AGB-Recht: Vorleistungspflicht für Online-Partnerportal unwirksam

Das OLG Dresden (14 U 603/14) hat sich mit der Vorleistungspflicht bei Online-Partnerbörsen beschäftigt und festgestellt, dass eine Vorleistungspflicht des Kunden bei einer Mindestlaufzeit von einem Jahr unwirksam ist. Der Kunde würde sich hier von dem ihm zustehenden Kündigungsrecht abhalten lassen, warum im Ergebnis eine solche Klausel nicht hinzunehmen ist.

Aus der Entscheidung:

Die Klausel ist unwirksam, weil sie von wesentlichen Grundgedanken des Dienstvertragsrechts (§ 614 BGB- Vorleistungspflicht) abweicht und im konkreten Verwendungszusammenhang das sich aus der für diese Art von Verträgen anzunehmenden besonderen Vertrauensstellung der Beklagten herzuleitende (wesentliche) Recht des Verbrauchers zur jederzeitigen freien Kündigung des Vertrages (§ 627 BGB) so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks aus Verbrauchersicht gefährdet ist und ihn damit entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt (§ 307 Abs. 1, 2 BGB).

Eine unangemessene Benachteiligung des Verbrauchers entgegen den Geboten von Treu und Glauben i.S.d. § 307 BGB ist im Zweifel dann anzunehmen, wenn eine Bestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung,
von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrages ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist. Bei der Prüfung der Klausel ist von Gegenstand, ZWeck und Eigenart des Vertrages auszugehen. Ihr Inhalt ist vor dem Hintergrund der übrigen vertraglichen Regelungen auszulegen und zu bewerten. Zur Beurteilung bedarf ~ einer umfassenden Ermittlung und einer – an den Grundsätzen von Treu und Glauben orientierten – Abwägung der beiderseitigen typischen Interessen der Parteien unter Einbeziehung der Art des konkreten Vertrages, der Anschauungen der beteiligten Verkehrskreise und der sich aus der Gesamtheit der Rechtsordnung ergebenden Bewertungskriterien […]

Unangemessen ist eine sich im Vergleich zum dispositiven Gesetzesrecht ergebende Benachteiligung dann, wenn der
AGB-Verwender durch die einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich seine eigenen Interessen auf Kosten seiner Vertragspartner durchzusetzen versucht, ohne dabei auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und einen angemessenen Ausgleich vorzusehen […]

Die von der Beklagten bestimmte Vorleistungspflicht des Kunden weicht vom gesetzlichen Leitbild des anzuwendenden Dienstvertragsrechts ab, § 614 BGB. Bei den unter Einbeziehung der streitgegenständlichen AGB-Kiausel auf
dem lnternetportal […] abzuschließenden Vereinbarungen handelt es sich um Partnerschaftsvermittlungsdienstverträge, welche auf die Erbringung von Dienstell höherer Art i.S.d. § 627 Abs.1 BGB gerichtet sind […]

Die Qualifizierung des Vertrages als auf Dienste höherer Art gerichtet rechtfertigt sich dadurch, dass „es in der Natur der Sache liegt, dass ein Kunde, der um Unterstützung bei der Partnerschaftsvermittlung nachsucht, besonderes Vertrauen zu seinem Auftragnehmer, auf dessen Seriosität er setzt, haben muss. Es ist notwendig, zumindest aber auch geboten und üblich, dass er seinem Vertragspartner Auskünfte über seine eigene Person und die des gewünschten Partners gibt. Das Vertragsverhältnis berührt insoweit in besonderem
Maße die Privat- und lntimssphäre des Kunden […]

Bei der vorzunehmenden Angemesseriheitsbeurteilurtg ist zu berücksichtigen, dass nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auf Partnerschaftsvermittlungsverträge § 656 Abs. 1 S: 1 BGB entsprechend anwendbar ist
[…] und die Beklagte daher den vereinbarten Lohn – der lediglich den Charakter einer Naturalobligation
hat – nicht mit Erfolg einklagen kann. Sie hat somit ein grundsätzlich anerkennenswertes, elementares Interesse daran, ihren Lohn möglichst bald und auch schon vor der Leistungserbringung zu erlangen. Dieses Ziel muss sie (nahezu zwangsläufig) auch für gewisse Laufzeiten anstreben, weil sie jederzeit Gefahr läuft, gemäß § 627 Abs. 1 BGB gekündigt zu werden. Infolgedessen hat der Betreiber eines auf Partnervermittlung gerichteten Internetportals ein auf der Hand liegendes· Interesse an Vorausleistungen des Kunden […]

Eine nach den beschriebenen Vorgaben […] vorzunehmende Interessenabwägung führt zur Unwirksamkelt der hier im Streit stehenden Formularklausel wegen einer unangemessenen Benachteiligung der Verbraucher. Unter Berücksichtigung der Gesetzes- und Interessenlage und der Einbindung der Regelung in die weiteren vertraglichen Bestimmungen benachteiligt die vom dispositiven Gesetzesrecht (§ 614 BGB) abweichende formularmäßige Vereinbarung
einer Vorleistungspflicht des Kunden die Verbraucher hier entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen (§ 307 Abs. 1, Abs. 2 BGB), weil sie in Kombination mit der in § 4 Ziffer 5 der Beklagten-AGB vorgesehenen Einschränkung des Erstattungsanspruchs […] geeignet ist, das jederzeitige freie Kündigungsrecht des Kunden zu entwerten […]

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

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