorherige Anhörung des Arbeitnehmers ist damit auch mit Blick auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht unverzichtbar. Die Rechte des Arbeitnehmers werden gleichermaßen dadurch gewahrt, dass er sich im anhängigen Kündigungsschutzprozess gegen den neuen Tatverdacht verteidigen kann (BAG, 2 AZR 102/12 – zusammenfassend Arbeitsgericht Solingen, 1 Ca 1128/19).

Nachschieben von Kündigungsgründen bei fristloser Kündigung

Dies gilt auch bei Kündigungen entsprechend § 626 BGB, denn die Zweiwochenfrist des § 626 Abs. 2 BGB gilt nur für die Erklärung der Kündigung. Ist die Kündigung als solche rechtzeitig erklärt, schließt auch § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB ein Nachschieben nachträglich bekannt gewordener Gründe nicht aus (siehe hierzu BAG,2 AZR 102/12 und 2 AZR 362/96). Für die Beurteilung, ob ein nachgeschobener Sachverhalt dem Arbeitgeber schon im Kündigungszeitpunkt bekannt war, kommt es auf den Wissensstand des Kündigungsberechtigten an.

Zeitpunkt der Kenntnis bei Nachschieben von Kündigungsgründen

Zu fordern ist in sachlicher Hinsicht beim Nachschieben von Kündigungsgründen – wie im Rahmen von § 626 Abs. 2 BGB – eine positive, vollständige Kenntnis der für die Kündigung maßgebenden Tatsachen. In personeller Hinsicht kommt es dabei – wie bei § 626 Abs. 2 BGB – auf die entsprechende Kenntnis in der Person des Kündigungsberechtigten an (Landesarbeitsgericht Köln, 4 Sa 329/19). Handelt es sich bei dem Arbeitgeber um eine juristische Person, ist grundsätzlich maßgeblich die Kenntnis des gesetzlich oder satzungsgemäß für die Kündigung zuständigen Organs (siehe BAG, 2 AZR 256/14).

Nachschieben von Kündigungsgründen ist nicht immer möglich

Bei Kündigungsstreitigkeiten ist das Nachschieben von Kündigungsgründen sehr beliebt. Die kann sich aber auch als Falle erweisen. Das zeigt eine Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Köln (Urteil vom 15.7.2020, 3 Sa 736/19): In dem Fall war ein schwerbehinderter Arbeitnehmer betroffen. Das LAG machte deutlich, dass hier Kündigungsgründe nicht nachgeschoben werden können. Dies scheitere daran, dass diese Kündigungsgründe dem Integrationsamt regelmäßig vorher nicht mitgeteilt wurden.

Beachten Sie: Die Anhörung des Integrationsamts ist anders als die Betriebsratsanhörung nicht nachholbar.

Voraussetzungen einer Verdachtskündigung

Voraussetzungen einer Verdachtskündigung im Arbeitsrecht: Bereits ein bestehender Verdacht einer Pflichtverletzung des Arbeitnehmers stellt – gegenüber dem verhaltensbezogenen Vorwurf, der Arbeitnehmer habe die Pflichtverletzung tatsächlich begangen – mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts einen eigenständigen Kündigungsgrund dar (zusammenfassend BAG, 2 AZR 256/14). Der Verdacht kann im Ergebnis eine ordentliche Kündigung aus Gründen in der Person des Arbeitnehmers bedingen – ist als so genannte „Verdachtskündigung“ aber an erhebliche Voraussetzungen gebunden.

Grundlage der Verdachtskündigung

Die rechtliche Grundlage der „Verdachtskündigung“ ist der Gedanke, dass ein jedes Arbeitsverhältnis als „personenbezogenes Dauerschuldverhältnis“ naturgemäß ein gewisses gegenseitiges Vertrauen der Vertragspartner voraussetzt. Der schwerwiegende Verdacht einer Pflichtverletzung kann zum Verlust der vertragsnotwendigen Vertrauenswürdigkeit des Arbeitnehmers und damit zu einem Eignungsmangel des Arbeitnehmers führen, der einem verständig und gerecht abwägenden Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar macht.

Der durch den Verdacht bedingte Eignungsmangel stellt mit dem Bundesarbeitsgericht einen Kündigungsgrund in der Person des Arbeitnehmers dar, auch wenn die den Verdacht und den daraus folgenden Vertrauensverlust begründenden Umstände nicht unmittelbar mit seiner Person zusammenhängen müssen.

