Tatmittel oder Tatertrag: Kaum ein Bereich des materiellen Strafrechts ist derart von Differenzierungsfragen durchzogen wie das Betäubungsmittelstrafrecht. Dies gilt nicht nur für die Tatbestandsmerkmale selbst, sondern zunehmend auch für die Einziehungsentscheidungen nach §§ 73 ff. StGB. In seinem Beschluss vom 7. Mai 2025 (2 StR 112/25) klärt der Bundesgerichtshof (BGH) mehrere grundlegende Fragen im Zusammenhang mit der Einziehung von Vermögenswerten, die im Rahmen von Betäubungsmitteldelikten verwendet oder erlangt wurden – insbesondere die dogmatische Trennung zwischen Tatmitteln und Taterträgen sowie die Reichweite der gesamtschuldnerischen Haftung.
Sachverhalt
Das Landgericht Aachen hatte den Angeklagten unter anderem wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und wegen Beihilfe zum Handeltreiben in sechs Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt. Darüber hinaus ordnete es die Einziehung des Wertes von Taterträgen in beträchtlicher Höhe an. Die Revision des Angeklagten war auf die Sachrüge gestützt und hatte in Bezug auf die Einziehungsentscheidung teilweise Erfolg. Der BGH korrigierte die Entscheidung insoweit und reduzierte den Einziehungsbetrag auf 123.900 Euro, unter ausdrücklicher Anordnung der gesamtschuldnerischen Haftung.
Juristische Analyse
Abgrenzung zwischen Taterträgen und Tatmitteln
Zentraler dogmatischer Kern der Entscheidung ist die Frage, ob Geldbeträge, die einem Angeklagten zum Ankauf von Betäubungsmitteln übergeben wurden, als Tatertrag (§§ 73 ff. StGB) oder Tatmittel (§ 74 StGB) zu qualifizieren sind. Der BGH stellt hierzu klar: Gelder, die ausschließlich zur Durchführung der Tat bestimmt waren – etwa zur Bezahlung der eingeführten Drogen –, sind keine Taterträge, sondern Tatmittel. Der Angeklagte hat insoweit nichts „für“ oder „durch“ die Tat im Sinne des § 73 Abs. 1 StGB erlangt. Das entspricht ständiger Rechtsprechung und verhindert eine unzulässige Doppelbelastung des Täters durch Einziehung und Sanktionierung eines bloßen Tatmittels.
Besonders deutlich wird dies im Fall II.5 der Urteilsgründe, in dem der Angeklagte einen Kaufpreis überbrachte, den er zuvor vom Mitangeklagten erhalten hatte. Nach Auffassung des Senats war das Geld allein für den Erwerb der Betäubungsmittel bestimmt und wurde bestimmungsgemäß verbraucht – eine Konstellation, die die Einziehung nach § 74c Abs. 1 StGB ausschließt, da keine Vereitelung vorlag.
Einziehungsfähigkeit des Kurierlohns
Demgegenüber unterliegt der dem Angeklagten gezahlte Kurierlohn sehr wohl der Einziehung. Hierbei handelt es sich um eine unmittelbare Bereicherung „für“ die Tat, also um einen klassischen Tatertrag. Dies gilt auch dann, wenn der Lohn – wie hier – aus bereits zuvor vereinnahmten Verkaufserlösen des Mitangeklagten stammt. Die Herkunft des Geldes ist in diesem Kontext unerheblich, solange es dem Angeklagten als Gegenleistung für seine Tatbeiträge zufließt.
Gleichzeitig stellt der Senat jedoch klar, dass eine doppelte Einziehung desselben Vermögenswertes unzulässig ist. Erhält der Täter etwa eine Transportvergütung, die unmittelbar aus einem zuvor entgegengenommenen Verkaufserlös stammt, kann nur einer dieser Werte eingezogen werden. Der wirtschaftliche Zugriff des Staates auf die Taterträge muss widerspruchsfrei bleiben und darf sich nicht auf ein- und denselben Vermögensvorteil mehrfach erstrecken.
Gesamtschuldnerische Haftung bei mehreren Tatbeteiligten
Ein weiterer wichtiger Aspekt der Entscheidung betrifft die gesamtschuldnerische Haftung. Der BGH hält daran fest, dass bei mehreren Tätern oder Teilnehmern, denen ein Vermögensvorteil gemeinschaftlich zufließt, eine gesamtschuldnerische Einziehung erfolgen kann. Diese ist im Tenor ausdrücklich kenntlich zu machen – eine namentliche Nennung des Mitverpflichteten ist aber nicht erforderlich.
Im konkreten Fall bezog sich die gesamtschuldnerische Haftung unter anderem auf den Kurierlohn, der nachweislich aus gemeinschaftlich erlangten Verkaufserlösen stammte. Die Einziehung erfolgt damit gegen den Angeklagten in voller Höhe, wobei dieser wiederum Regress gegenüber dem Mitangeklagten nehmen kann. Die Entscheidung fügt sich nahtlos in die höchstrichterliche Linie ein (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 30. März 2023 – 2 StR 118/22).
Korrektur der Einziehungsentscheidung durch den Revisionssenat
Der Senat nutzte in dieser Entscheidung erneut die Möglichkeit, im Wege der entsprechenden Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO die fehlerhafte Einziehungsentscheidung selbst zu korrigieren. Das setzt voraus, dass keine neuen, abweichenden Feststellungen zu erwarten sind. Eine solche richterliche Korrekturkompetenz dient der Verfahrensökonomie und stellt sicher, dass revisionsrechtlich eindeutige Fehler unmittelbar bereinigt werden können, ohne eine neue Tatsacheninstanz zu bemühen.
Im Ergebnis reduzierte der Senat die Einziehungssumme auf 123.900 Euro und ließ sie nur in Höhe der unstreitig als Taterträge qualifizierten Beträge bestehen. Die weitergehende Einziehung entfiel.
Resümee
Mit seinem Beschluss vom 7. Mai 2025 präzisiert der Bundesgerichtshof erneut die dogmatischen Voraussetzungen der Einziehung im Betäubungsmittelstrafrecht. Die Unterscheidung zwischen Tatmitteln und Taterträgen ist nicht nur theoretisch bedeutsam, sondern hat erhebliche praktische Auswirkungen – sowohl für die Strafzumessung als auch für die Vermögensabschöpfung. Der Senat betont die Bedeutung einer einheitlichen wirtschaftlichen Betrachtung, verweist auf die Grenzen der Einziehungsbefugnis und stärkt zugleich das Instrument der gesamtschuldnerischen Haftung. Für Praxis und Wissenschaft ist die Entscheidung ein weiterer Schritt zu einer systematisch konsistenten Vermögensabschöpfung im Bereich der organisierten Betäubungsmittelkriminalität.
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