Die Anordnung einer Telekommunikationsüberwachung zu Zwecken des Strafverfahrens setzt nach § 100a Abs. 1 Satz 1 StPO voraus, dass bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, dass der Beschuldigte als Täter oder Teilnehmer eine schwere Straftat aus dem Katalog des § 100a Abs. 2 StPO begangen hat, die Tat auch im Einzelfall schwer wiegt und die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes des Beschuldigten auf andere Weise wesentlich erschwert oder aussichtslos wäre.
Telekommunikationsüberwachung beim Nichtbeschuldigten
Unter den Voraussetzungen des § 100a Abs. 3 StPO kann eine Telekommunikationsüberwachung auch gegenüber Nichtbeschuldigten angeordnet werden. Der Wortlaut der Vorschrift setzt hierfür voraus, dass aufgrund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass die Person für den Beschuldigten bestimmte oder von ihm herrührende Mitteilungen entgegennimmt oder weitergibt oder dass der Beschuldigte ihren Anschluss oder ihr informationstechnisches System benutzt.
Soweit Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen gegen Nichtbeschuldigte angeordnet werden, ist eine gesicherte Tatsachengrundlage für die Annahme der Nachrichtenmittlereigenschaft von Verfassungs wegen unerlässlich. Das Gewicht des Eingriffs erfordert Verdachtsgründe, die über vage Anhaltspunkte und bloße Vermutungen hinausgehen. Bloße Äußerungen, ungeprüfte Gerüchte und Vermutungen reichen nicht aus. Erforderlich ist, dass aufgrund von Zeugenaussagen, Beobachtungen oder anderen objektiven Beweisanzeichen nach der Lebenserfahrung oder kriminalistischer Erfahrung im Einzelfall auf die Nachrichtengeheimdiensteigenschaft geschlossen werden kann.
Das Fernmeldegeheimnis
Das Fernmeldegeheimnis aus Art. 10 Abs. 1 GG schützt die unkörperliche Übermittlung von Informationen an individuelle Empfänger mittels Telekommunikation. Das Fernmeldegeheimnis umfasst nicht nur den Inhalt der Kommunikation, sondern schützt auch die Umstände der Kommunikation.
Dazu gehört insbesondere, ob, wann und wie oft zwischen welchen Personen oder Telekommunikationsanschlüssen Telekommunikationsverkehr stattgefunden hat oder versucht worden ist. Art. 10 Abs. 1 GG will für den Bereich der Telekommunikation einen Ausgleich für den technisch bedingten Verlust an Privatheit schaffen und den Gefahren begegnen, die sich aus dem Übertragungsvorgang einschließlich der Einschaltung Dritter ergeben. Die Nutzung des Kommunikationsmediums soll in jeder Hinsicht vertraulich sein. Die grundrechtliche Garantie der Unverletzlichkeit des Fernmeldegeheimnisses soll verhindern, dass der Meinungs- und Informationsaustausch mittels Telekommunikationsanlagen deshalb unterbleibt oder nach Form und Inhalt verändert wird, weil die Beteiligten damit rechnen müssen, dass staatliche Stellen in die Kommunikation eingreifen und Kenntnis von Kommunikationsbeziehungen oder Kommunikationsinhalten erlangen.
Beschränkungen des Fernmeldegeheimnisses dürfen nach Art. 10 Abs. 2 Satz 1 GG nur auf Grund eines Gesetzes angeordnet werden. Das grundrechtsbeschränkende Gesetz ist seinerseits aus der Erkenntnis der grundlegenden Bedeutung des Fernmeldegeheimnisses und damit in seiner grundrechtsbeschränkenden Wirkung selbst im Lichte des Grundrechts auszulegen. Das Bundesverfassungsgericht prüft daher, ob die Fachgerichte den Einfluss der Grundrechte auf die Auslegung und Anwendung der grundrechtsbeschränkenden Normen des einfachen Rechts hinreichend beachtet haben, so dass der wertsetzende Gehalt der Grundrechte auch auf der Ebene der Rechtsanwendung gewahrt bleibt (zu alledem mit weiteren Nachweisen: BVerfG, 2 BvR 626/20).
- Operation „Final Exchange“: Schlag gegen Cyberkriminellen-Szene rund um Kryptowährungen - 10. Oktober 2024
- Captagon im deutschen Strafrecht: Ein Überblick - 8. Oktober 2024
- Perfctl: Neue, heimtückische Malware, die Millionen von Linux-Servern bedroht - 7. Oktober 2024