Betriebsgröße & besonderes Vertrauen ohne Bedeutung

Das Vertrauen zum Arbeitnehmer ist ein universeller Grundsatz, so dass eine Verdachtskündigung nicht nur in einem Kleinbetrieb in Betracht kommt – wo der einzelne Arbeitnehmer und sein Arbeitgeber oder dessen Repräsentant unmittelbar zusammenarbeiten. Die Betriebsgröße oder die Unterscheidung zwischen einem „normalen“ Arbeitsverhältnis und einem solchen mit besonderer Vertrauensstellung sind für das Bundesarbeitsgericht keine tauglichen Kriterien, um die grundsätzliche Zulässigkeit einer Verdachtskündigung zu beurteilen. Ein gewisses Vertrauen ist für die Durchführung eines jeden Arbeitsverhältnisses unerlässlich.

Ein Arbeitgeber muss sich darauf verlassen können, dass seine Mitarbeiter die Integrität seiner Rechtsgüter, die von anderen Arbeitnehmern oder ggf. von Dritten nicht vorsätzlich verletzen. Ein darüber hinausgehendes Maß an Vertrauen kann beispielsweise erforderlich sein, wenn ein Arbeitnehmer Kenntnis von Betriebsgeheimnissen erlangt, gefährliche Maschinen bedient, die auch Dritte gefährden können, oder Zugang zu Bargeldbeständen oder anderen Wertgegenständen hat. Eine solche besondere Vertrauensstellung ist aber nicht Teil der Voraussetzungen einer Verdachtskündigung und somit nicht essentiell für die Wirksamkeit einer Verdachtskündigung. Vielmehr ist sie bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber im jeweiligen Einzelfall die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zuzumuten ist, in die Interessenabwägung einzustellen (siehe hierzu Bundesarbeitsgericht, 2 AZR 426/18).

Die Verdachtskündigung ist also ausdrücklich keine verhaltensbedingte Kündigung! Eine Verdachtskündigung ist mit dem Bundesarbeitsgericht stets eine personenbedingte Kündigung. Sie wird insbesondere nicht deshalb zu einer Kündigung aus Gründen im Verhalten des Arbeitnehmers, weil dieser die entscheidungserheblichen Verdachtsmomente selbst gesetzt hat. Das BAG stellt insoweit ausdrücklich fest, dass ein Arbeitnehmer nicht dadurch eine eigenständige Pflichtverletzung begeht, dass er sich durch ein für sich genommen pflichtwidriges Verhalten einer weiter gehenden, schwerer wiegenden Pflichtverletzung (nur) verdächtig macht:

Ist zB der Arbeitnehmer – insoweit unstreitig – immer wieder in dem Bereich „herumgeschlichen“, aus dem Gegenstände abhandengekommen sind, kann dies nur unter zwei Umständen eine verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigen: Das Gericht muss entweder – auch – aufgrund des „Herumschleichens“ davon überzeugt sein, der Arbeitnehmer habe die Gegenstände entwendet, oder das „Herumschleichen“ muss als solches eine Pflichtverletzung darstellen, weil der Arbeitnehmer den betreffenden Bereich nicht betreten durfte. In beiden Fällen handelte es sich um Tatkündigungen. Stellt das „Herumschleichen“ für sich genommen keine Pflichtverletzung dar und vermag sich das Gericht nicht davon zu überzeugen, der Arbeitnehmer sei der „Täter“, kommt – unter den weiteren Voraussetzungen einer Verdachtskündigung – allenfalls eine personenbedingte Kündigung in Betracht.

Bundesarbeitsgericht, 2 AZR 426/18

Unschuldsvermutung hindert nicht die Verdachtskündigung

In unserem Rechtssystem ist die Unschuldsvermutung fest verankert, insbesondere in Art. 6 Abs. 2 EMRK. Mit gefestigter Rechtsprechung steht die Unschuldsvermutung einer Verdachtskündigung aber nicht entgegen. Denn diese Vermutung bindet unmittelbar lediglich den Richter, der über die Begründetheit der zu entscheiden hat (BAG, 2 AZR 164/94). Hingegen können Rechtsfolgen, die – wie die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses – keinen Strafcharakter besitzen, in gerichtlichen Entscheidungen an einen Verdacht geknüpft werden (inzwischen gefestigte Rechtsprechung, siehe nur BVerfG, 2 BvR 254/88, 2 BvR 1343/88; BAG, 6 AZR 845/13; EGMR, 15374/11).

