Änderung des §201a StGB und Umsetzung europäischer Vorgaben zum Sexualstrafrecht (2015)

Status: Verkündet und in Kraft getreten

Verschärfung Sexualstrafrecht 2015 sowie §201a StGB: Abstimmungsverlauf

Der Bundestag stimmte am Freitag, 14. November 2014, mit den Stimmen von CDU/CSU- und SPD-Fraktion einem Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen (18/2601) in der durch den Ausschuss geänderten Fassung (18/3202) zu. Ein mit der Koalitionsvorlage wortgleicher Regierungsentwurf (18/2954) wurde zugleich für erledigt erklärt.

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Kurze Inhaltsangabe gemäß Dokumentationsystem des Bundestages und Pressemitteilung

1. Presse: Mit dem Gesetz wird unter anderem geregelt, dass die Herstellung und der Besitz von Nacktbildern von Kindern und Jugendlichen strafrechtlich verfolgt werden, wenn die Absicht besteht, diese zu verkaufen oder in Tauschbörsen anzubieten. Verboten sind zugleich der Besitz und die Weitergabe von Bildern mit kinderpornografischen Inhalten. Laut Gesetz ist dies der Fall, wenn die Kinder in „unnatürlicher geschlechtsbetonter Körperhaltung“ zu sehen sind. Ebenso, wenn Bilder „die unbekleideten Genitalien oder das Gesäß eines Kindes zeigen“. Strafbar ist künftig auch, wer Bilder, „die geeignet sind, dem Ansehen der abgebildeten Personen erheblich zu schaden“, unbefugt Dritten zugänglich macht.

2. Dokumentationssystem: Umsetzung der Lanzarote-Konvention und der Istanbul-Konvention des Europarates sowie einer EU- betr. Schutz von Kindern gegen sexuelle Ausbeutung durch Ausweitung des Auslandstatenkatalogs und Änderungen insbes. im Bereichen Schutz vor sexuellem Missbrauch sowie den Bereichen und Jugendpornographie und Recht am eigenen Bild, weitere Änderungen:
Erstreckung deutschen Strafrechts auf Auslandstaten unabhängig vom Recht des Tatorts (nicht einvernehmliche sexuelle Handlungen und sexuellen Handlungen mit und an Kindern, Zwangsheirat, Genitalverstümmelung und Zwangssterilisation), Ruhen von Verjährungen, klarstellende systematische und redaktionelle Änderungen betr. , Anleitung zu Straftaten und Gewaltdarstellungen, Ausschärfung betr. Missbrauch von Schutzbefohlenen (verwandtschaftliches Umfeld und häusliche Gemeinschaft, Obhut zur Erziehung und Ausbildung) sowie betr. sexuellen Missbrauch von Jugendlichen; zahlreiche Einzeländerungen und Verschärfungen im Bereich Kinder und Jugendpornographie einschl. Zugänglichmachung und Abruf sowie live-Darbietungen; Strafbarkeit bloßstellender Bildaufnahmen sowie Aufnahmen unbekleideter Personen, Aufnahme als relatives Antragsdelikt und Privatklagedelikt; Klarstellung zum Schriftenbegriff und Einbeziehung von IuK-Technologien in versch. Strafnormen; geschlechtsneutrale Formulierungen;
Änderung §§ 5, 76b, 130, 130a und 131, 174, 176, 182 und 184 sowie 194, 201a und 205, Neufassung §§ 184a bis 184e und Folgeänderung weiterer §§ Strafgesetzbuch, Änderung § 374 Strafprozessordnung sowie Folgeänderung in weiteren 8 Gesetzen

Aus dem Entwurf zur Verschärfung des Sexualstrafrechts 2015 zu „Problem und Ziel“

