Es ist in Strafsachen keine Besonderheit, dass Gerichte sich auf die Expertise von Sachverständigen stützen. Dies ist insbesondere in Fällen relevant, in denen es um komplexe medizinische oder psychologische Beurteilungen geht. Ein aktuelles Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH, 2 StR 234/23) verdeutlicht, welche Anforderungen an ein Gericht gestellt werden, wenn es sich der Meinung eines Sachverständigen anschließt.
Sachverhalt
Im zugrunde liegenden Fall litt der Angeklagte an einer psychischen Erkrankung aus dem schizophrenen Formenkreis. Mehrere Straftaten wurden ihm vorgeworfen, die er im Zustand einer akuten Psychose begangen haben soll. Das Landgericht Aachen schloss sich der Einschätzung der psychiatrischen Sachverständigen an, die eine aufgehobene Steuerungsfähigkeit des Angeklagten im Tatzeitpunkt diagnostizierte und ordnete seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an .
Rechtliche Analyse
Anforderungen an die Darstellung der Sachverständigenmeinung
Der BGH hebt hervor, dass das Gericht, wenn es sich der Meinung eines Sachverständigen anschließt, die wesentlichen Anknüpfungspunkte und Darlegungen des Gutachtens im Urteil so wiedergeben muss, dass diese für das Verständnis und die Beurteilung der Schlüssigkeit ausreichend sind. Dies bedeutet, dass das Gericht die Überlegungen des Sachverständigen nicht nur zusammenfassen, sondern detailliert darlegen muss, wie die psychische Störung des Angeklagten seine Handlungsmöglichkeiten in den konkreten Tatsituationen beeinflusst hat.
Situationsbezogene Erörterung
Der BGH betont weiter, dass eine situationsbezogene Erörterung der Handlungsmöglichkeiten des Angeklagten notwendig ist. Es reicht nicht aus, lediglich die Diagnose der psychischen Störung zu übernehmen. Vielmehr muss konkret dargelegt werden, in welcher Weise sich diese Störung auf die Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit des Angeklagten ausgewirkt hat. Diese Darlegungsanforderungen sind selbst dann zu beachten, wenn der Angeklagte – wie im vorliegenden Fall – eine Exploration durch den Sachverständigen abgelehnt hat.
Fazit
Das Urteil des BGH verdeutlicht die hohen Anforderungen an die Urteilsbegründung, wenn ein Gericht die Meinung eines Sachverständigen übernimmt. Es reicht nicht aus, die Ergebnisse des Gutachtens lediglich zu bestätigen. Vielmehr muss das Gericht die Überlegungen und Anknüpfungspunkte des Sachverständigen detailliert und nachvollziehbar darstellen und dabei die konkreten Auswirkungen der diagnostizierten Störung auf die Handlungsmöglichkeiten des Angeklagten in den relevanten Situationen erörtern. Dieses Urteil stärkt die Anforderungen an eine sorgfältige und umfassende Begründung und trägt zur Qualität und Transparenz der gerichtlichen Entscheidungen bei.
Auswirkungen auf die Praxis
Für die Praxis bedeutet das Urteil, dass Gerichte sorgfältiger bei der Übernahme von Sachverständigengutachten vorgehen müssen. Anwälte sollten darauf achten, dass die Gutachten detailliert und nachvollziehbar sind und die wesentlichen Punkte im Urteil wiedergegeben werden. Dies ist insbesondere in Strafverfahren wichtig, in denen es um die Schuldfähigkeit des Angeklagten geht und die Entscheidungen weitreichende Konsequenzen für die betroffenen Personen haben.
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