Natürlich gilt der Grundsatz, dass durch staatliche Stellen die strafrechtliche Verantwortung eines beschuldigten, angeschuldigten oder angeklagten Arbeitnehmers nicht vorweggenommen oder gar ein erfolgter Freispruch infrage gestellt werden darf. Doch hindern für das Bundesarbeitsgericht ein anhängiges Strafverfahren und selbst ein rechtskräftiger Freispruch jedenfalls dann nicht die Annahme, eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses sei wirksam, wenn dem eine eigene richterliche Würdigung auf der Grundlage eines geringeren Beweismaßes zu Grunde liegt und sich das Arbeitsgericht einer strafrechtlichen Bewertung enthält. Das gilt für eine verhaltensbedingte Tatkündigung und dann eben erst recht für eine personenbedingte Verdachtskündigung.

Voraussetzungen einer Verdachtskündigung

Mit dem Bundesarbeitsgericht erfordert der besondere Schutz der Arbeitnehmer, dass eine Verdachtskündigung auch als ordentliche Kündigung sozial nur dann gerechtfertigt ist, wenn Tatsachen vorliegen, die zugleich eine außerordentliche, fristlose Kündigung gerechtfertigt hätten. Es sind also die Voraussetzungen einer fristlosen Kündigung heran zu ziehen. Dies ergibt folgende Prüfpunkte bei einer Verdachtskündigung:

  1. Dringlichkeit des Verdachts
  2. Zumutbare Aufklärung, insbesondere Gelegenheit zur Stellungnahme
  3. Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses
  4. Keine starre Frist für Kündigungserklärung

Dringlichkeit des Verdachts

Der Verdacht muss auf konkreten, vom Kündigenden darzulegenden und mit dem „vollen“ Maß des § 286 Abs. 1 ZPO zu beweisenden Tatsachen beruhen, da sonst die oraussetzungen einer Verdachtskündigung schlicht nicht anzunehmen sind. Der Verdacht muss zudem als Voraussetzung einer Verdachtskündigung dringend sein. Das bedeutet, es muss eine große Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass der Verdacht auch zutrifft. Die Umstände, die ihn begründen, dürfen nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht ebenso gut durch ein Geschehen zu erklären sein, das eine Kündigung nicht zu rechtfertigen vermöchte. Bloße, auf mehr oder weniger haltbare Vermutungen gestützte Verdächtigungen reichen mit dem Bundesarbeitsgericht nicht aus (BAG 2. März 2017 – 2 AZR 698/15 – Rn. 22; 18. Juni 2015 – 2 AZR 256/14 – Rn. 21).

Aufklärung des Verdachts

Eine Verdachtskündigung kommt jedenfalls so lange nicht in Betracht, wie der Arbeitgeber die zumutbaren Mittel zur Aufklärung des Sachverhalts nicht ergriffen hat – dies ist ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts.

Dazu gehört insbesondere, dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme zu den Verdachtsmomenten zu geben, um dessen Einlassungen bei der Entscheidungsfindung berücksichtigen zu können. Versäumt der Arbeitgeber diese Anhörung, kann er sich im Prozess nicht auf den Verdacht eines pflichtwidrigen Verhaltens des Arbeitnehmers berufen; die hierauf gestützte Kündigung ist unwirksam, da die Voraussetzungen einer Verdachtskündigung nicht vorliegen (BAG, 2 AZR 611/17 – Rn. 31).

Weitere Voraussetzungen einer Verdachtskündigung

Die Verdachtskündigung beruht auf der Erwägung, dass dem Arbeitgeber von der Rechtsordnung die Fortsetzung eines Arbeitsverhältnisses unter dem dringenden Verdacht auf ein Verhalten des Arbeitnehmers, das ihn – den Arbeitgeber – zur sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses berechtigen würde, nicht zugemutet werden kann. Besteht dagegen der Verdacht auf das Vorliegen eines solchen Grundes nicht, weil selbst erwiesenes Fehlverhalten des Arbeitnehmers die sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht rechtfertigen könnte, überwiegt bei der Güterabwägung im Rahmen von Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG dessen Bestandsinteresse. In einem solchen Fall nimmt das Bundesarbeitsgericht das im Fall einer Verdachtskündigung besonders hohe Risiko, einen „Unschuldigen“ zu treffen, nicht in Kauf (BAG, 2 AZR 797/11).

