Rechtsdienstleistungsgesetz: Bundesgerichtshof schränkt Rechtsberatung durch nicht-anwaltliche Dienstleister ein

Eine nunmehr vorliegende Entscheidung des Bundesgerichtshofs (I ZR 107/14) zum Vorliegen einer Rechtsdienstleistung ist nicht nur generell zum Anwendungsbereich des Rechtsdienstleistungsgesetzes (RDG) eine erste Entscheidung; darüber hinaus könnte es sich um eine Zäsur handeln. Es ging dabei um den Streit zwischen einer Rechtsanwaltskammer und einem Versicherungsmakler, die sich darum stritten, ob der Makler mit der Regulierung von Schadensfällen eine als Nebentätigkeit erlaubte Rechtsdienstleistung erbracht hat. Dabei geht es um § 5 RDG, die „Rechtsdienstleistungen im Zusammenhang mit einer anderen Tätigkeit“, die sich wie folgt verstehen:

Erlaubt sind Rechtsdienstleistungen im Zusammenhang mit einer anderen Tätigkeit, wenn sie als Nebenleistung zum Berufs- oder Tätigkeitsbild gehören. Ob eine Nebenleistung vorliegt, ist nach ihrem Inhalt, Umfang und sachlichen Zusammenhang mit der Haupttätigkeit unter Berücksichtigung der Rechtskenntnisse zu beurteilen, die für die Haupttätigkeit erforderlich sind.

Diese Regelung des RDG, welches das frühere Rechtsberatungsgesetz abgelöst hat, führte in der jüngeren Vergangenheit zu einem bunten Blumenstrauß an fachunkundigen Rechtsdienstleistungen, insbesondere von Versicherungsmaklern aber auch von Autohäusern die gerne mit einer Schadensabwicklung werben (was schon nach früherer Rechtsprechung kritisch zu sehen war, dazu etwa LG Koblenz, 4 HKO 140/08). Der BGH hat dies aus meiner Sicht nun noch einmal erweitert und dabei die bisher offenen Kernfragen zum Rechtsdienstleistungsgesetz geklärt.

Was ist eine Rechtsdienstleistung

Der bringt es im Leitsatz in aller Kürze auf den Punkt und trifft damit bereits eine durchaus vorherrschende Sichtweise in der Literatur:

Der Begriff der Rechtsdienstleistung in § 2 Abs. 1 RDG erfasst jede konkrete Subsumtion eines Sachverhalts unter die maßgeblichen rechtlichen Bestimmungen, die über eine bloß schematische Anwendung von Rechtsnormen ohne weitere rechtliche Prüfung hinausgeht; ob es sich um eine einfache oder schwierige Rechtsfrage handelt, ist dabei unerheblich.

Das bedeutet eindeutig, dass der Anwendungsbereich des RDG sehr stark und insbesondere im Vergleich zum früheren Rechtsberatungsgesetz ausgedehnt wird. Dies sagt der BGH auch ausdrücklich, der aber auch klarstellt, dass der durch das Gesetz „verfolgte Kontrollzweck nicht durch eine einengende Auslegung des Begriffs der Rechtsdienstleistung erreicht werden“ kann, also aus Sicht des BGH eine weite Anwendung zwingend ist. Allerdings stellt der BGH auch klar, dass dies schon vor allem deswegen vertretbar ist, weil in der heutigen Fassung des RDG einem auf der einen Seite erweiterten Anwendungsbereich eine – gegenüber dem früheren Recht – großzügigere Regelung für Nebenleistungen auf der anderen Seite gegenüber steht.

Die teilweise einschränkende frühere Rechtsprechung der Instanzgerichte ist damit endgültig überholt! Der konkrete Fall zeigt dabei, dass der BGH das auch erst meint, insbesondere wenn er von einer „nicht nur schematischen Subsumtion“ spricht. Dabei konnte der BGH auch gleich einmal zeigen, warum die Kontrolle existieren muss, der vorliegend handelnde Versicherungsmakler war selbst mit der korrekten Berechnung des Schadensersatzanspruchs schon überfordert:

Das Schreiben stellt die konkrete Subsumtion eines Schadensfalls unter die maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen des Haftpflichtrechts dar, die über eine bloß schematische Anwendung von Rechtsnormen ohne rechtliche Prüfung hinausgeht. Das ergibt sich bereits daraus, dass der Schadensersatzanspruch des Kunden auf der Grundlage des von ihm angegebenen Anschaffungspreises unter Berücksichtigung eines konkret ermittelten Pauschalabzugs neu für alt berechnet wurde. Diese Berechnungsmethode ist den gesetzlichen Bestimmungen keineswegs unmittelbar zu entnehmen. Im Gegenteil stellte sie sogar eine unzutreffende Auslegung der § 249 Abs. 1, § 251 Abs. 1 BGB dar. Danach orientieren sich Ersatzbeschaffung und Geldentschädigung am Wiederbeschaffungswert, also grundsätzlich am Preis für die Ersatzbeschaffung, wobei gegebenenfalls ein Abzug „neu für alt“ zu berücksichtigen ist (…)

Man merkt hier: Sobald konkret einzelne Sachverhaltselemente unter den Tatbestand gebracht werden müssen ist man im Bereich der Rechtsdienstleistung. Die rein schematische Bearbeitung dürfte wohl nur noch vorliegen, wenn ein Musterschreiben ohne jegliche Prüfung Verwendung findet, woran bezeichnender Weise kein Kunde Interesse haben dürfte.

RDG: Was ist eine erlaubte Nebenleistung

Hieran knüpft sich nun die Frage schlusslogisch an, wann denn eine erlaubte Nebenleistung im Sinne des §5 RDG vorliegt. Die Ausführungen des BGH sind hierzu sehr umfangreich, ich rate dazu, die Entscheidung selber zu lesen. Mir fiel aber ein Aspekt ganz besonders auf, der aus meiner Sicht der wuchernden „das bisschen Recht mach ich noch mit“- das Wasser abgräbt: Der BGH stellt klar, dass bei einer Bewertung der Tätigkeit nach § 5 RDG allein die für die Haupttätigkeit erforderlichen Rechtskenntnisse erheblich sind, also zu fragen ist, ob die Haupttätigkeit solche Rechtskenntnisse erfordert, dass hieraus die Nebentätigkeit mit abgedeckt ist. Und das prüft der BGH tatsächlich einmal mit der Lupe und unterscheidet beispielsweise sehr deutlich danach, ob vorwiegend nur vertragsrechtliche Kenntnis notwendig sind oder auch bei Schadensfällen dann haftungsrechtliche Kenntnisse:

Gegen die Annahme einer Nebenleistung im Sinne von § 5 Abs. 1 RDG spricht im Streitfall schließlich, dass für die Tätigkeit auf dem Gebiet der Schadensregulierung keine Rechtskenntnisse benötigt werden, die für die Haupttätigkeit als Versicherungsmakler erforderlich sind. Diese Haupttätigkeit umfasst die Vermittlung und den Abschluss von Versicherungsverträgen sowie die laufende Betreuung und Verwaltung dieser Verträge für den Versicherungsnehmer. Dafür sind vertragsrechtliche Kenntnisse erforderlich und keine näheren Kenntnisse des Haftpflichtrechts. Solcher haftpflichtrechtlicher Kenntnisse bedarf es auch nicht im Zusammenhang mit der sachkundigen Beratung des Kunden im Schadensfall, insbesondere dessen Unterstützung durch sachgerechte Schadensanzeigen, die noch der Haupttätigkeit des Versicherungsmaklers zugerechnet werden könnten (vgl. Dörner in Prölss/Martin aaO §59 Rn. 52) (…)

Nach § 5 Abs. 1 RDG sind allein die für die Haupttätigkeit erforderlichen Rechtskenntnisse erheblich. Es ist deshalb ohne Bedeutung, welche Rechtskenntnisse für den Versicherungsmakler erforderlich sind, um im Rahmen einer nach § 5 Abs. 1 RDG zulässigen Nebenleistung bei der Schadensregulierung für Versicherungsnehmer tätig zu werden.

Da bleibt kein ernsthafter Diskussionsspielraum, insbesondere im Bereich der Schadensabwicklung ist der Boden entzogen.

