Änderung des Postgesetzes im Kampf gegen Drogenversand per Post

Am 12.02.2021 hat der Bundestag eine gwwichtige Änderung für das Postgesetz beschlossen: Beschäftigte von Postdienstleistern müssen demnach verdächtige Postsendungen unverzüglich bei der Polizei oder anderen Strafverfolgungsbehörden abgeben. Dies muss dann erfolgen, wenn zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für eine Straftat unter anderem nach dem Betäubungsmittelgesetz, dem Neue-psychoaktive-Stoffe-Gesetz, dem , dem Anti-Doping-Gesetz bestehen.

Entgegen aufgeregten Presseberichten bedeutet dies aber nicht, dass Postboten Briefe öffnen dürfen.

Wesentliches Problem bei der Gesetzesänderung ist, dass aus irgendeinem Grund die Dokumente nur mit erheblichem Arbeitsaufwand zu finden sind – der Vorgang ist hier zu finden. Dabei wurde der ursprüngliche Entwurf aus dem Juni 2020 durch den zuständigen Ausschuss vollständig neu gefasst. Im Kern geht es am Ende darum, dass ein neuer § 39 Absatz 4a PostG geschaffen wird mit diesem Inhalt:

Ein nach Absatz 2 Verpflichteter hat der zuständigen Straf- verfolgungsbehörde eine Postsendung, über deren Inhalt er sich nach Absatz 4 Satz 1 Kenntnis verschafft hat, unverzüglich zur Nachprü- fung vorzulegen, wenn zureichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass mit der Postsendung eine strafbare Handlung nach

1. den §§ 29 bis 30b des Betäubungsmittelgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 1. März 1994 (BGBl. I S. 358), das zu- letzt durch Artikel4 des Gesetzes vom 30.November 2020 (BGBl. I S. 2600) geändert worden ist,

2. § 4 des Neue-psychoaktive-Stoffe-Gesetzes vom 21. November 2016 (BGBl. I S. 2615), das zuletzt durch Artikel 1 der Verord- nung vom 3. Juli 2020 (BGBl. I S. 1555) geändert worden ist,

3. § 19 des Grundstoffüberwachungsgesetzes vom 11. März 2008 (BGBl. I S. 306), das zuletzt durch Artikel 92 der Verordnung vom 19. Juni 2020 (BGBl. I S. 1328) geändert worden ist,

4. den §§ 95 und 96 des Arzneimittelgesetzes in der Fassung der Be- kanntmachung vom 12. Dezember 2005 (BGBl. I S. 3394), das zuletzt durch Artikel 5 des Gesetzes vom 9. Dezember 2020 (BGBl. I S. 2870) geändert worden ist,

5. § 4 des Anti-Doping-Gesetzes vom 10. Dezember 2015 (BGBl. I S. 2210), das zuletzt durch Artikel 1 der Verordnung vom 3. Juli 2020 (BGBl. I S. 1547) geändert worden ist,

6. den §§ 51 und 52 des Waffengesetzes vom 11. Oktober 2002 (BGBl. I S. 3970, 4592; 2003 I S. 1957), das zuletzt durch Arti- kel 228 der Verordnung vom 19. Juni 2020 (BGBl. I S. 1328) ge- ändert worden ist,

7. den §§ 40 und 42 des Sprengstoffgesetzes in der Fassung der Be- kanntmachung vom 10. September 2002 (BGBl. I S. 3518), das zuletzt durch Artikel 232 der Verordnung vom 19. Juni 2020 (BGBl. I S. 1328) geändert worden ist,

8. den §§ 19 bis 21 und 22a des Gesetzes über die Kontrolle von Kriegswaffen in der Fassung der Bekanntmachung vom 22. No- vember 1990 (BGBl. I S. 2506), das zuletzt durch Artikel 36 der Verordnung vom 19. Juni 2020 (BGBl. I S. 1328) geändert wor- den ist,

9. § 13 des Ausgangsstoffgesetzes vom 3. Dezember 2020 (BGBl. I S. 2678),

in der jeweils geltenden Fassung begangen wird. Das Postgeheimnis nach Artikel 10 des Grundgesetzes wird insoweit eingeschränkt.“ ‘


Es muss damit nach meiner Lesart jeder Beschäftigte des Zustellers – bis hin zum Postboten – potentiell verdächtige Pakete melden. Woran man die erkennen soll wird dabei natürlich nicht erklärt.

Achtung, Unklar ist, ob den Betreffenden vom Mitarbeiter in der Zustellzentrale bis zum Postboten zukünftig eine eigene Bussgeldpflicht trifft, die selbst bei fahrlässigem Handeln eintreten würde (hierzu wird eine neue Ziffer 8a im §49 Abs.1 PostG geschaffen). Man wüsste also nicht woran man verdächtige Pakete erkennt, wenn man aber fahrlässig eines zustellt, bekommt man ein – das mit einer Geldbuße bis zu 500 000 Euro belegt ist (hierzu muss man in den Regierungsentwurf blicken).

Ob die Postboten sich da im Zweifelsfall für die Zustellung oder die vorschnelle Meldung an Behörden entscheiden dürfte kaum Überlegungsspielraum lassen. Deswegen hatte der Ausschuss allerdings bewusst von einem Bussgeld abgesehen, dazu Drucksache 19/26583, Seite 18, am Ende. Es ist aktuell nicht klar, was nun beschlossen wurde – die Drogenbeauftragte etwa begrüsst ausdrücklich eine angeblich beschlossene Bussgeldpflicht. Die schlechte Dokumentation beim Bundestag lässt die Frage aktuell offen.

Es dürfte einer der vielen Fälle sein, in dem den Abgeordneten beim Durchwinken gar nicht klar war, was eigentlich im Gesetz stand: Im Fokus der Diskussion standen früher Wettbewerb und Entgeltregulierung, nicht aber der tiefgreifende Grundrechtseingriff. Und der ist hier vorliegend durchaus zu erkennen, denn auch wenn Postboten entgegen übereilter Berichte nicht in die Pakete blicken, so muss doch das Risiko gesehen werden, dass aus Angst vor fahrlässig verwirklichten Bussgeldern nun übereilt Pakete und Briefsendungen den Behörden gemeldet werden.

Das Gesetz reiht sich in eine ganze Batterie befremdlicher Entwicklungen, die vermeintlich der Sicherheit dienen – Bürgerrechte aber massiv beschneiden und letztlich hinsichtlich der Kriminalität wohl eher wenig bringen werden und die überlasteten Ermittler, in kaputt gesparten Behörden, noch weiter auslasten. Von hier aus kann nur noch Ohnmächtig zur Kenntnis genommen werden, mit welcher Geschwindigkeit und Masse – und von der Öffentlichkeit kaum Bemerkt – in Bürgerrechte eingegriffen wird und an Gesetzen herum gefuhrwerkt wird.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

Unsere Kanzlei ist spezialisiert auf Starke Strafverteidigung, seriöses Wirtschaftsstrafrecht, Arbeitsrecht und IT-Recht / Technologierecht.