Zeitpunkt der Aussprache der Verdachtskündigung

Anders als für eine außerordentliche Verdachtskündigung besteht keine starre Frist, innerhalb derer der Arbeitgeber das Recht zur ordentlichen Verdachtskündigung ausüben müsste. Denn die Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB gilt nur für außerordentliche Kündigungen und eine entsprechende Anwendung auf ordentliche Kündigungen scheidet aus (BAG, 2 AZR 514/01).

Jedoch kann ein längeres Abwarten zu der Annahme führen, die Kündigung sei nicht durch den Verlust des vertragsnotwendigen Vertrauens „bedingt“. Es muss also abgewägt werden, da ein längeres Zuwarten des Arbeitgebers trotz Kenntnis von den für die Kündigung maßgebenden Umständen zu der Annahme führen kann, es liege kein objektiver Grund in Form des Verlustes des vertragsnotwendigen Vertrauens vor. Wann dies der Fall ist, hängt im Ergebnis von den Umständen des Einzelfalls ab:

  • Es muss bedacht werden, dass der Arbeitgeber nicht zu einer voreiligen Kündigung gedrängt werden darf, sondern in Ruhe prüfen können soll, ob es zumutbar ist, den Arbeitnehmer auf Dauer weiterzubeschäftigen.
  • Andererseits ist zu beachten, dass eine ordentliche Verdachtskündigung durch den eingetretenen Vertrauensverlust nur dann iSv. § 1 Abs. 2 KSchG „bedingt“ sein kann, wenn das Verhalten, dessen der Arbeitnehmer verdächtig ist, – wäre es erwiesen – sogar eine sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses gerechtfertigt hätte. Das spricht dafür, dass sich der Arbeitgeber auch bei einer ordentlichen Verdachtskündigung zügig entscheiden muss.
  • Es ist aber auf gar keinen Fall mit Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG zu vereinbaren, wenn der Arbeitgeber einen Kündigungsgrund über längere Zeit „auf Vorrat“ hält, um ihn bei passend erscheinender Gelegenheit geltend zu machen und ein beanstandungsfrei fortgesetztes Arbeitsverhältnis zu einem beliebigen Zeitpunkt kündigen zu können

Fazit: Voraussetzungen einer Verdachtskündigung

Die Voraussetzungen einer Verdachtskündigung sind an hohe aber nicht unüberwindbare Hürden geknüpft. Arbeitgeber sind gut beraten, einerseits keine übereilte Verdachtskündigung auszusprechen und insbesondere die Anhörung des Arbeitnehmers sicherzustellen. Andererseits darf man das (unangenehme) Thema auch nicht auf die allzu lange Bank schieben.

Im Rahmen der Aufklärung sollten Arbeitgeber nicht unterschätzen, welche Anforderungen einerseits an den Vortrag gestellt werden im Kündigungsschutzprozess; andererseits aber auch nicht unterschätzen, welche Anforderungen an eine zulässige gestellt werden. Die datenschutzrechtlichen Vorgaben müssen hier dringend und zwingend beachtet werden und sollten von Beginn an vom internen Datenschutzbeauftragten und einem – die Kündigung vorbereitenden – Rechtsberater begleitet werden. Denn auch wenn die Voraussetzungen einer Verdachtskündigung vorliegen, kann hier weiterer Ungemach drohen.

Checkliste zur fristlosen Kündigung

Checkliste fristlose Kündigung: Welche Voraussetzungen müssen bei einer fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses beachtet werden? Die folgende Checkliste für die fristlose Kündigung schildert, in welchen Situationen eine fristlose Beendigung des Arbeitsverhältnisses in Betracht kommt und welche Voraussetzungen der Arbeitgeber bei einer fristlosen Kündigung beachten muss.

Damit eine fristlose Kündigung wirksam ist und das Arbeitsverhältnis tatsächlich beendet, müssen grundsätzlich jedenfalls folgende Voraussetzungen erfüllt sein:

1. Wichtiger Grund bei fristloser Kündigung

Die fristlose Kündigung muss durch einen „wichtigen Grund“ gerechtfertigt sein. Die Verfehlung des Mitarbeiters muss also so schwer wiegen, dass dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist unzumutbar ist.

