Arbeitsrecht: Beweis des Zugangs der Kündigung durch Zeugenbeweis

Was das Landesarbeitsgericht Mainz (5 Sa 475/14) ausführt ist weder überraschend noch neu: Eine arbeitsrechtliche Kündigung kann natürlich persönlich in den Briefkasten des Arbeitnehmers eingeworfen werden. Und hierfür kann man auch schlicht den Zeugenbeweis antreten. Gleichwohl ist die Entscheidung interessant, denn man liest einige grundlegende Ausführungen zum Thema.

Hinweis: Wichtig ist, dass der weiss und dazu aussagen kann, was wirklich eingeworfen wurde und dass er nachvollziehen kann, wann genau es eingeworfen wurde. Insbesondere ist nicht nur das Datum, sondern auch die Uhrzeit mitunter von Bedeutung, da ein zu später Einwurf auch zu einem Zugang erst am nächsten Tag führen kann.

Sachverhalt zur Zeugenaussage

Unter anderem stellte das Gericht fest:

Zur Begründung hat das – zusammengefasst – ausgeführt, die Kammer sei nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme davon überzeugt, dass dem Kläger die fristlose Kündigung vom 30.01.2014 noch am selben Tag zugegangen sei. Die Kammer folge den glaubhaften Ausführungen der Zeugin L..

Sie habe ausgesagt, dass Herr O., ein Vorstand der Beklagten, das Kündigungsschreiben in ihrem Beisein am 30.01.2014 gegen 13:00 Uhr in den Briefkasten des Klägers eingeworfen habe. Die Zeugin habe die örtlichen Gegebenheiten gut beschrieben. Sie habe zudem ausgesagt, dass das Kündigungsschreiben vom 30.01.2014 in denselben Briefkasten eingeworfen worden sei wie das Kündigungsschreiben vom 19.12.2013. Am 19.12.2013 sei der Einwurf ebenfalls in ihrem Beisein erfolgt. Die Zeugin habe auf die Kammer einen glaubwürdigen Eindruck gemacht, so dass keine Zweifel an der Richtigkeit ihrer Aussage bestünden.

Erinnerung: 3-Wochen-Frist einhalten!

Will ein geltend machen, eine Kündigung sei sozial ungerechtfertigt oder aus „anderen Gründen“ rechtsunwirksam, muss er gem. § 4 Satz 1 KSchG innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigungserklärung beim Arbeitsgericht auf Feststellung erheben, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung aufgelöst worden ist. Durch die Verweisung in § 13 Abs. 1 Satz 2 KSchG gilt die dreiwöchige Klagefrist auch bei außerordentlichen Kündigungen.

Wird die Rechtsunwirksamkeit der Kündigung nicht rechtzeitig geltend gemacht, gilt die Kündigung gemäß § 7 KSchG als von Anfang an rechtswirksam mit der Folge, dass eine verspätet erhobene als unbegründet abgewiesen werden muss.

Der Arbeitnehmer muss vortragen!

Einfach zu sagen, dass die Kündigung nicht eingegangen sei, mag reichen wenn es keine Belege gibt – wenn aber ein Zeuge existiert der glaubhaft Erklärungen abgibt, reicht das nicht mehr:

Es gibt keinen Anlass, die vom Arbeitsgericht durchgeführte Beweisaufnahme zu wiederholen oder durch Zeugenvernehmung der Ehefrau des Klägers oder einer Parteivernehmung des Klägers zu ergänzen. Es bestehen nämlich keine Anhaltspunkte für Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen des Arbeitsgerichts, die eine erneute Feststellung gebieten würden (…)
Entgegen der Ansicht der Berufung besteht kein Grund zu der Annahme, die Zeugin L. – eine kaufmännische Angestellte – habe die Hausnummern 67 und 69 verwechselt. Ebenso fernliegend ist die Mutmaßung des Klägers, das Kündigungsschreiben sei im falschen Haus (mit der Nr. 69) in einen Briefkasten mit der Aufschrift „A+M R.“ eingeworfen worden. Die Berufungskammer hält den vom Kläger gezogenen Schluss, die Zeugin habe nicht nur die Hausnummern, sondern auch die Namen „A.“ und „R.“ verwechselt, für unrealistisch. Es ist vielmehr anzunehmen, dass sie der Zustellung besondere Sorgfalt widmete, weil sie eigens als Zeugin hinzugezogen worden ist. Dass sich Frau L. nicht mehr an bloße Nebensächlichkeiten (zB. Garageneinfahrt oder Stellplatz) erinnern konnte, gibt keinen Anlass an der Richtigkeit ihrer Aussage im Kern zu zweifeln.

