AGG: Keine Benachteiligung wegen falscher Anrede im Ablehnungsschreiben

Wenn das einzige Indiz für eine Benachteiligung in einem Bewerbungsverfahren eine im Ablehnungsschreiben enthaltene falsche männliche Anrede ist, reicht das nicht, so das Düsseldorf (14 Ca 908/11). Denn die falsche Anrede in dem Antwortschreiben kann vielerlei Gründe haben. Selbst wenn die falsche Anrede ihre Ursache darin hat, dass der ausländische Vorname der Klägerin dem Antwortenden nicht sofort geläufig war und ihm deshalb ein Fehler in der Sachbearbeitung der Antwort unterlaufen ist, kann daraus nicht mit einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit geschlossen werden, dass eines der verpönten Merkmale des § 1 AGG Teil des Motivbündels der Ablehnung der Bewerbung der Klägerin war. Ein schlichter Fehler in der Sachbearbeitung ist dann nach wie vor genauso wahrscheinlich.

Interessantes Argument des Gerichts: Ein solcher Fehler kann genauso gut dafür sprechen, dass bei dem Ablehnungsschreiben die Bewerbung der Klägerin nicht noch einmal zur Hand genommen worden ist und so der Fehler unterlaufen ist. Letztlichkommt es darauf an, ob eine schlicht mangelnde Sorgfalt in der Bearbeitung der Antwort mindestens genauso wahrscheinlich ist, wie eine aus der männlichen Anrede abgeleitete Benachteiligung.

Beeindruckend finde ich dabei die letzten Worte des Gerichts, die man sich ruhig auf der Zunge zergehen lassen darf:

Ein solches Versehen kann zudem jede oder jeden treffen, der sich bewirbt. Auch dem Gericht ist es schon passiert, dass in einem Urteil versehentlich von einem Kläger statt einer Klägerin gesprochen worden ist, ohne dass Motivbündel der getroffenen Entscheidung eines der verpönten Merkmale des § 1 AGG gewesen wäre. Das Gericht versteht allerdings, dass die Klägerin über die falsche Anrede verärgert ist. Nicht jedes Ärgernis und nicht jeder Fehler führt jedoch zu der Vermutung einer und so zu einem Entschädigungsanspruch.

Im Fazit ist noch einmal festzuhalten: Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz erfordert vom potentiellen Arbeitgeber sehr viel Mühe und Sorgfalt im Umgang mit Bewerbern. Dennoch sind Fehler möglich – und eben nicht jeder Fehler ist gleich ein rechtliches Problem. Ebenso muss man nicht wegen jedem (ärgerlichen) Fehler gleich den Klageweg beschreiten.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften. Dabei bin ich fortgebildet in Krisenkommunikation und Compliance.

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