Beachten Sie: Es geht nicht darum, ob es dem Arbeitgeber zumutbar ist, den Arbeitnehmer auf Dauer weiterzubeschäftigen. Maßgeblich ist allein, ob eine Weiterbeschäftigung für die Dauer der ordentlichen Kündigungsfrist hinzunehmen ist! Bedenken Sie, dass eine Fortbeschäftigung des Mitarbeiters bei kurzen Kündigungsfristen eher zumutbar ist als bei längeren Fristen.

2. Interessenabwägung

Der zweite Punkt unserer Checkliste zur fristlosen Kündigung: Auch wenn ein wichtiger Grund vorliegt, der an sich eine fristlose Kündigung rechtfertigt, muss trotzdem immer geprüft werden, ob gerade in diesem Fall nicht doch besondere Gründe für eine Weiterbeschäftigung sprechen. Im Rahmen der Interessensabwägung von Arbeitnehmer und -geber sind insbesondere die Dauer der Betriebszugehörigkeit, der Umfang des durch die Pflichtverletzung verursachten Schadens, eine Wiederholungsgefahr sowie Unterhaltspflichten des Mitarbeiters und die bisherige Zusammenarbeit zu berücksichtigen.

Ob ein wichtiger Grund gegeben ist, muss also in jedem Einzelfall geprüft werden. Die gleiche Handlung kann bei einem Arbeitnehmer eine fristlose Kündigung rechtfertigen, bei einem anderen nicht.

3. Alternative Reaktionsmöglichkeiten zur Kündigung

Die fristlose Kündigung muss verhältnismäßig sein, dieser Punkt darf in keiner Checkliste zur fristlosen Kündigung fehlen. Das heißt, die sofortige Entlassung muss in Anbetracht des Fehlverhaltens die unausweichlich letzte Maßnahme sein.

Wichtig: Prüfen Sie zunächst, ob es ein milderes Mittel gibt, um das Problem mit dem Mitarbeiter zu lösen. Denn die Kündigung ist keine Bestrafung, sondern soll vertragstreues Verhalten für die Zukunft sicherstellen. Kann dies durch eine Abmahnung, Versetzung, Änderungskündigung oder eine ordentliche Kündigung erreicht werden, ist eine fristlose Kündigung unverhältnismäßig und somit unwirksam.

Grundsätzlich müssen Sie ein Fehlverhalten zunächst abmahnen und im Wiederholungsfall kündigen. Eine Ausnahme gilt bei besonders schwerwiegenden Verstößen und solchen, die sich unmittelbar auf das Vertrauensverhältnis zu Ihrem Mitarbeiter auswirken (zum Beispiel , Spesenbetrug, Bedrohung). Hier können Sie auf eine Abmahnung verzichten und beim ersten Verstoß kündigen.

4. Schriftform

Wie eine ordentliche Kündigung muss auch eine fristlose Kündigung schriftlich erklärt werden und der Zugang der Kündigung nachgewiesen werden können.

5. Erklärungsfrist von zwei Wochen

Wenn Sie von den maßgebenden Gründen für die Kündigung Kenntnis erlangen, haben Sie nur zwei Wochen Zeit, um die fristlose Kündigung zu übermitteln. Besteht zunächst nur ein Verdacht oder ist Ihnen der Sachverhalt nur bruchstückhaft bekannt, müssen Sie entsprechende Ermittlungen zügig anstellen.

Unser Tipp: Hören Sie den Mitarbeiter an. Häufig stellt sich der Sachverhalt weniger dramatisch dar, wenn man die Sichtweise beider Seiten kennt. Basiert die Kündigung nur auf einem bloßen Verdacht, ist die Anhörung sogar Pflicht! Führen Sie dieses Gespräch zu zweit, damit Sie einen Zeugen haben! Machen Sie sich Notizen, so dass Gesprächsverlauf und -inhalt auch später noch dargestellt werden können.

Entscheidend für die Einhaltung der Zwei-Wochen-Frist ist der Zugang des Kündigungsschreibens beim Arbeitnehmer. Da das Einhalten dieser Frist eine der Voraussetzungen der Wirksamkeit der Kündigung ist, sollten Sie den Tag notieren, an dem Ihnen die Vorwürfe zugetragen wurden, um die Frist nicht zu versäumen.