Das von der Bundesrepublik Deutschland am 25. Oktober 2007 unterzeichnete Übereinkommen des Europarats zum Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeu- tung und sexuellem Missbrauch (ETS 201 – Lanzarote-Konvention), das am 11. Mai 2011 von der Bundesrepublik Deutschland unterzeichnete Übereinkom- men des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (ETS 210 – Istanbul-Konvention) und die Richtlinie 2011/93/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs und der sexuellen Ausbeutung von Kindern sowie der Kinderpornografie sowie zur Ersetzung des Rahmenbeschlus- ses 2004/68/JI des Rates (ABl. L 335 vom 17.12.2011, S. 1; L 18 vom 21.1.2012, S. 7) müssen in innerstaatliches Recht umgesetzt werden.
Das deutsche Recht entspricht den Anforderungen dieser Rechtsinstrumente be- reits im Wesentlichen. Allerdings werden Artikel 17 Absatz 1 Buchstabe b in Ver- bindung mit Absatz 4 der Richtlinie 2011/93/EU, Artikel 44 Absatz 1 Buchstabe d in Verbindung mit Absatz 3 der Istanbul-Konvention und Artikel 25 Absatz 1 Buchstabe d in Verbindung mit Absatz 4 der Lanzarote-Konvention vom deut- schen Strafanwendungsrecht nicht vollständig umgesetzt. Das geltende Verjäh- rungsrecht erfüllt zudem nicht sämtliche Vorgaben von Artikel 58 der Istanbul- Konvention. Zudem fehlt im Besonderen Teil des Strafgesetzbuches (StGB) eine Vorschrift entsprechend Artikel 4 Absatz 4 der Richtlinie 2011/93/EU und Arti- kel 21 Absatz 1 Buchstabe c der Lanzarote-Konvention (Strafbarkeit der wissent- lichen Teilnahme/des wissentlichen Besuchs pornographischer Darbietungen, an denen Kinder – nach den Definitionen in Artikel 2 Buchstabe a der Richtlinie 2011/93/EU und in Artikel 3 Buchstabe a des Übereinkommens Personen unter 18 Jahren – beteiligt sind/mitwirken). Auch entspricht § 176 Absatz 4 Nummer 3 StGB („… durch Schriften“) nicht vollständig den Anforderungen von Artikel 6 Absatz 1 der Richtlinie 2011/93/EU und Artikel 23 Lanzarote-Konvention („… mittels Informations- und Kommunikationstechnologie“).
Ob und gegebenenfalls inwieweit aus Artikel 36 der Istanbul-Konvention gesetz- geberischer Handlungsbedarf im Hinblick auf die Strafbarkeit nicht einvernehm- licher sexueller Handlungen folgt, ist noch Gegenstand der Prüfung.

Über die Umsetzung der oben genannten internationalen Vorgaben hinaus besteht weiterer gesetzgeberischer Handlungsbedarf:
So sollen die Verfolgung von im Ausland verübten Genitalverstümmelungen wei- ter erleichtert und die verjährungsrechtliche Ruhensvorschrift des § 78b Absatz 1 Nummer 1 StGB erneut erweitert werden.
Auch erscheinen die Vorschriften von § 174 Absatz 1 und § 182 Absatz 3 StGB zu eng, um alle strafwürdigen Sachverhalte zu erfassen. § 174 Absatz 1 StGB berücksichtigt derzeit nicht ausreichend das strukturelle Ungleichgewicht, das zwischen Erwachsenen und Jugendlichen in Institutionen, die der Erziehung, Aus- bildung und Betreuung in der Lebensführung von Jugendlichen dienen, sowie in abstammungsähnlichen sozialen Verhältnissen besteht.
Zudem verlangen Artikel 5 Absatz 3 und 6 sowie Artikel 7 Absatz 2 der Richtlinie 2011/93/EU und Artikel 20 Absatz 1 Buchstabe a und f sowie Artikel 24 Absatz 2 und 3 der Lanzarote-Konvention, dass die Herstellung von sowie der wissentliche bzw. bewusste Zugriff mittels Informations- und Kommunikationstechnologie auf Kinderpornographie (zu Letzterem erlaubt Artikel 20 Absatz 4 der Lanzarote- Konvention allerdings einen Vorbehalt) und der Versuch der Verbreitung, Wei- tergabe und Herstellung von Kinderpornographie strafbar sind. Dieser Verpflich- tung kommt die Bundesrepublik Deutschland zwar mit den §§ 184b und 184c StGB sowie ergänzend im Hinblick auf die Herstellung mit den §§ 174, 176 ff., 180 Absatz 2 und 3, § 182 StGB in ausreichendem Umfang nach; ausdrückliche und klarstellende Regelungen sind gleichwohl sinnvoll.
In diesem Zusammenhang wird auch vorgeschlagen, spezielle Regelungen für das Zugänglichmachen strafbarer Inhalte für eine andere Person oder die Öffentlich- keit sowie den Abruf kinder- und jugendpornographischer Inhalte mittels Rundfunk und Telemedien zu schaffen. Die bisherigen Regelungen sind auf den Fall der „Schrift“ zugeschnitten, bei der Inhalt und Trägermedium grundsätzlich mit- einander verbunden sind und die gegenständlich zugänglich gemacht wird.
Zudem sollen die genannten Vorschriften vorsichtig neu geordnet und redaktio- nell überarbeitet werden.
Als verbesserungswürdig erscheint auch der Schutz des allgemeinen Persönlich- keitsrechts (Schutz am eigenen Bild) gegen Herstellung, Weitergabe und Verbrei- tung bloßstellender Bildaufnahmen sowie von Bildaufnahmen unbekleideter Per- sonen, namentlich Kindern, bei denen solche Bildaufnahmen auch zu sexuellen Zwecken hergestellt oder verbreitet werden.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

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