Interessenkollision als Problem

Am Rande sei noch etwas hervor gehoben, auch das hat der BGH – entgegen den Instanzgerichten – glücklicher Weise herausgestellt: Die Interessenkollision desjenigen der da handelt. Bei der Vermeidung der Vertretung widerstreitender Interessen handelt es sich um eines der höchsten Güter der Parteivertretung, also insbesondere des Anwaltsstandes. Das wurde in den letzten Jahren in der RDG-Rechtsprechung teilweise ein wenig von den Instanzgerichten zur Seite gefegt, zu Unrecht, wie der BGH klarstellt. Dabei macht der BGH deutlich, dass hier ebenso lebensnah wie konkret zu prüfen ist. Dass dabei im vorliegenden Fall die Instanzgerichte ernsthaft nicht einmal mehr ein Problem damit hatten, dass ein Makler den Versicherungsnehmer „vertritt“, obwohl sich zugleich das Interesse der Versicherung an niedrigen Summen und die wirtschaftliche Bindung des Maklers geradezu aufdrängen, macht sprachlos:

Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts steht der Annahme einer erlaubten Rechtsdienstleistung im Streitfall außerdem § 4 RDG entgegen (…) Danach dürfen Rechtsdienstleistungen, die unmittelbaren Einfluss auf die Erfüllung einer anderen Leistungspflicht haben können, nicht erbracht werden, wenn hierdurch die ordnungsgemäße Erbringung der Rechtsdienstleistung gefährdet wird. Diese Regelung soll Interessenkollisionen vermeiden (…)

Das Berufungsgericht hat angenommen, die maßgebliche Rechtsdienstleistung, also die Prüfung der Höhe des Schadensersatzanspruchs gegen den Versicherungsnehmer, entspreche sowohl dessen Interesse als auch demjenigen des Versicherers, so dass die Erfüllung der Leistungspflichten der Beklagten weder gegenüber dem Versicherungsnehmer noch gegenüber dem Versicherer gefährdet sei (…) Mit dieser Beurteilung hat das Berufungsgericht verkannt, dass sich der Versicherungsmakler in einen Interessenkonflikt begibt, wenn er vom Versicherer mit der Schadensregulierung beauftragt wird. Die Erfüllung dieser Rechtsdienstleistung gegenüber dem Versicherer verlangt, dass dieser eine möglichst niedrige Schadenssumme zahlt, während das vom Versicherungsmakler aufgrund seiner Haupttätigkeit zu wahrende Interesse des Versicherungsnehmers, etwa die Vermeidung eines Rechtsstreits oder einer weiteren Belastung der Kundenbeziehung mit dem Anspruchsteller, durchaus auf schnelle Zahlung einer deutlich höheren Schadenssumme gerichtet sein kann. Zudem gehört es zu den Pflichten des Versicherungsmaklers, dem Versicherungsnehmer gegebenenfalls wegen einer unbefriedigenden Schadensregulierung zu einem Wechsel des Versicherers (Umdeckung) zu raten, was dem Interesse des Versicherers entgegengesetzt ist.

Man fragt sich, in welcher Welt Richter leben, die ernsthaft glauben, ein Versicherungsmakler könne vollkommen vorbehaltlos die Interessen des Versicherungsnehmers gegen die Versicherung wahrnehmen; ja gar noch ernsthaft behaupten, er handele bei ordnungsgemäßer Abwicklung ja auch noch im Interesse „beider Herren“. Erschreckend, dass es hierzu einer Entscheidung des BGH bedurfte, zugleich aber positiv, dass hier die hohe Bedeutung der Interessenkollision hervor gehoben werden konnte.

Auswirkungen der Rechtsprechung

Der Markt der Rechtsberatung wurde weiter geöffnet und das muss auch nicht zwingend schlecht sein, insbesondere im Bereich der Bagatellfälle und der pauschalen Abwicklung ist eine Entlastung des Marktes durch Nebentätigkeiten sinnvoll. Dass aber zunehmend ein Wildwuchs an unqualifizierter Beratung und Vertretung entstanden ist bedurfte zwingend einer Korrektur, die nun auch vorgenommen wurde. Sowohl Kollegen als auch insbesondere die Rechtsanwaltskammern haben mit dieser Rechtsprechung nun brauchbare Handhabe, um gezielt gegen diesen Wildwuchs vorzugehen – es bleibt zu hoffen, dass man eben dies auch tut.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

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