Unser Tipp: Sorgen Sie dafür, dass Sie nachweisen können, dass die Kündigung dem Mitarbeiter rechtzeitig zugegangen ist. Übersenden Sie die Kündigung daher keinesfalls per Post, und zwar auch nicht per Einschreiben oder Einschreiben/Rückschein! Holt der Mitarbeiter das Einschreiben nämlich nicht bei der Post ab, wird das Schreiben an Sie zurückgeschickt. Die Kündigung geht dem Arbeitnehmer dann nicht innerhalb der Zwei-Wochen-Frist zu. Übergeben Sie die Kündigung daher entweder persönlich (gemeinsam mit einem Zeugen) oder lassen Sie sie durch einen Boten zustellen. Lassen Sie sich von dem Boten dann eine schriftliche Zustellungsbestätigung geben und stellen Sie sicher, dass er/sie in einem etwaigen Kündigungsschutzverfahren als Zeuge zur Verfügung steht! Grundsätzlich kann jeder als Bote in Betracht kommen, auch ein Taxifahrer (denken Sie daran, sich dessen Namen und Anschrift zu notieren, denn sonst können Sie ihn im Streitfall nicht als Zeugen benennen).

6. Anhörung des Betriebsrats

Wie bei einer ordentlichen Kündigung muss der Betriebsrat (wenn ein solcher existiert) über sämtliche Gründe informiert werden, die Sie zur Kündigung veranlasst haben. Der Betriebsrat hat dann drei Tage Zeit, um eine schriftliche Stellungnahme abzugeben.

Wichtig: Die Anhörung muss innerhalb der Zwei-Wochen-Frist für den Zugang der Kündigung beim Arbeitnehmer abgeschlossen sein. Stellen Sie daher sicher, dass Sie die Anhörung so rechtzeitig (mindestens vier Tage vor Ablauf der Frist) einleiten, dass sich der Betriebsrat noch innerhalb der Zwei-Wochen-Frist äußern kann und die fristgemäße Zustellung der Kündigung gelingt.

Was muss für eine betriebsbedingte fristlose Kündigung vorgetragen werden?

Zur Darlegung eines wichtigen Grundes für eine außerordentliche Kündigung aus betrieblichen Gründen hat der Arbeitgeber deshalb nicht nur darzutun, dass eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers am bisherigen Arbeitsplatz – hier infolge seiner Organisationsentscheidung – nicht mehr möglich ist. Er hat vielmehr außerdem und von sich aus darzulegen, dass überhaupt keine Möglichkeit besteht, das Arbeitsverhältnis – und sei es zu geänderten Bedingungen und nach entsprechender Umschulung – sinnvoll fortzusetzen (BAG 2 AZR 372/13  und 2 AZR 379/12).

Anders als bei der ordentlichen Kündigung (BAG, 2 AZR 552/11 und 2 AZR 561/11) reicht es nicht aus, dass der Arbeitgeber zunächst vorträgt, eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers sei infolge des Wegfalls des Arbeitsplatzes nicht möglich, und sodann eine die widersprechende Darlegung des Arbeitnehmers abwartet. Das Fehlen jeglicher Beschäftigungsmöglichkeit zählt bei der außerordentlichen betriebsbedingten Kündigung zum „wichtigen Grund“. Es ist deshalb schon primär vom Arbeitgeber darzulegen (BAG, 2 AZR 372/13 und  2 AZR 379/12).

Betriebsbedingte Kündigung: Fristlose Kündigung aus betriebsbedingten Gründen möglich!

Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf (9 Sa 593/12) hat erklärt, dass eine fristlose Kündigung aus betriebsbedingten Gründen möglich sein kann:

Eine außerordentliche und zugleich fristlose Kündigung aus betriebsbedingten Gründen ist selbst gegenüber einem ordentlich unkündbaren Arbeitnehmer regelmäßig unzulässig. Zu prüfen ist, ob dem Arbeitgeber im Fall ordentlicher Kündbarkeit eine Weiterbeschäftigung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist unzumutbar wäre. Das ist bei einer betriebsbedingten Kündigung regelmäßig nicht der Fall. Dem Arbeitgeber ist, wenn aus betrieblichen Gründen eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit für den Arbeitnehmer entfällt, selbst im Insolvenzfall zumutbar, die Kündigungsfrist einzuhalten (BAG v. 18.3.2010 – 2 AZR 337/08, NZA-RR 2011, 18; BAG v. 8.4.2003 – 2 AZR 355/02, AP Nr. 181 zu § 626 BGB). Führt dies zu Vergütungsansprüchen der Arbeitnehmer aus dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs, ohne dass der Arbeitgeber eine Verwendungsmöglichkeit für die Arbeitskraft des Arbeitnehmers hat, verwirklicht sich darin lediglich das unternehmerische Risiko des Arbeitgebers (BAG v. 6.10.2005 – 2 AZR 362/04, NZA-RR 2006, 416; BAG v. 30.9.2004 – 8 AZR 462/03, AP Nr. 275 zu § 613a BGB; BAG v. 8.4.2003 – 2 AZR 355/02, AP Nr. 181 zu § 626 BGB).