Es spricht ebenfalls nicht gegen die Glaubhaftigkeit ihrer Aussage, dass sie auf die Frage des Klägers, ob ein besonderes Zeichen auf dem Briefkasten angebracht gewesen sei, geantwortet hat, sie könne sich hieran nicht erinnern. Im wesentlichen Kernpunkt hat die Zeugin bekundet, dass das Schreiben vom 30.01.2014 in denselben Briefkasten wie die erste Kündigung vom 19.12.2013 eingeworfen worden sei. Da die ordentliche Kündigung vom 19.12.2013 den Kläger – unstreitig – erreicht hat, ist eine Verwechslung der Briefkästen auszuschließen.

Man merkt: Selbst bei Erinnerungslücken im Detail möchte man solchen Zeugen glauben, wenn die Gesamtumstände stimmen. Eine richterliche Haltung, die man sich in Strafprozessen wünschen würde, wenn eben mit dieser Problematik entlastende Zeugenaussagen vom Tisch gefegt werden (freilich ist man dort bei belastenden Zeugenaussagen regelmäßig flexibler).

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Trotz Fristablauf Klage erheben?

Natürlich, wenn man die Frist schuldlos versäumt hat, kann man sie immer noch retten. Dann muss man dazu aber auch brauchbar vortragen, was hier nicht der Fall war:

Vorliegend liegen keine ausreichenden, glaubhaft gemachten Tatsachen und Umstände vor, die ein Verschulden des Klägers an der Einhaltung einer rechtzeitigen Klageerhebung ausschließen. Gelangt ein Kündigungsschreiben – wie hier durch das Ergebnis der erstinstanzlich durchgeführten Beweisaufnahme bewiesen worden ist – in den Hausbriefkasten eines Arbeitnehmers, kann er als Empfänger dieser verkörperten Kündigungserklärung eine nachträgliche Klagezulassung nicht allein darauf stützen, dieses Schreiben sei aus ungeklärten Gründen nicht zu seiner Kenntnis gelangt (vgl. BAG 28.05.2009 – 2 AZR 732/08 – Rn. 22 mwN, NZA 2009, 1229).

Der Inhaber eines Hausbriefkastens muss grundsätzlich dafür Sorge tragen und Vorsorge treffen, dass er von für ihn bestimmte Sendungen Kenntnis nehmen kann. Zur Darlegung einer unverschuldeten Fristversäumnis reicht es regelmäßig nicht aus, dass sich ein Arbeitnehmer allein und pauschal darauf beruft, ein Kündigungsschreiben sei weder von ihm noch von seiner Ehefrau im Hausbriefkasten vorgefunden worden. Vielmehr muss, da es nach der gesetzlichen Formulierung auf die Anwendung „aller“ dem Arbeitnehmer zuzumutenden Sorgfalt ankommt, grundsätzlich durch eine nähere Darstellung und Glaubhaftmachung auch ein naheliegender – und ggf. verschuldeter – Verlust des Kündigungsschreibens in der Sphäre des Kündigungsempfängers ausgeschlossen werden.

Zu einem entsprechendem Vortrag gehört deshalb zumindest die Darlegung, wer von den in Betracht kommenden Personen im fraglichen Zeitraum den Briefkasten geleert hat, ob – und ggf. welche – andere Postsendungen oder Reklame sich im Briefkasten befanden und wie mit diesen verfahren wurde (vgl. BAG 28.05.2009 – 2 AZR 732/08, aaO).

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

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