(2)Eine auf betriebliche Gründe gestützte außerordentliche Kündigung mit einer – notwendig einzuhaltenden – Auslauffrist kommt in Betracht, wenn andernfalls der Ausschluss der ordentlichen Kündigung dazu führt, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer trotz Wegfalls der Beschäftigungsmöglichkeit ggf. noch über Jahre weiterbeschäftigen müsste und ihm dies unzumutbar ist (BAG v. 18.3.2010 – 2 AZR 337/08, NZA-RR 2011, 18; BAG v. 10.5.2007 – 2 AZR 626/05, BAGE 122, 264; BAG v. 8.4.2003 – 2 AZR 355/02, AP Nr. 181 zu § 626 BGB).

Ist das Arbeitsverhältnis als Austauschverhältnis auf Dauer sinnentleert, weil eine Arbeitsleistung nicht mehr erbracht werden kann und deshalb auf unzumutbar lange Zeit Vergütung ohne Gegenleistung gezahlt werden müsste, ist der Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung mit notwendiger Auslauffrist gerechtfertigt (BAG v. 6.10.2005 – 2 AZR 362/04, NZA-RR 2006, 416; BAG v. 24.6.2004 – 2 AZR 215/03, AP Nr. 278 zu § 613a BGB). Dem Arbeitgeber soll nichts Unmögliches oder evident Unzumutbares abverlangt werden.

Die fristlose Kündigung kommt mit sozialer Auslaufrist also ausnahmsweise in Betracht, wenn der Arbeitgeber gezwungen wäre, ein sinnentleertes Arbeitsverhältnis über Jahre hinweg allein durch Gehaltszahlungen, denen keine entsprechende Arbeitsleistung gegenübersteht, aufrechtzuerhalten. Allerdings ist der Arbeitgeber wegen des Ausschlusses der ordentlichen Kündbarkeit in einem besonderen Maß verpflichtet, die Kündigung durch geeignete andere Maßnahmen zu vermeiden […] Besteht noch irgendeine Möglichkeit, das Arbeitsverhältnis sinnvoll fortzusetzen, wird es ihm regelmäßig zumutbar sein, den Arbeitnehmer entsprechend einzusetzen. Erst wenn alle denkbaren Lösungsversuche ausscheiden, kann – ausnahmsweise – ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung mit Auslauffrist vorliegen


Betriebsbedingte fristlose Kündigung während der Corona-Pandemie

Aus hiesiger Sicht ist nicht zu erkennen, warum die obigen Ausführungen zur betriebsbedingten fristlosen Kündigung nicht in ihren Grundsätzen auf die Corona-Pandemie zu übertragen sind. Das bedeutet: Es muss im Betrieb genau geprüft werden, ob man zum einen unter das Kündigungsschutzgesetz fällt und wenn ja, inwieweit andere Möglichkeiten zum Erhalt des Arbeitsplatzes bestehen. Kurzarbeit ist dabei auch im Rahmen von Corona vorzugswürdig im Vergleich zur Kündigung.

Wenn trotz Kurzarbeit der Arbeitsplatz nicht erhalten werden kann, ist konkret zu dokumentieren und im Streitfall zu belegen, dass trotz des Indiz Kurzarbeit davon auszugehen ist, dass die Auftragslage nicht nur kurzzeitig eingebrochen ist.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

Unsere Kanzlei ist spezialisiert auf Starke Strafverteidigung, seriöses Wirtschaftsstrafrecht, Arbeitsrecht und IT-Recht / Technologierecht. Beachten Sie unsere Tätigkeit im Steuerstrafrecht, digitaler gewerblicher Rechtsschutz, IT-Sicherheitsrecht sowie Softwarerecht.